Gemeinsamer Appell des österreichischen Lebensmitteleinzelhandels an die Bundesregierung: Mehr Fairness in der Teuerungsdebatte
Heimische Händler appellieren unter dem Dach des HV an Politik, bei Preisdiskussion Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln. Handel ist kein Profiteur der hohen Inflation.
In Österreich wird aktuell intensiv über die ENTWICKLUNG DER LEBENSMITTELPREISE diskutiert. Zuletzt ist dabei – unfairerweise und ENTGEGEN ALLEN FAKTEN – der LEBENSMITTELEINZELHANDEL (LEH) INS VISIER DER BUNDESREGIERUNG GERATEN. Mit großer Verwunderung und Irritation hat die Branche etwa den letzten Auftritt der Klubchefin der Grünen in der ORF-Pressestunde wahrgenommen, bei dem der Lebensmitteleinzelhandel de facto als alleiniger Verursacher der Teuerung hingestellt wurde.
_“Derart rufschädigende und irreführende Kommentare können wir nicht länger hinnehmen. Wir weisen darauf hin, dass die Gewinnspanne eines Handelsunternehmens nicht bloß die Differenz zwischen Verkaufspreis und Einkaufspreis ist. Von dieser Differenz sind viele weitere Kosten abzuziehen, die in den letzten 12 Monaten massiv gestiegen sind, u.a. für Energie, Mieten, Betriebskosten, Logistik, Verpackung und Personal. Die tatsächliche Rentabilität im Lebensmittelhandel liegt bei durchschnittlich 0,5% bis 2% des Umsatzes“_, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer RAINER WILL.
GLOBALE NAHRUNGSMITTELPRODUZENTEN IN DEN BLICK NEHMEN
Bei GLOBALEN NAHRUNGSMITTELPRODUZENTEN ist die Rentabilität hingegen 10mal so hoch. Viele multinationale Nahrungsmittelkonzerne durften sich zuletzt über kräftige Gewinnsteigerungen freuen, wohingegen die Umsätze im heimischen Lebensmitteleinzelhandel 2022 inflationsbereinigt um 3,2% zurückgegangen sind. Auch im ersten Quartal 2023 musste der LEH einen Umsatzrückgang von 1,1% verkraften.
DAS NARRATIV, WONACH DER LEBENSMITTELEINZELHANDEL DER GROSSE PROFITEUR DER HOHEN INFLATION SEI, STIMMT NICHT. Dafür reicht ein Blick in die Bilanzen unserer Unternehmen. Bei allen Lebensmittelhandelsketten sind die operativen Ergebnisse zuletzt deutlich zurückgegangen. Im österreichischen LEH herrscht ein harter Wettbewerb, der nicht zuletzt stark über den Preis geführt wird. Dieser Wettbewerb garantiert, dass die Verbraucher die bestmöglichen Preise vorfinden. Das zeigt sich auch daran, dass die Teuerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken in Österreich mit 14,5% (HVPI, März 2022 bis März 2023) deutlich niedriger liegt als im EU-Durchschnitt (19,2%). Es kann also keine Rede davon sein, dass sich der Lebensmitteleinzelhandel ein „Körberlgeld“ an der hohen Inflation verdient.
Umso mehr stört sich die Branche an der Vorgangsweise der Bundesregierung, so zu tun, als hätte sich der Lebensmitteleinzelhandel bereichert, während die gesamte RESTLICHE WERTSCHÖPFUNGSKETTE VÖLLIG AUSSER ACHT GELASSEN wird. Denn trotz der zuletzt gesunkenen Produktionskosten haben die (globalen) Lebensmittelproduzenten ihre Preise vielfach noch nicht bzw. nicht signifikant gesenkt, vielfach sogar erneut erhöht. Dessen ungeachtet hat der LEH im Sinne der Endverbraucher:innen zahlreiche Preise schon deutlich reduziert – ein wichtiges Zeichen für funktionierenden Wettbewerb.
HEIMISCHER LEH SETZT WEITERHIN AUF QUALITÄT „MADE IN AUSTRIA“
Wenn Regierungsvertreter:innen nun darauf drängen, dass sich die Lebensmittelpreise Richtung deutschem Niveau bewegen sollen, dann muss diese Forderung auch zu Ende gedacht werden. Die heimischen Händler bekennen sich zu den österreichischen Bauern und wollen vermeiden, künftig verstärkt Fleisch und Gemüse aus dem Ausland zu importieren, nur weil dort die Produktionskosten günstiger sind. Der LEH will QUALITÄTSPRODUKTE „MADE IN AUSTRIA“ anbieten, und das zu einem fairen Preis.
Allen Händlern, den Nahversorgern der Bevölkerung, geht es gleich wie den Haushalten im Land. Die Kostenlawine überrollt uns und wirksame Lösungen gegen die Verursacher wurden nicht gesetzt. Stattdessen wird Ursache mit Wirkung vertauscht. Keine einzige Studie zeigt, dass sich der Handel an der Inflation ein Zubrot verdient, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Die Preiserhöhungen im Handel sind ausschließlich kostengetrieben. Ein wichtiger Hebel, um die Preise mittelfristig zu senken, wäre daher ein treffsicherer Energiekostenzuschuss, von dem nicht nur die Industrie profitiert. Die hohen Energiepreise haben nämlich dazu geführt, dass heimische Nahversorger pro Standort für Kühlung und Betrieb im Schnitt statt 40.000 Euro nun an die 200.000 Euro zahlen müssen.
Aufgrund der Tatsache, dass die heimischen Handelsbetriebe – darunter 1.600 SELBSTSTÄNDIGE KAUFLEUTE – bisher komplett auf ihren massiv gestiegenen Energiekosten sitzenbleiben, wird es ohne rasche Hilfe bis Jahresende in bis zu 1.000 österreichischen Orten keinen Nahversorger mehr geben. In Gemeinden wie Lassing, Kirchdorf oder Ried/Riedmark ist das leider bereits Realität.
_“Hier ist die Bundesregierung gefordert, mit dem versprochenen EKZ 2 gegenzusteuern. Darüber hinaus appellieren wir an die Politik, dringend Reformen im Bereich Arbeitsmarkt umzusetzen, damit der krisenfeste Versorger und Jobmotor Handel seiner Rolle weiterhin in allen Regionen Österreichs gerecht werden kann. Der Handlungsbedarf ist überfällig“_, fordert RAINER WILL im Namen des österreichischen Lebensmitteleinzelhandels.
BEILIEGEND FINDEN SIE DAS VOLLSTÄNDIGE SCHREIBEN DES LEH AN DIE BUNDESREGIERUNG.
Handelsverband
Mag. Gerald Kühberger MA
Pressesprecher
+43 (01) 406 22 36 – 77
gerald.kuehberger@handelsverband.at
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