40. Wiener Gemeinderat: Rechnungsabschluss 2022 (4)

Generaldebatte

GRin Mag. Ulrike Nittmann (FPÖ) zufolge sei die FPÖ die einzige Partei, die sich unvoreingenommen mit dem Rechnungsabschluss beschäftigt hätte. In Richtung Stadtrat Hanke sagte sie: Es gebe kein positives Ergebnis im Rechnungsabschluss, denn es gebe keinen Gewinn. Zudem sei weniger investiert worden als geplant. Das sei somit weder eine Substanzerhöhung noch ein Vermögensaufbau. Im Gegenteil: das Vermögen werde laut Nittmann von der Wiener Stadtregierung vernichtet. Es handle sich um eine Rekordverschuldung, weshalb Nittmann den Rechnungsabschluss als „Bankrotterklärung“ bezeichnete. Sie kritisierte zudem, dass das Gebäudevermögen von der Stadt „verwahrlost“ werde.

GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) sagte, dass die Stadt in zukunftsträchtigen Bereichen Maßnahmen treffe, um Wien als wettbewerbsfähigen Standort auszubauen – unter anderem für die Ansiedlung von Unternehmen. Etwa im Bereich der Stromwende und der Wasserversorgung werde in den Ausbau von Netzen und Leitungen investiert. Auch die Corona-Pandemie sei in sehr vielen Bereichen gut genutzt worden, um Investitionen einzuleiten, unter anderem in die Gesundheitsinfrastruktur. Laut Gara seien viele wichtige Projekte durch die Fortschrittskoalition in Umsetzung. Er verwies darauf, dass Wien eine Stadt mit einer sehr hohen Lebensqualität sei und man „immer besser werden kann“ – das sei auch der Anspruch der Wiener Stadtregierung. Gara betonte, dass der Start in diese Richtung bereits „sehr gut geglückt“ sei.

GR David Ellensohn (GRÜNE) zufolge dürfe man nicht Schulden der Bundesländer mit jenen der Bundesregierung vergleichen. Denn es handle sich um unterschiedliche Aufgaben, Tätigkeiten und Verantwortungen. Es mache keinen Sinn, dass die Wiener Stadtregierung beim Bund beanstandet, dass Wien zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, während die Stadt gleichzeitig die Schulden des Bundes kritisiert. Ellensohn zufolge gebe es immer weniger Menschen, die Unterstützung von der Stadt erhalten, etwa in Form von Wohnbeihilfe. Er zählte Maßnahmen seiner Partei auf Bundes- und Stadtebene auf, die Menschen in Wien unterstützen würden; unter anderem Unterstützung für Pendler*innen, erhöhter Klimabonus, Abschaffung der kalten Progression und Stromkostenbremse. Wenn die Bundesregierung hier nicht unterstützt hätte, wäre 2022 „fast eine Belastungswelle“ für Wiener*innen gewesen, sagte Ellensohn. Er kritisierte auch, dass die Stadt Verkehrsmaßnahmen für in 90 Jahren plane und ging hier auf den Kaisermühlentunnel ein. Klimapolitik sei Sozialpolitik, betonte Ellensohn, und verwies auch auf den Lobautunnel.

StRin Mag. Isabelle Jungnickel (ÖVP) sagte: „Zahlen liefern recht klare Fakten“. Deren Interpretation lasse jedoch viel Spielraum für Fantasie. Es habe zwar Rekordeinnahmen gegeben, das sei aber eine Leistung der Steuerzahler*innen und nicht der Stadt gewesen. Ziel der Wiener Stadtregierung sollte es sein, das Geld bei den Bürger*innen zu lassen. Jungnickel kritisierte zudem, dass Stadtrat Hanke mehr von den Steuerzahler*innen und der Bundesregierung fordere, aber nicht über Einsparungen in der Stadt gesprochen habe. Auch der Stadtrechnungshof habe „ernsthafte Anzeichen für eine Überforderung des Haushalts“ geortet, so Jungnickel. Die Investitionsquote sei „mager“, ferner gebe es eine Investitionslücke – Geld würde somit in der Stadt versiegen, sagte Jungnickel. Dabei sei es Aufgabe der Politik, Maßnahmen zu setzen, die Wohlstand, Freiheit, Sicherheit und Stabilität gewähren. Das werde nicht durch Umverteilung, neue Steuern wie Vermögenssteuern und „standortschädigende Maßnahmen“ erreicht, sondern durch gutes Wirtschaften und Bildung von Eigentum. In Wien liege die Eigentumsquote weit unter dem österreichischen und dem EU-Durchschnitt. Die Stadtregierung ignoriere jedoch den Wunsch der Wiener Bevölkerung nach privatem Eigentum. Jungnickel kritisierte die „Bevormundung“ und forderte die Möglichkeit für Wiener*innen, sich Eigentum zu schaffen. Denn Eigentum sei Garant für Demokratie und Selbstbestimmung.

GRin Barbara Novak, MA (SPÖ) meinte, sie habe ein gewisses Verständnis dafür, wenn Parteien Dinge aus der Vergangenheit im Rahmen des Rechnungsabschlusses ansprechen und aufarbeiten möchten. Ein Blick in die Geschichte würde zeigen: die Sozialdemokratie sei immer für demokratische Verhältnisse und gegen Gewalt. Fortschritte des roten Wien seien die Basis für viele Errungenschaften der Stadt, etwa im Bereich Gesundheit, Soziales, Mobilität und Wohnbau. Aber auch „soft skills“ und Maßnahmen wie der Gratis-Kindergarten würden zur hohen Lebensqualität in Wien beitragen. Novak zufolge würden auch die Bedürfnisse und Anliegen von Frauen im Fokus der Stadt stehen – das zeige auch der Bericht. Die SPÖ bekenne sich jedenfalls zur Europäischen Union, zur Sozialpartnerschaft, zur Arbeitszeitverkürzung sowie zu Eigentum in öffentlicher Hand, damit es allen Wiener*innen zugutekommt. Bereits 2022 sei Wien aufgrund der Teuerungen gezwungen gewesen, für Unterstützung zu sorgen. Nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Stadt habe hier mehrere Maßnahmen gesetzt, unter anderem den Wohnbonus. Novak betonte, es brauche weiterhin nachhaltige Lösungen zur Unterstützung der Wiener*innen.

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies(GRÜNE) kritisierte die Vermögungsdarstellung im Rechnungsabschluss, die in vielen Punkten falsch dargestellt werde. Es würde sich etwa das Nettovermögen nicht erhöhen – entgegen dem, was im Bericht steht. Alles, was sich die Stadt an Vermögen anschafft, würde weitere Kosten verursachen: Eine gebaute Schule etwa sei ein „positiver Vermögenszuwachs“, sorge aber auch für weitere Ausgaben. Daher sei die Vermögensrechnung der Stadt laut Margulies „absurd“. Ebenso falsch sei das „Maastrichts-relevante Ergebnis“. Margulies meinte, es würde kaum möglich sein, beim Budget einzusparen, denn es würden keine Vergünstigungen anstehen. Zudem werde es angesichts des Arbeitskräftemangels, etwa im Bildungs- und Pflegebereich, künftig schwierig, Ausgaben einzusparen. Margulies pflichtete Stadtrat Hanke bei: Städte würden mehr finanzielle Mittel aus dem Finanzausgleich benötigen. Auch höhere Vermögenssteuern und höhere Grundsteuern seien eine Möglichkeit, die Gesellschaft zu finanzieren. Margulies zufolge habe die Wiener Stadtregierung zwar einiges richtiggemacht, aber vieles sei auch verbesserungswürdig. Margulies sprach zudem zum Thema privates Eigentum in Wien: Es gebe natürlich viel davon, es sei aber falsch verteilt. Die Konzentration von Grund und Boden in wenigen Händen müsse aufgehoben werden, damit es für Menschen in Wien leistbarer wird, Eigentum zu erwerben. Unabhängig davon gebe es Margulies zufolge auch viele Menschen im urbanen Raum, die gerne in Mietwohnungen leben.

GR Mag. Thomas Reindl (SPÖ) meinte eingangs, es ginge „die nächsten Tage um die Frage, wie das Budget interpretiert“ werden würde. Hier gebe es einen Spielraum, insofern wären mehrere Positionen möglich die sich nicht widersprechen würden. Die vergangenen Jahre seien nicht leicht gewesen und es habe auch Beispiele von guter Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gegeben. Die Einnahmen auf Bundesseite würden „sprudeln“. Reindl kritisierte das Vorgehen der Bunderegierung bei Themen wie Inflation oder Energiekrise. So gebe es in Deutschland einen Energiepreisdeckel für Strom, Fernwärme und Gas, in Österreich nur einen Strompreisdeckel. Auch gegen die wachsenden Mietpreise würde der Bund nichts unternehmen. Die Daseinsvorsorge habe in Wien einen hohen Stellenwert, Projekte wie etwa der U-Bahnausbau seien mitunter auch mit Unterstützung des Bundes auf Schiene gebracht worden. Das Verhalten der ÖVP in der Wien Energie Untersuchungskommission lasse Reindl seinen „Glauben an die Wirtschaftspartei ÖVP“ verlieren. Reindl fuhr fort mit einer Kritik an „Falschinformationen“ der ÖVP in der Causa Wien Energie, die zu „unnötiger Verunsicherung“ geführt hätten. (Forts.) exm/wei

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