Neue Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei passiert Innenausschuss

Oppositionsanträge zur Attraktivierung des Polizeidienstes, Bekämpfung irregulärer Migration und zu Geflüchteten aus der Ukraine vertagt

Der Innenausschuss sprach sich heute mit den Stimmen von ÖVP und Grünen mehrheitlich für die Einrichtung einer neuen Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei aus. Diese soll mit umfassenden polizeilichen Befugnissen ausgestattet und als eigene Organisationseinheit im zum Innenressort (BMI) gehörigen Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) angesiedelt werden.

Weiters vertagten ÖVP und Grüne mehrere Oppositionsanträge. So fordert die SPÖ eine Reihe von Maßnahmen für einen attraktiveren Polizeidienst und eine Aufhebung der Sperre der sogenannten Todesstiege in der Gedenkstätte Mauthausen. Die FPÖ thematisierte die „illegale Masseneinwanderung“ und wendet sich etwa gegen jede Form der Verteilungsquoten von Geflüchteten in der EU und gegen potenzielle EU-Strafzahlungen für die Weigerung, Asylwerber:innen aufzunehmen. Den NEOS erscheint die Regelung der Anmeldebescheinigungen für EWR-Bürger:innen als wenig sinnvoll. Sie fordern deren Abschaffung sowie die Gleichstellung von geflüchteten Ukrainer:innen mit Asylberechtigten, um ihre soziale Situation zu verbessern.

DIE GESETZLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN

Die neue Ermittlungsstelle soll jedem  behaupteten oder aufgrund von äußeren Umständen möglichen Fall der Misshandlung im Ressortbereich des Innenministeriums nachgehen und laut Regierungsvorlage bewusst beim BAK eingerichtet werden, da dieses laut Regierungsvorlage außerhalb der „klassischen Hierarchie der Sicherheitsexekutive“ angesiedelt ist (2089 d.B.). Das BAK verfüge über eine langjährige Erfahrung und Expertise in sensiblen, polizeiinternen Ermittlungen und das dazugehörige Gesetz (BAK-G), enthalte bereits umfassende Bestimmungen zur Gewährleistung von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und der Vermeidung externer Einflussnahmen. In diesem Sinne umfasst die Regierungsvorlage zur Änderung des BAK-G noch weitere Maßnahmen, wie eine Einschränkung der Möglichkeit der Nebenbeschäftigungen für die Bediensteten, eine Verlängerung der Funktionsperiode des/der Direktor:in auf zehn Jahre sowie eine Sicherheitsüberprüfung von Bediensteten des Bundesamts für den Zugang zu geheimer Information.

Neben einer interdisziplinären und multiprofessionellen Besetzung der Ermittlungsstelle ist auch eine spezialisierte Ausbildung der Bediensteten vorgesehen. Zur Sicherstellung der gesetzmäßigen Aufgabenerfüllung soll außerdem ein unabhängiger und weisungsfreier Beirat beim BMI eingerichtet werden. Weisungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ermittlungsstelle haben laut Erläuterungen nicht nur schriftlich und begründet zu erfolgen, sondern sind zudem dem einzurichtenden Beirat zu übermitteln. Zudem soll die Ermittlungsstelle künftig auch bundesweit für kriminalpolizeiliche Ermittlungen bei der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt mit Todesfolge und lebensgefährdendem Waffengebrauch zuständig sein.

Per Abänderungsantrag weiteten ÖVP und Grüne die Übermittlungs- und Verarbeitungsermächtigung von Daten auf Gerichte und Staatsanwaltschaften aus und führten diesbezügliche juristische Klarstellungen in das Gesetz ein.

Ein im inhaltlichen Zusammenhang eingebrachter Antrag der NEOS, der auf die Einrichtung der Ermittlungsstelle außerhalb des BMI abzielt, blieb mit den Stimmen von SPÖ und NEOS in der Minderheit.

AUSSCHUSSDEBATTE ÜBER DIE UNABHÄNGIGKEIT DER ERMITTLUNGSSTELLE

Das unabdingbare Vertrauen der Bevölkerung in die Exekutive werde durch überschießende, nicht gerechtfertigte Gewaltanwendung einzelner Polizist:innen unterminiert, erklärte Georg Bürstmayr (Grüne) im Ausschuss. Er hoffe, dass die Ermittlungsstelle bald dazu beitragen werde, dieses Vertrauen zu stärken und sprach von einem „Kulturwandel in der Polizei“. Bürstmayr betonte, dass sie zwar im Innenministerium angesiedelt sei, aber „gänzlich außerhalb jedes Organisationszusammenhangs der Polizei“ stehe. Die Bundesregierung habe zudem den einzurichtende Beirat in der Konzeption des Gesetzes „entpolitisiert“ und die Rolle der Zivilgesellschaft in diesem gestärkt. „Theoretisch“ hätte man die Ermittlungsstelle auch außerhalb des Innenministeriums einrichten können, so Bürstmayr, doch wäre dafür eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen – eine Risiko, das die Bunderegierung aufgrund des jüngsten Abstimmungsverhaltens der Opposition nicht einzugehen gewillt sei.

Die Zugänge der Koalitionsfraktionen bei der vorliegenden Materie seien äußert unterschiedlich, führte Wolfgang Gerstl (ÖVP) aus. Trotzdem habe man sich geeinigt, da man mit der Ermittlungsstelle demonstrieren könne, dass die Polizei „nichts zu verbergen“ habe. Auch die Einführung von Bodycams habe den Exekutivbeamt:innen im Endeffekt eher genützt als geschadet. Gerstl betonte den „ausgezeichneten Ruf“ des BAK, und verwies auf den geplanten Beirat, der der Bevölkerung noch mehr Vertrauen in die Unabhängigkeit der Ermittlungsstelle geben soll.

Die Einführung der Ermittlungsstelle sei wichtig, doch „hinke“ die Umsetzung, entgegnete Sabine Schatz (SPÖ) und regte deren Ansiedlung etwa bei der Volksanwaltschaft oder beim Rechnungshof an. Im Innenministerium sei deren Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit nicht sichergestellt. Auch NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper sah in der Ansiedelung der Stelle im Innenressort einen „systemischen Grundfehler“. Die tatsächliche Unabhängigkeit der Stelle wäre auch im Sinne der Polizistinnen und Polizisten entscheidend, da die Exekutive sonst auch bei einzelnen Vorwürfen in eine „optische Schieflage“ gerate. Dietmar Keck (SPÖ) äußerte Bedenken hinsichtlich der Beachtung der Unschuldsvermutung für beschuldigte Polizist:innen.

Das Vertrauen in die Polizei sei ohnehin sehr hoch, verwies Werner Herbert (FPÖ) auf Umfragewerte. Daher brauche es keine „Denunzianten- und Vernaderungsstelle“, die die gute Arbeit der Polizei herabwürdige. Vorhandene Kontrollstellen, wie die Volksanwaltschaft, aber auch Gerichte und Staatsanwaltschaften hätten sich bisher bestens bewährt, weshalb seine Fraktion dem Gesetz nicht zustimmen werde.

SPÖ: MASSNAHMEN FÜR EINEN ATTRAKTIVEREN POLIZEIDIENST UND

AUFHEBUNG DER SPERRE DER „TODESSTIEGE“ IN MAUTHAUSEN

Angesichts einer prekären Personalsituation bei der Exekutive fordert die SPÖ eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Polizist:innen (3435/A(E)). Neben einer Absicherung ihrer Besoldung gegen die Inflation fordert sie die Bundesregierung auf, die in einem vom Vorarlberger Landtag einstimmig beschlossenen Antrag angeführten Maßnahmen zu prüfen und soweit möglich bundesweit umzusetzen. Diese umfassen unter anderem ein höheres Grundgehalt, die Reduktion verpflichtender Mehrdienstleistungen, Verwaltungsvereinfachungen, eine Flexibilisierung des Beschäftigungsausmaßes und mehr Rücksichtnahme auf private Bedürfnisse der Bediensteten im Dienstplansystem.

Im Ausschuss begründete Manfred Hofinger (ÖVP) die Vertagung des Antrags mit bereits gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung, wie erleichterte Aufnahmevoraussetzungen für den Polizeidienst. Auch hinsichtlich der Besoldung würden bereits „intensive Gespräche“ mit dem Bundesministerium für den öffentlichen Dienst geführt.

Die sogenannte Todesstiege sei „ein integraler Bestandteil der Geschichte des KZ Mauthausen und absolut unverzichtbar für die Vermittlungsarbeit“, zitiert SPÖ-Nationalrätin Sabine Schatz in einer weiteren Initiative ihrer Fraktion das Mauthausen Komitee Österreich (3296/A(E)). Im Jahr 2018 sei diese jedoch unter Verweis auf nicht erfüllte Sicherheitsstandards und ein damit verbundenes Haftungsrisiko für die Eigentümer gesperrt worden. Die Bundesregierung, insbesondere der Innenminister, solle daher Besucher:innen das Begehen der Todesstiege per Gesetzesvorlage wieder ermöglichen.

Dies sei auch der Wunsch der Überlebenden in verschiedenen Opferorganisationen, wie Schatz im Ausschuss betonte. Hermann Gahr (ÖVP) erklärte, dass die Haftungsfrage nicht einfach umgehbar sei und auch Fragen des Denkmalschutzes eine Rolle spielten. Es sei jedoch das Ziel der Bundesregierung, eine Lösung zu finden, wofür er um Geduld bat.

FPÖ GEGEN „ILLEGALE MASSENEINWANDERUNG“ UND POTENZIELLE EU-STRAFZAHLUNGEN

Angesichts „katastrophaler Entwicklungen“ im Bereich der illegalen Einwanderung sprechen sich die Freiheitlichen für die Ablehnung des EU-Migrationspakts und jedweder Form von Verteilungsquoten innerhalb der EU aus (3283/A(E)). Mit Ausnahme von Personen, die aus europäischen Ländern stammen, sollen keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden gestellt werden können. Eine Reform des Schengener Grenzkodexes zur Ermöglichung von nationalstaatlichen Grenzkontrollen nach eigenem Ermessen und die Legalisierung von Pushbacks fordert die FPÖ ebenso wie den Abschluss weiterer Rücknahmeabkommen. Aus Seenot gerettete „Bootsflüchtlinge“ sollen ihrer Ansicht nach nicht mehr nach Europa transportiert werden, sondern in eigens geschaffene Anlaufstellen in Afrika.

Außerdem wendet sich die FPÖ gegen potenzielle EU-Strafzahlungen für die Weigerung, Asylwerber:innen aufzunehmen und fordert den Einsatz der Bundesregierung gegen diese Bestrebungen (2293/A(E)). Ziel müsse ein Stopp der illegalen Migration und nicht eine Verteilung „der illegalen Einwanderer“ in der EU sein.

Im Wesentlichen fordere die FPÖ die „Festung Europa“ und bis diese verwirklicht werde die „Festung Österreich“, konstatierte Hannes Amesbauer (FPÖ). Gegen die FPÖ-Anträge wandte sich Stephanie Krisper (NEOS), die es nur als fair erachtete, wenn „unsolidarische Staaten monetäre Konsequenzen zu spüren“ bekämen. Innenminister Gerhard Karner verwies auf den „Asylkompromiss“ der auf europäischer Ebene gelungen sei. Dieser werde lediglich von den radikalen Linken und Rechten abgelehnt, doch mit Radikalität löse man keine Probleme.

NEOS WOLLEN ANMELDEBESCHEINIGUNG FÜR EWR-BÜRGER:INNEN ABSCHAFFEN UND GEFLÜCHTETE UKRAINER:INNEN MIT ASYLBERECHTIGTEN GLEICHSETZEN

Bürger:innen von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, haben die Verpflichtung, binnen vier Monaten ab Einreise eine Anmeldebescheinigung zu beantragen. Da diese Regelung ihre Intention – Sozialbetrug zu verhindern – nicht erfülle und Kosten von rund 5 Mio. € verursache, plädieren die NEOS für deren Abschaffung und eine Ersetzung durch die Möglichkeit einer Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts im Verdachtsfall (3274/A(E)).

Die Intention des Antrags bewertete Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) als positiv, stellte jedoch unter Verweis auf mögliche negative Konsequenzen für die Betroffenen den Vertagungsantrag.

In einem weiteren Entschließungsantrag zeigen die NEOS die aus ihrer Sicht prekäre soziale Lage vieler der rund 90.000 nach Österreich geflüchteten Ukrainer:innen auf (3332/A(E)). Daher wollen sie ihnen bis zum Ablauf ihres temporären Aufenthaltsrechts nach der Vertriebenen-Verordnung denselben Anspruch auf Leistungen wie Asylberechtigten einräumen.

Es seien bereits mehrere Entlastungen wie die Anhebung der Zuverdienstgrenze und der Wegfall der Beschäftigungsbewilligung erfolgt, betonte Corinna Scharzenberger (ÖVP) bei Einbringung des Vertagungsantrags. Außerdem soll aus ihrer Sicht generell der Fokus eher auf Arbeitsanreize und die Schaffung von Perspektiven gelegt werden. (Schluss Innenausschuss) wit

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