Concordia-Preise 2023 gehen an die Redaktionen von andererseits und DOSSIER sowie an Gerhard Haderer für sein Lebenswerk
Auszeichnungen für herausragende publizistische Leistungen im Parlament verliehen
Zum internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai wurden gestern Nachmittag im Parlament die heurigen Concordia-Preise für herausragende publizistische Leistungen verliehen. Mit dem Preis in der Kategorie Pressefreiheit wurde die Redaktion von „DOSSIER“ ausgezeichnet. In der Kategorie Menschenrechte fiel die Wahl der Jury auf das Team des Online-Mediums „andererseits“ für die Dokumentation „Das Spendenproblem“. Den Ehrenpreis der Concordia für das Lebenswerk erhielt der bekannte Karikaturist Gerhard Haderer.
In Vertretung des aus Termingründen verhinderten Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka begrüßte Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures die Gäste und die Preisträger:innen. Die Würdigungsreden hielten Corinna Milborn, Anneliese Rohrer und Katharina Stemberger. Als Moderation führte Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia, durch die Veranstaltung.
BURES: DEMOKRATIE UND PARLAMENTARISMUS BRAUCHEN KRITISCHEN JOURNALISMUS
Im Jahr 2017 habe die Preisverleihung der Concordia-Preise das letzte Mal im historischen Parlamentsgebäude vor seiner Sanierung stattgefunden, erinnerte die Zweite Präsidentin des Nationalrats Doris Bures. Seither sei viel geschehen, was das Vertrauen in Politik, Wissenschaft und die Demokratie in Frage gestellt und deren Glaubwürdigkeit erschüttert habe. Auch die Medienbranche und der Journalismus in Österreich hätten massive Erschütterungen erlebt. Journalistinnen und Journalisten stünden aufgrund steigender Kosten und zunehmenden Wettbewerbs unter ökonomischem Druck. Die Medienbranche sei zudem politischem Druck ausgesetzt. Das erodiere die Glaubwürdigkeit und damit die Grundlage für seriösen Journalismus. Unabhängiger und kritischer Journalismus sei aber für Parlamentarismus und Demokratie als Vermittler im kritischen Diskurs unerlässlich. In Österreich bestehe traditionell ein starkes Naheverhältnis zwischen Politik und Journalismus und erzeuge ein Spannungsverhältnis, merkte Bures an. Umso wichtiger seien daher professionelle Distanz und seriöse, glaubwürdige journalistische Arbeit. Für diese stünden die Preisträger:innen der Concordia-Preise.
CONCORDIA-PRÄSIDENT KOLLER FORDERT UNTERSTÜTZUNG DER DIGITALEN TRANSFORMATION VON MEDIEN
In seinen einleitenden Worten äußerte sich Andreas Koller, Präsident des Presseclubs Concordia, kritisch zu jüngsten medienpolitischen Entscheidungen. Das „Abwürgen“ der ältesten Tageszeitung der Welt, der „Wiener Zeitung“, wertete er als „schwere medienpolitische Fehlentscheidung“, die offenbar dem „Schablonendenken“ von „Print ist tot“ geschuldet sei. „Die Zukunft des Journalismus liegt im Journalismus“, bekräftigte Koller. Die Politik müsse daher die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um die digitale Transformation von Printmedien zu ermöglichen. „Zusperren ist keine Lösung“, betonte er. Kritisch sieht Koller auch die aus seiner Sicht nach wie vor unzureichende Dotierung des österreichischen Presserats, was den Eindruck erwecke, es bestehe kein Interesse an der Stärkung einer kritischen Instanz.
PREISTRÄGERIN IN DER KATEGORIE PRESSEFREIHEIT: DIE REDAKTION VON DOSSIER
Seit ihrer Gründung im Jahr 2012 engagiere sich die Redaktion von DOSSIER mutig für Presse- und Informationsfreiheit und leiste mit genauen und beharrlichen Recherchen zu medienpolitischen Themen einen wesentlichen Beitrag zum demokratiepolitischen Diskurs in Österreich. Das Team von DOSSIER beweise seit Jahren seine Unverführbarkeit, die Anerkennung sei daher „einfach fällig“ gewesen, begründete die Jury die Entscheidung für die Verleihung des Preises. DOSSIER habe als eines der ersten Medien das Thema intransparenter Inseratenschaltungen öffentlicher Stellen und deren korrosive Effekte für die Demokratie aufgegriffen. Das Team um Chefredakteur Florian Skrabal habe sich dabei nie einschüchtern lassen, auch nicht durch Klagsdrohungen oder Auskunftsverweigerung.
Die Journalistin Anneliese Rohrer benützte ihre Laudatio dazu, mehr Wertschätzung für unabhängigen und kritischen Journalismus einzufordern. Diese Wertschätzung vermisse Rohrer in aktuellen medienpolitischen Entscheidungen. Die DOSSIER-Redaktion habe ausgerechnet „in einer Zeit, in der sich die Medienbranche lustvoll dem eigenen Untergang hingegeben hat“, mit unglaublichem Durchhaltevermögen neue Printmedien ins Leben gerufen, sagte Rohrer. Für die hartnäckige Untersuchung der Verquickungen von Werbung, Politik und Berichterstattung habe das DOSSIER-Team den Preis für Pressefreiheit verdient wie niemand sonst.
In seinen Dankesworten kam Florian Skrabal auf ein Thema zu sprechen, das Dossier seit zehn Jahren begleite, nämlich die Vergabepraxis öffentliche Stellen in Bezug auf Inserate. Hier habe sich zwischen Politiker:innen und Medienverleger:innen ein System herausgebildet, das „der Korruption Tür und Tor öffnet“. Skrabal vermisse einen medialen Aufschrei gegen die in Österreich nach wie vor erlaubte Praxis, mit Inseraten öffentlicher Stellen zu versuchen, sich politische Vorteile zu verschaffen. In Deutschland sei das nicht mehr erlaubt. Die Zeit sei reif, um „die österreichische Unart zu beenden, mit Regierungsinseraten in Wahlkämpfe einzugreifen“. Nichts Geringeres als die Demokratie stehe auf dem Spiel.
PREIS DER KATEGORIE MENSCHENRECHTE AN DAS TEAM DES ONLINE-MEDIUMS „ANDERERSEITS“
In der Kategorie Menschenrechte ausgezeichnet wurde die Redaktion des 2021 gegründeten, inklusiven Online-Mediums „andererseits“ für seine Dokumentation „Das Spendenproblem“. Der Film von Katharina Brunner, Fabian Füreder, Lisa Kreutzer, Sandra Schmidhofer, Clara Porák und Arthur Moussavi informiere verdichtet und anschaulich über kritische Perspektiven von Betroffenen und Expert:innen auf die Spenden-Aktion „Licht ins Dunkel“.
„Mitleid lukriert zwar Spenden, aber es kann auch beschämen“, hielt die Concordia-Jury in der Begründung der Zuerkennung des Preises fest. „Zur Demokratie, deren Stärkung ein öffentlich-rechtlicher Auftrag ist, gehört vielmehr Empathie und der Anspruch auf Teilhabe. Jeder Anschein von Gönnerhaftigkeit ist nicht nur verletzend, sondern verfestigt auch falsche Strukturen.“ Das Team von „andererseits“ hat nicht nur eine formell großartige Reportage gedreht, sondern auch eine breite Diskussion über das Problem des Gebens ausgelöst. Dabei sei „andererseits“ aber allen Seiten gegenüber fair geblieben und habe sie gleichermaßen zu Wort kommen lassen.
In ihrer Laudatio hob Corinna Milborn hervor, dass Gleichstellung und Teilnahme von Menschen mit Behinderung Menschenrechte seien und deren Sicherung eine Pflicht der Gesellschaft. Sie könnten eingefordert werden und würden nicht aus Mitleid gewährt, unterstrich Milborn. Das sei leider immer noch nicht allen bewusst. Das Team von „andererseits“ habe es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen mit Behinderung in Medien vorkommen. Daraus sei eines der interessantesten Medienprojekte, das sie kenne, und bahnbrechender Journalismus entstanden. Die Redaktion verdiene den Preis für Menschenrechte daher vollauf, denn „wenn man Menschen mit Behinderung ihre Menschenrechte nimmt, nimmt man sie uns allen“, sagte Milborn.
In einer gemeinsamen Dankesrede stellten Katharina Brunner, Fabian Füreder und Lisa Kreutzer die Prinzipien der Arbeit von „andererseits“ vor. Hier gehe es darum, Raum zu schaffen für journalistische Arbeit von Menschen mit Behinderungen. Die Redaktionsarbeit traditioneller Medien schließe diese nämlich weitgehend aus. Damit werde der übliche Journalismus aber dem Anspruch nicht gerecht, die Wirklichkeit umfassend abzubilden. Die Redner:innen forderten ein umfassendes Informationsangebot in einfacher Sprache ein, da Zugang zu Information auch die Voraussetzung für politische Teilnahme sei. Die neue Mediengesetzgebung bewerteten auch sie kritisch. Diese stärke tendenziell etablierte Medien, errichte aber für neue Medien wie „andererseits“ hohe Hürden, wenn es um den Zugang zu Förderungen gehe.
EHRENPREIS FÜR DAS LEBENSWERK AN GERHARD HADERER
Der Ehrenpreis der Concordia für das Lebenswerk ging diesmal an den Karikaturisten Gerhard Haderer, der zu den bedeutendsten satirischen Zeichnern im deutschsprachigen Raum zählt. Seine ersten Karikaturen veröffentlichte Haderer 1985. Seit 1997 zeichnet er die Comicserie „MOFF“.
„Die spitze Feder des Zeichners bringt politische Zustände oft prägnanter auf den Punkt als ein wortgewaltiger Leitartikel. Gerhard Haderer ist ein Meister der satirischen Gesellschaftskritik und ein brillanter Künstler“, begründete die Jury die Entscheidung. Haderer entlarve verlogene Zustände und ergreife stets Partei für die Schwachen. Er stehe damit vorbildlich für die Werte, die Concordia vertrete.
Auch die Schauspielerin und Aktivistin Katharina Stemberger würdigte in ihrer Laudatio den Karikaturisten für seine „fröhliche Unbestechlichkeit“. Immer wieder habe er lukrative Werbeaufträge für Produkte abgelehnt, mit denen er nicht einverstanden war, denn er richte sich nach der Maxime: „Wichtiger als die Dinge, die man macht, sind die Dinge, die man nicht macht.“ Die Genauigkeit und Schärfe seiner Werke führte Stemberger auf das Wissen um die Unzulänglichkeiten der Menschen und die Fähigkeit zur genausten Beobachtung zurück.
Für einen bildenden Künstler sei der Platz nicht am Rednerpult, meinte Haderer in seiner kurzen Dankesrede. Er wolle aber die Gelegenheit nützen, „als Kleinkünstler einen großen Wunsch an die Politiker:innen zu richten“, nämlich, „benehmen Sie sich weiterhin so schlecht, wie Sie es tun“. Damit seien sie nämlich „die besten Mitarbeiter:innen des Karikaturisten“.
Seit 1997 vergibt der Presseclub Concordia die Concordia-Preise für außerordentliche publizistische Leistungen. Der Preis in der Kategorie Menschenrechte wird von der Bank Austria gestiftet. Die gemeinnützige Privatstiftung Dr. Strohmayer stiftet den Preis in der Kategorie Pressefreiheit. (Schluss) sox
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments.
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