Parlament: 20 Jahre Österreichische Freunde von Yad Vashem
Festveranstaltung thematisiert Engagement gegen Antisemitismus
Nachdem das österreichische Parlament vergangenes Jahr eine Bildungskooperation mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gestartet hat, wurde heute im Hohen Haus das 20-jährige Bestehen des Vereins „Österreichische Freunde von Yad Vashem“ begangen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka lud gemeinsam mit den Österreichischen Freunden von Yad Vashem und der Holocaust-Gedenkstätte selbst zu einer Festveranstaltung.
Seit der Gründung des Vereins durch Günter und Ulrike Schuster im Jahr 2003 finanzierten die Österreichischen Freunde von Yad Vashem Projekte der Gedenkstätte mit und beteiligten sich an der Aufklärungsarbeit in Österreich. Die Organisation zählt mittlerweile knapp 900 Mitglieder.
SOBOTKA: ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN ANTISEMITISMUS ZENTRAL
Es komme auf das Engagement der Zivilgesellschaft an, gegen Antisemitismus einzutreten, betonte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen Eröffnungsworten. Denn die vom Parlament regelmäßig in Auftrag gegebene Antisemitismusstudie habe gezeigt, dass vor allem Bildung und Wissen über den Holocaust sowie jüdisches Leben vor antisemitischen Einstellungen schützen. In diesem Sinne gelte es, Menschen in allen Lebensphasen zu erreichen. Das Parlament wolle dazu mit Initiativen wie dem Simon-Wiesenthal-Preis, Workshops in der Demokratiewerkstatt oder der Bildungskooperation mit der Gedenkstätte Yad Vashem beitragen, so Sobotka. Den Österreichischen Freunden von Yad Vashem sprach er seinen Dank für 20 Jahre engagierte Arbeit aus.
VAN DER BELLEN: ERINNERUNG WACHHALTEN HEUTE WICHTIGER DENN JE
Die Erinnerung an die Millionen ermordeter Jüdinnen und Juden wachzuhalten, sei heute wichtiger denn je, zeigte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer Video-Grußbotschaft überzeugt. Denn schließlich stünden immer weniger Menschen als Zeitzeug:innen zur Verfügung. „Wir werden dem Andenken der Opfer der Shoah nur gerecht, wenn wir dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Rassismus und Antisemitismus niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden können“, betonte Van der Bellen.
UNTERSTÜTZUNG DER AUFKLÄRUNGS- UND ERINNERUNGSARBEIT VON YAD VASHEM
Der Vorsitzende der Österreichischen Freunde von Yad Vashem Gustav Arthofer erinnerte in seinen einleitenden Worten an den Beginn der Arbeit seines Vereins. Damals sei die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit noch ein zartes Pflänzchen gewesen. Man habe hart gekämpft, um das „Unkraut des Zudeckens“ zu durchdringen und durch Bewusstseinsarbeit beim Aufklären von „bequemen Irrtümern“ mitgeholfen. Um Haltung zu zeigen, brauche es Fakten – Fakten, wie sie in Yad Vashem erforscht werden. Es gelte, die Gedenkstätte weiterhin bei der Faktensuche zu unterstützen, denn auch kommende Generationen werden diese Wahrheiten brauchen, so Arthofer.
Der Direktor für Internationale Beziehungen von Yad Vashem Haim Gertner wies in seinen Grußworten insbesondere auf die Herausforderung hin, dass die Zeitzeug:innen „immer weniger werden“. Gegenstände, die von Angehörigen von Holocaust-Opfern oder Überlebenden in die Gedenkstätte gebracht werden, seien vor diesem Hintergrund ein „mächtiges Zeugnis der Geschichte“ und „Hüter der Erinnerung“. Yad Vashem wolle diese Gegenstände daher weiterhin bewahren und so der historischen Wahrheit Relevanz verleihen. In diesen Anstrengungen sei die Gedenkstätte dankbar über die Partnerschaft mit Österreich und das Engagement der Österreichischen Freunde von Yad Vashem, so Gernter.
Der Botschafter des Staates Israel in Österreich, Mordechai Rodgold, bezeichnete die Arbeit des Vereins als „tragbare Brücke“ zwischen Österreich und Israel. Leider gebe es nach wie vor verschiedene Formen von Antisemitismus – sei es durch Hass und Hetze oder durch gefährliche Ignoranz. Rodgold führte auch das fehlende Wissen vieler Menschen über den Holocaust an und zeigte sich vor diesem Hintergrund überzeugt, dass die Jugend im Zentrum der Bemühungen stehen müsse.
ZEITZEUGE HEINRICH EHLERS: WUNDE BLEIBT OFFEN
Der Zeitzeuge und Überlebende Heinrich Ehlers berichtete im Gespräch mit der Journalistin Renata Schmidtkunz von seiner Kindheit während der Nazizeit. Angesichts der Gefahr der Festnahme und Deportation des jüdischen Vaters und der Großmutter versteckte sich die Familie in einem Wiener Keller. „Wir wussten als Kinder nicht, was los ist“, erklärte Ehlers. Bis zum Alter von sechs Jahren wusste er nur, dass er nicht reden und nicht laut sein dürfe und am besten nur sitzen sollte. Nach dem Krieg hätten er und seine Geschwister deshalb den Drang gehabt, nur zu rennen und in der Natur zu sein. Der „Spielplatz“ der Kinder sei in dieser Zeit der Kohlenkeller gewesen. Durch dessen Kellerfenster konnten sie zwar die Umgebung beobachten, seine Eltern hätten aber darauf geachtet, dass sie nicht bemerkt werden und nicht zu laut sind und sich so verraten könnten. Das gesamte Haus habe von dem Versteck der Familie gewusst, sie teilweise unterstützt und nicht verraten. Wenn die Nationalsozialisten sie erwischt hätten, hätte sie – wie vielen seiner Familie – auch das Schicksal der Deportation getroffen, betonte Ehlers. Die Erfahrungen seiner Kindheit hatten lange Auswirkungen auf ihn. So habe er nicht in geschlossenen Räumen mit geschlossenen Fenstern schlafen können, erläuterte Ehlers. Mit 41 Jahren, Anfang der 1980er Jahre sei das „Trauma der Eingesperrtheit“ schließlich „raus gekommen“ und er musste sich psychisch behandeln lassen. Auch heute noch seien die Wunden aus dieser Zeit offen.
20 JAHRE „ÖSTERREICHISCHE FREUNDE VON YAD VASHEM“
2003 fassten zehn Österreicherinnen und Österreicher den Plan, eine Freundschaftsorganisation für die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem aufzubauen, ging aus einem während der Veranstaltung gezeigten Video hervor. Der Anstoß dazu sei vom ehemaligen israelischen Botschafter in Österreich und Holocaust-Überlebenden Yosef Govrin gekommen. Ihm sei es wichtig gewesen, einen Zugang zu den „Herzen der Menschen in Österreich“ zu finden, um sie für die Anliegen Yad Vashems zu gewinnen. Die beiden Pädagogen Günther und Ulrike Schuster setzten als Gründer:innen des Vereins mit ihrem Team in Folge alles daran, um Ausstellungen aus Yad Vashem in Österreich an Schulen und an öffentliche Institutionen zu vermitteln. Der Verein unterstützte zudem unter anderem Lehrerfortbildungen und Exkursionen nach Yad Vashem. Von Anfang an war auch der Austausch mit Holocaust-Überlebenden zentral für den Freundeskreis.
Als Zeichen der Anerkennung ihres „Lebenswerkes“ wurden den beiden Gründer:innen im Rahmen der Veranstaltung die Ehrenpräsidentschaft des Freundeskreises verliehen. Mit ihrem Engagement sei es Günther und Ulrike Schuster gelungen, Yad Vashem in Österreich bekannter zu machen, betonte Melanie Helm-Arthofer in ihrer Laudatio. Mit ihrer positiven, respektvollen und wertschätzenden Art hätten sie eine tragfähige Brücke für die Anliegen von Yad Vashem nach Österreich gebaut.
Als Moderatorin führte die Generalsekretärin der Österreichischen Freunde von Yad Vashem Ursula Arthofer durch die Veranstaltung. Die musikalische Umrahmung kam von den Wiener Philharomikern. (Schluss) kar/pst
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments. Die Veranstaltung wurde live in der Mediathek des Parlaments übertragen und ist dort als Video-on-Demand abrufbar.
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