Nationalrat bekräftigt Patentverbot für herkömmliche Tier- und Pflanzenzüchtungen

FWIT-Rat berät künftig Bundesregierung, Kostenerstattung für Unternehmen bei Aufbau eines öffentlichen Warnsystems

Der Nationalrat sprach sich heute mehrheitlich für ein Gesetzespaket aus, das unter anderem das österreichische Patentverbot für im Wesentlichen herkömmliche Tier- und Pflanzenzüchtungen stärken soll. Neben Vereinfachungen bei der Anmeldung von Patenten wurden auch gesetzliche Grundlagen für die Einführung des neuen europäischen Einheitspatents geschaffen. In diesem Zusammenhang erhielt ein Staatsvertrag über die Einrichtung einer Filiale des europäischen Patentgerichts in Wien einhellige Zustimmung.

Die umfassende Beratung der Bundesregierung in Fragen von Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung werden zu den zentralen Aufgaben des Forschungs-, Wissenschafts-, Innovations- und Technologieentwicklungsrats (FWIT-Rats) gehören. Eine breite Mehrheit der Abgeordneten des Nationalrats sprach sich heute für ein Errichtungsgesetz aus, das Struktur und Aufgaben des neuen Rats festlegt.

Unternehmen im Bereich der Telekommunikation, die zur Teilnahme an der Umsetzung des geplanten öffentlichen Warnsystems verpflichtet sind, werden einen Kostenersatz für dafür notwendige Investitionen sowie für im Betrieb anfallende Aufwendungen beantragen können. Der Nationalrat sprach sich heute einstimmig für eine entsprechende Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) aus, die von den Koalitionsparteien beantragt worden war.

Mehrheitlich abgelehnt wurde ein SPÖ-Antrag, der mehr Mittel für den Ausbau von Breitband-Internetzugang und einen Fokus auf Glasfasernetze der öffentlichen Hand fordert.

PATENTRECHT WIRD AN NEUE ENTWICKLUNGEN DER EU-GESETZGEBUNG ANGEPASST

Änderungen im Patentgesetz sollen das bestehende Patentverbot für im Wesentlichen herkömmliche Tier- und Pflanzenzüchtungen absichern. Neben Präzisierungen in dieser Frage standen auch Neuerungen in den Bereichen Patentverträge, Gebrauchsmuster, Marken- und Musterschutz sowie bei den Patentamtsgebühren zur Debatte. Neben technischen Vereinfachungen der Patentanmeldungen, stellen die Anpassungen des österreichischen Patentrechts an aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene einen wesentlichen Aspekt dar, insbesondere die Schaffung eines europäischen Einheitspatents. So wurde auch das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patentgerichts vom Nationalrat einstimmig genehmigt. Das EU-Übereinkommen regelt die Einrichtung der österreichischen Lokalkammer des Einheitlichen Patentgerichts beim Arbeits- und Sozialgericht in Wien. Unter anderem wird festgelegt, dass Mitarbeiter:innen des Österreichischen Patentamts einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Agenden der Lokalkammer aufwenden sollen. In Kraft tritt das Übereinkommen zum Patentgericht mit 1. Juni 2023. Damit kann auch das Einheitspatent in Österreich Wirklichkeit werden.

Gerhard Deimek (FPÖ) betonte, die Reform des Patentrechts sei ein wichtiger Schritt. Er warne aber vor der Illusion, dass die Regelungen, die Biopatente in Österreich verhindern sollen, Auswirkung auf das europäische Patentrecht hätten. Die österreichischen Regelungen könnten leicht umgangen werden, das vorliegende „Placebo-Gesetz“ werde die Agrarindustrie nicht daran hindern, Patente auf Tier- und Pflanzenzüchtungen anzumelden, meinte Deimek. Die Freiheitlichen könnten einem solchen wirkungslosen Gesetz nicht zustimmen.

Joachim Schnabel (ÖVP) sah im europäischen Einheitspatent eine starke Unterstützung der europäischen Forschung und Wirtschaft. Die Vorbereitungen hätten lange gedauert, bald werde es jedoch möglich sein, mit einem einzigen Antrag in 17 europäischen Staaten gleichzeitig Rechtsschutz für ein Patent zu erhalten. Angesichts der Notwendigkeit, den technologischen Fortschritt im Bereich der Energiewende voranzutreiben, sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass Patente entsprechend genützt werden können. Georg Strasser (ÖVP) betonte die Wichtigkeit der Vielfalt der Tier- und Pflanzenzüchtungen. Große Unternehmen hätten in den letzten Jahrzehnten immer stärker versucht, Patente auf Tiere anzumelden. Dem gelte es einen Riegel vorzuschieben, weshalb die österreichische Gesetzgebung einen Schritt in diese Richtung setze. Strasser sah die österreichische Regelung als einen wichtigen Beitrag, das Thema auch auf europäischer Ebene zu verankern.

Eva Blimlinger (Grüne) sprach von einem Meilenstein für das Patentrecht und damit für Wissenschaft und Forschung, aber auch für die Unternehmen. Die Filiale des europäischen Patentgerichts in Wien werde im Juni ihre Arbeit aufnehmen und eine große Erleichterung für Patentanmeldungen bedeuten. Clemens Stammler (Grüne) erinnerte daran, dass große Saatgutfirmen nach wie vor versuchen würden, Saatgut zu patentieren, was eine Gefahr für kleine Züchter darstelle. Auch wenn vorerst nur ein Gesetz auf nationaler Ebene beschlossen werde, sei es doch ein wichtiger Schritt in dem Bemühen, auf lange Sicht die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Auch Helmut Brandstätter (NEOS) betonte, der einheitliche europäische Patentschutz sei für die Forschung grundsätzlich wichtig, weshalb seine Fraktion der Novelle zustimme. Allerdings sei für ihn ebenfalls unklar, ob es mit den getroffenen Regelungen tatsächlich gelingen könne, Patente auf Lebewesen zu verhindern. Hier sah Brandstätter noch rechtlichen Klärungsbedarf.

Bundesministerin Leonore Gewessler betonte, neben der Schaffung der Voraussetzungen für das neue Einheitspatent verschärfe das Gesetz auch die Regelungen für Patente auf Leben. Der einheitliche europäische Patentraum werde nach jahrzehntelangen hartnäckigen Bemühungen nun endlich Wirklichkeit. Natürliche Pflanzen und Tiere dürfen weiterhin nicht patentiert werde, damit schütze man die Landwirtschaft und die Artenvielfalt. Österreich nehme hierbei eine Vorreiterrolle wahr und bringe seinen Standpunkt auch auf europäischer Ebene ein. Ein wichtiger Teil des Gesetzes seien technische Änderungen des Patentverfahrens, womit Anmeldungen von Patenten deutlich beschleunigt werden. Begleitend werde auch ein einheitliches europäisches Patentgericht geschaffen, das zeitgleich mit dem europäischen Patentrecht seine Arbeit aufnehmen könne.

BERATUNG DER BUNDESREGIERUNG IN FRAGEN DER FTI-STRATEGIE ERHÄLT NEUEN RAHMEN

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (FTE-Rat) und der Wissenschaftsrat werden zusammengeführt. Der Forschungs-, Wissenschafts-, Innovations- und Technologieentwicklungsrat (FWIT-Rat) soll die Bundesregierung künftig bei der Umsetzung der FTI-Strategie beraten. Mit dem FWIT-Rat-Errichtungsgesetz wird ein neuer Rat zur Beratung der Bundesregierung bei Umsetzung der FTI-Strategie geschaffen. Damit soll auch die Stringenz der österreichischen Forschungs- und Innovationspolitik erhöht werden.

Nach den neuen Regelungen hat Wissenschaftsminister Martin Polaschek ein Vorschlagsrecht für die Hälfte der Mitglieder des neuen Rats. Vier weitere Mitglieder sind von der für Innovation und Technologie zuständigen Umweltministerin Leonore Gewessler zu nominieren. Jeweils ein Mitglied wird von Wirtschaftsminister Martin Kocher und von Bundeskanzler Karl Nehammer im Einvernehmen mit Vizekanzler Werner Kogler vorgeschlagen.

Petra Oberrauner (SPÖ) erklärte, obwohl die Zusammenführung der bisherigen Räte sinnvoll sei, werde ihre Fraktion dem Gesetz zur Errichtung des FWIT-Rats nicht zustimmen. Das Gesetz erhalte zu viele Unklarheiten. So sei nicht klar, wo die angekündigten Einsparungen erfolgen sollen und welche Stellung die beteiligten Ministerien haben werden. Auch gehe aus dem Gesetz nicht hervor, welche Funktion der geplante Aufsichtsrat haben werde.

Der neue Rat werde die österreichische Bundesregierung in der Forschungs- und Technologiepolitik beraten, betonte Maria Theresia Niss (ÖVP). Österreichs wirtschaftliche Stärke liege in forschungsintensiven Unternehmen, daher sei eine effektive Forschungspolitik von größter Bedeutung. Der neue Rat schaffe klare Strukturen und ein breit aufgestelltes Gremium. Das sei wichtig, um die Forschungsförderung optimal ausrichten zu können und den Wissenstransfer von der Grundlagenforschung in die Anwendung zu optimieren.

Martin Graf (FPÖ) sagte, FTE-Rat und Wissenschaftsrat hätten in der Begleitung wichtiger Reformvorhaben der Forschungspolitik viel geleistet, wofür er ausdrücklich danke. Nun sei aber die Zeit für eine Neuaufstellung gekommen. Die FPÖ habe schon seit einiger Zeit auf die Zusammenlegung der Räte gedrängt. Über Details könne man geteilter Meinung sei, aber wichtig sei, dass dieser Schritt erfolge, weshalb die Freiheitlichen auch zustimmen. Allerdings halte man bei der Beschickung es für notwendig, dem Einfluss gesetzlicher Interessenvertretungen, insbesondere der Kammern, in diesem neuen Beratungsgremium Schranken zu setzen. Er brachte in diesem Sinne einen Abänderungsantrag ein, der jedoch keine Mehrheit erhielt.

Eva Blimlinger (Grüne) sah die Umsetzung eines wichtigen Punktes des Regierungsprogramms im Bereich der Forschungspolitik. Die Zusammenlegung der Räte werde die Beratung der Bundesregierung in der FTI-Politik auf eine neue Grundlage stellen. In einigen Bereichen gebe es allerdings noch Verbesserungsbedarf, sagte die Abgeordneten. So müsse sichergestellt werden, dass alle Ministerien rasch die notwendigen Verordnungen über die Datenübermittlung an das Austrian Micro Data Center erlassen, um die Nutzung von Registerdaten durch die Forschung möglich zu machen.

NEOS-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre sah die Zusammenlegung der Räte als einen grundsätzlich wichtigen Schritt, dem ihre Fraktion eine Chance geben wolle. Allerdings werde es nun an den Regierungsmitgliedern liegen, qualifizierte Personen zu finden und diese auch unabhängig arbeiten zu lassen.

Wissenschaftsminister Martin Polaschek führte aus, das Ziel der Bundesregierung sei es, die österreichische Innovationslandschaft auf künftige Herausforderungen bestmöglich vorzubereiten. Daher schaffe man einen breit aufgestellten Rat, der die gesamte Bundesregierung beraten solle. Die Tätigkeit werde selbstverständlich unabhängig und weisungsfrei erfolgen, um so evidenzbasierte Entscheidungen der Politik möglich zu machen. Polaschek verwies auf bereits erfolgte umfangreiche Reformen der Governance der FTI-Politik. Nun werde ein letzter großer Schritt umgesetzt. Die neue Struktur des Rats werde Fachexpertise bündeln und Einsparungspotenziale nützen, betonte Polaschek.

Auch Bundesministerin Leonore Gewessler verwies auf die hohe Bedeutung von Wissenschaft und Forschung, um die Politik bei wichtigen Entscheidungen zu beraten. Wissenschaft und Politik müssten einander verstehen und seien aufeinander angewiesen. Daher seien Beratungsgremien von so großer Bedeutung. Die bisherigen Räte hätten hier hervorragende Arbeit geleistet. Nun schaffe man ein einheitliches Gremium, das die gesamte Bundesregierung beraten und die ganze Bandbreite von Grundlagenforschung bis zur innovativen Anwendung abdecken werde. Selbstverständlich werde die Wahl auf starke und unabhängige Forscher:innen und Expert:innen fallen, versicherte sie.

UNTERNEHMEN ERHALTEN KOSTENERSATZ FÜR TEILNAHME AM ÖFFENTLICHEN WARNSYSTEM

Einstimmig angenommen wurde ein Initiativantrag von ÖVP und Grünen zum Telekommunikationsgesetz. Unternehmen, die zur Teilnahme an der Etablierung eines öffentlichen Warnsystems verpflichtet sind, soll ein Kostenersatz für dazu notwendige Investitionen zugesichert werden. Förderfähig sollen demnach Anschaffungskosten, Einrichtungskosten, Netzanpassungskosten und Lizenzkosten sein. Der auf Seiten der Telekom-Unternehmen anfallende Aufwand wird auf rund 6,83 Mio. € geschätzt.

Melanie Erasim (SPÖ) sagte, nachdem nun sichergestellt worden sei, dass die Telekommunikationsunternehmen bei der Umsetzung des öffentlichen Warnsystems keine Kosten auf die Kund:innen abwälzen werden, werde ihre Fraktion dem Antrag von ÖVP und Grünen zustimmen. Allerdings seien im Bereich der Telekommunikation noch einige großen Themen offen, zu denen die Koalition nach wie vor keine Initiativen vorgelegt habe. 

Nach der Lösung der technischen Voraussetzungen werde mit dem Antrag nun die Finanzierung des Warnsystems sichergestellt, erläuterte Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP). Bei drohenden oder sich ausbreitenden größeren Notfällen und Katastrophen werden die Behörden Mobilfunkbetreiber künftig auffordern können, den Endnutzer:innen über textbasierte Nachrichten öffentliche Warnungen oder damit im Zusammenhang stehende Aufrufe zu übermitteln. Wichtig sei, dass dazu weder Zugang zu einer App, zu SMS oder Messenger-Diensten notwendig sei, sondern die Information über Push-Nachrichten erfolge. Auch ihre Fraktionskollegin Corinna Scharzenberger zeigte sich erfreut darüber, dass das öffentliche Warnsystem nun deutlich verbessert würde. Mit dem geplanten System der Push-Nachrichten werde es möglich sein, alle Menschen, also etwa auch Tourist:innen, die sich im Umfeld einer nahenden Naturgefahr aufhalten, frühzeitig zu erreichen.

Große Naturkatastrophen in jüngster Zeit hätten gezeigt, wie wichtig es sei, dass bei drohender Gefahr möglichst viele Menschen rasch erreicht werden können, sagte Süleyman Zorba (Grüne). Die Klärung der Frage der Vergütung sei ein wichtiger Schritt, um das öffentliche Warnsystem in Österreich entscheidend verbessern zu können.

SPÖ FORDERT MEHR MITTEL FÜR DEN BREITBANDAUSBAU UND OFFENE GLASFASERNETZE

Keine Mehrheit fand ein Entschließungsantrag der Sozialdemokrat:innen, die mehr Mittel für den Breitbandausbau und einen Förderfokus auf offene Glasfasernetze der öffentlichen Hand fordern. Wichtig sei es, ausreichend Fördermittel für die Verlegung bis zum Haus vorzusehen, um sicherzustellen, dass ein flächendeckender Zugang für die Bevölkerung jeder Region noch vor dem Jahr 2030 möglich wird, betonten die SPÖ-Abgeordneten. Die Abgeordneten von ÖVP und Grünen hielten dem entgegen, dass für den Breitbandausbau und die Glasfaserinfrastruktur bereits umfangreiche Anstrengungen unternommen würden. (Fortsetzung Nationalrat) sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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