Bundesrat: Teuerungsausgleich für Bezieher:innen von Ausgleichszulage, Aliquotierung von Pensionen ausgesetzt

Kraftfahrgesetz bringt höhere Strafen für Handy am Steuer

Der Bundesrat betätigte heute mehrheitlich die Reparatur einer Bestimmung, durch die Bezieher:innen einer Ausgleichszulage zur Pension der volle Teuerungsausgleich bisher vorenthalten blieb. Weiters wird mit der nun beschlossenen Novelle die Aliquotierungsregelung für Pensionen ausgesetzt. Damit ist sichergestellt, dass alle, die 2023 oder 2024 in Pension gehen, unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Pensionsantritts schon im darauffolgenden Jahr die volle Inflationsabgeltung erhalten.

Eine umfassende Novellierung des Kraftfahrgesetzes, die unter anderem zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen soll, passierte den Bundesrat mit Mehrheit. Da Ablenkung am Steuer eine häufige Ursache schwerer Verkehrsunfälle ist, werden unter anderem die Strafen für Verstöße gegen das Handyverbot deutlich angehoben. Begleitend ist eine Kampagne des Verkehrsministeriums zum Thema Sicherheit im Straßenverkehr geplant. Sozialdemokrat:innen und Freiheitliche hielten auch in der Länderkammer an ihrer Ablehnung von Teilen der Novelle fest.

Neben dem EU-Vorhabenbericht des Sozialministers für 2023, der mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde, debattierte der Bundesrat drei Berichte der Volksanwaltschaft. Neben dem Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für 2021 wurden zwei Sonderberichte der Ombudsstelle einstimmig zur Kenntnis genommen. Ein Sonderbericht betrifft die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats der Volksanwaltschaft im Rahmen des „NGO-Forums Soziale Grundrechte“. Weiters waren kritische Schlussfolgerungen zur Arbeit der Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Terroranschlags vom 2. November 2020 in Wien Inhalt eines Sonderberichts.

TEUERUNGSAUSGLEICH FÜR BEZIEHER:INNEN VON AUSGLEICHSZULAGE, AUSSETZUNG DER PENSIONSALIQUOTIERUNG FÜR ZWEI JAHRE

Nach dem Nationalrat hat nun auch der Bundesrat eine Sozialversicherungsnovelle bestätigt, die von den Koalitionsparteien angestoßen worden war. Sie reagierten auf die Tatsache, dass Bezieher:innen einer Ausgleichzulage im März 2023 einen geringeren Teuerungsausgleich erhalten haben. Das ergab sich daraus, dass als Berechnungsgrundlage für die im Herbst 2022 beschlossene Einmalzahlung im Ausmaß von 30 % der Gesamtpension nicht die Höhe der Mindestpension von 1.110 €, sondern die geringere Eigenpension herangezogen wurde. Nun soll die Differenz auf 333 € Ende Juni nachgezahlt werden. ÖVP und Grüne sprachen von einem bedauerlichen Versehen, das so nicht beabsichtigt gewesen sei.

Mit einem Abänderungsantrag im Nationalratsplenum wurde auch die Aliquotierungsregel für Pensionen in den Kalenderjahren 2024 und 2025 ausgesetzt. Wer heuer bzw. im nächsten Jahr in Pension geht, wird damit unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Pensionsantritts schon im darauffolgenden Jahr die volle Inflationsabgeltung erhalten.

Die Bundesrätin der Grünen Claudia Hauschildt-Buschberger aus Oberösterreich sagte, Sinn der Novelle sei die Behebung eines bedauerlichen Fehlers, der bei der Direktzahlungen für niedrige und mittlere Pensionen passiert sei. Sie bitte um Entschuldigung für die Unsicherheit, die dadurch entstanden sei. Die Aussetzung der Aliquotierungsregelung reagiere auf die nach wie vor hohe Inflation. Danach werde man sehen müssen, wie sich die Situation weiter darstelle.

Auch der oberösterreichische ÖVP-Bundesrat Franz Ebner bedauerte den Fehler, der bei der Umsetzung der Pensionserhöhung passiert ist und Mindestpensionist:innen trifft. Auch aus seiner Sicht ist die Aussetzung der Aliquotierung ein wichtiger Schritt zur Wertsicherung der Pensionen und werde 200.000 Neupensionist:innen zugutekommen. Weitere Schritte müssten aber zweifellos noch folgen.

Dominik Reisinger (SPÖ/O) betonte, seine Fraktion stimme zwar zu, sei aber der Ansicht, dass die Aliquotierung der Pensionen nicht nur für zwei Jahre ausgesetzt werden soll, sondern überhaupt abzuschaffen sei. Er sprach von einer „absurden Regelung“, die Menschen demotiviere, länger im Arbeitsleben zu bleiben. Die SPÖ werde daher eine Verfassungsklage gegen die Pensionsaliquotierung einbringen, kündigte er an.

Die Salzburger FPÖ-Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser kritisierte, angesichts der hohen Inflation seien Einmalzahlungen nicht ausreichend. Vielmehr komme es zu realen Pensionskürzungen. Sie brachte einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion ein, der ein Maßnahmenpaket zum Schutz der Leistungsberechtigten der Pensionskassen forderte. Die geforderten gesetzlichen Maßnahmen umfassen die Wiedereinführung einer Mindestertragsgarantie für die zweite und dritte Säule der Pensionsvorsorge und den Ausgleich der Inflationsverluste durch eine staatliche Mindestverzinsung über den Inflationszyklus, um die Pensionskassen-Vermögen zu stabilisieren. Weiters fordern die Freiheitlichen die steuerliche Entlastung der Leistungsberechtigten der Pensionskassen und „echte Mitbestimmung“ durch entsprechende Interessensvertreter:innen in den Pensionskassen. In einer namentlichen Abstimmung erhielt der Antrag zehn Ja-Stimmen gegenüber 50 Nein-Stimmen und blieb damit in der Minderheit.

Die Wiener SPÖ-Bundesrätin Korinna Schumann betonte, aus ihrer Sicht müsse vor allem die erste Säule der Pension gestärkt werden. Daher halte sie nichts von dem Entschließungsantrag der FPÖ, der vor allem auf die zweite und dritte Säule abziele. Das größte Problem seien die Frauenpensionen, wobei die Anhebung des Pensionsalters diese noch verschärfen werde.

Sozialminister Johannes Rauch entschuldigte sich persönlich für den Fehler, der bei der Berechnung der Einmalzahlung passiert sei. Die Sistierung der Aliquotierung der Pensionen sei angesichts der hohen Inflation der richtige Schritt, betonte der Sozialminister. Bisher habe noch jede Bundesregierung Adaptierungen der Regelung vorgenommen, erinnerte er. Angesichts der hohen Inflation sei die Aussetzung der richtige Schritt. Aus seiner Sicht entfalle damit auch ein Anreiz, früher in Pension zu gehen.

KRAFTFAHRGESETZ: HÖHERE STRAFDROHUNG FÜR HANDY AM STEUER

Mit einer Novellierung des Kraftfahrgesetzes (41. KFG-Novelle), die vom Bundesrat mit Mehrheit gebilligt wurde, wird eine Reihe von Bestimmungen für Autofahrer:innen aktualisiert, wobei ein wichtiger Aspekt die Erhöhung der Verkehrssicherheit ist. Da Ablenkung während der Fahrt eine der Hauptursachen schwerer Unfälle ist, wird die Strafdrohung für Verkehrsteilnehmer:innen, die gegen das Handyverbot am Steuer verstoßen, künftig deutlich erhöht. Höhere Strafen gibt es auch für Verstöße gegen die Gurten- und die Sturzhelmpflicht.

Die „sehr vielfältige Novelle“ trägt laut Verkehrsministerin Leonore Gewessler vielen Anregungen aus der Praxis Rechnung, die etwa von Seiten der Fahrschulen oder der ASFINAG an ihr Ressort herangetragen wurden. Die Landesverkehrsreferent:innen hätten laut Gewessler auf Schritte gegen das Problem der Ablenkung am Steuer gedrängt.

BERICHT DES SOZIALMINISTERS ZU AKTUELLEN EU-VORHABEN

Der Bundesrat befasste sich in seiner Sitzung auch mit der Vorschau des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf EU-Vorhaben im Jahr 2023. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die Europäische Kommission für heuer einen Vorschlag zur Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung vorlegen will und neue Tierschutzvorgaben und Änderungen im Arzneimittelrecht plant. Weiters sollen Regelungen für neue gentechnische Verfahren zur Änderung des Genoms von Pflanzen kommen. Im Sozialbereich werden unter anderem Initiativen zum Europäischen Behindertenpass und zum Qualitätsrahmen für Praktika erwartet. Vorangetrieben werden soll auch die Arbeit am Europäischen Sozialversicherungspass, um die Arbeitsmobilität zu fördern.

Im Zuge der Debatte brachte die FPÖ-Bundesrätin aus Salzburg, Marlies Steiner-Wieser, einen Entschließungsantrag mit der Forderung ein, dass Beschäftigte in Behindertenwerkstätten statt eines Taschengeldes einen verpflichtenden Mindestlohn erhalten sollten. Zudem müsse eine verpflichtende Anmeldung von Beschäftigten in Behindertenwerkstätten bei der Sozialversicherung geschaffen werden. Der Antrag fand keine Mehrheit.

BUNDESRAT NIMMT BERICHTE DER VOLKSANWALTSCHAFT ZUR KENNTNIS

Der 45. Bericht der Volksanwaltschaft für 2021 zeigt einen Anstieg der Beschwerden um 32 %, wobei Probleme mit COVID-19-Bestimmungen einen wesentlichen Grund darstellten, warum Menschen sich an die Ombudsstelle wandten. Insgesamt führt der Bericht 23.633 Beschwerden von Einzelpersonen und 11.516 Prüfverfahren an, wobei in 1.834 Fälle Missstände konstatiert wurden. Die Kommissionen der Volksanwaltschaft besuchten zudem 2021 541-mal Einrichtungen, in denen Menschen festgehalten werden, und führten 13 Round-Table-Gespräche mit entsprechenden Einrichtungen sowie den übergeordneten Dienststellen.

Auf der Tagesordnung standen auch zwei Sonderbericht der Volksanwaltschaft. Einer dieser Berichte betrifft das NGO-Forum Soziale Grundrechte. Dieser enthält die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats der Volksanwaltschaft, deren Vertreter:innen sich im Rahmen eines NGO-Forum mit dem Regierungsvorhaben der Erarbeitung eines österreichischen Grundrechtekatalogs und eventuellen Erweiterung des Grundrechteschutzes befassten. Die Volksanwaltschaft appelliert unter anderem an Bund und Länder, bei der sozialen Daseinsvorsorge menschenrechtsbasierte Prinzipien zu beachten, sowohl bei Gesetzgebung als auch bei der Vollziehung. Basis dafür wäre ein Rechtsanspruch auf soziale Hilfestellungen des Staats.

Einen weiteren Sonderbericht hat die Volksanwaltschaft zum Terroranschlag vom 2. November 2020 in Wien vorgelegt. Sie kommt zum Schluss, dass der islamistische Terroranschlag in der Wiener Innenstadt, bei dem mehrere Todesopfer und teils schwer Verletzte zu beklagen waren, möglicherweise verhindert hätte werden können, wenn das Innenministerium bzw. das damalige Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Vorfeld rechtzeitig die Staatsanwaltschaft in die Ermittlungen eingebunden hätten. Die Frage der individuellen versus institutionellen Verantwortung sei in einem ausgeweiteten Disziplinarverfahren lückenlos aufzuklären, empfiehlt die Volksanwaltschaft. (Fortsetzung Bundesrat) sox

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