Städtebund/VCÖ: Mehr als 230 Gemeinden und Städte fordern StVO-Reform

Gemeinden und Städten die Umsetzung von Tempo 30 erleichtern; VCÖ: Zahl der tödlichen Unfälle im Ortsgebiet im Vorjahr um zehn Prozent gestiegen

Im Vorjahr wurde in Österreich im Schnitt alle 20 Minuten ein Mensch bei einem Verkehrsunfall im Ortsgebiet verletzt, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt. Die Zahl der bei Verkehrsunfällen im Ortsgebiet getöteten Menschen ist im Vorjahr österreichweit um zehn Prozent auf 109 gestiegen. Die aktuelle Straßenverkehrsordnung (StVO) behindert Gemeinden und Städte, wenn sie im Sinne der Verkehrssicherheit und örtlichen Lebensqualität Tempo 30 umsetzen möchten. Die Mobilitätsorganisation VCÖ, der Österreichische Städtebund sowie 237 Gemeinden und Städte fordern die Bundesregierung auf, die StVO so zu ändern, dass Gemeinden und Städte innerorts dort, wo sie es für wichtig halten, ohne Hürden Tempo 30 umsetzen können und auf die Einhaltung von Tempolimits besser Einfluss nehmen zu können.

26.550 Verletzte und 109 Todesopfer, das ist die traurige Bilanz der Verkehrsunfälle im Ortsgebiet im vergangenen Jahr. Zwei Drittel aller Verkehrsunfälle mit Personenschaden passierten im Ortsgebiet. Während am gesamten Straßennetz die Zahl der Verkehrstoten im Vorjahr um zwei Prozent gestiegen ist, war die Zunahme im Ortsgebiet mit zehn Prozent fünf Mal so hoch, macht der VCÖ aufmerksam.

Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet ist eine der wirksamsten Maßnahmen, um die Zahl der Unfälle und der Unfallopfer zu reduzieren und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Aber die StVO, insbesondere der Paragraph 43, erschwert es den Gemeinden und Städten, niedrigeres Tempo zu verordnen, etwa auf Durchzugsstraßen. „Von vielen Gemeinden haben wir in den vergangenen Wochen gehört: Tempo 30 auf einzelnen Straßen und Abschnitten umzusetzen, ist oft ein aufwändiger und kostspieliger Prozess mit vielen Hürden. Selbst wenn eine Straße an einer Volksschule, einem Kindergarten oder einem Seniorenheim liegt, wird der Antrag von der Behörde unter Berufung auf die Straßenverkehrsordnung oft abgewiesen“, erklärt VCÖ-Expertin Lina Mosshammer.

Harald Ludwig, Vorsitzender des Städtebund-Verkehrsausschusses, erklärte: „Wir brauchen ein herabgesetztes Geschwindigkeitslevel in den Ortszentren, um bessere Bedingungen für Radfahrerinnen und Radfahrer sowie Fußgängerinnen und Fußgänger zu garantieren und somit die Klimaziele erreichbar zu machen. Aber jedes Tempolimit ist nur so gut, wie es auch tatsächlich eingehalten wird. Unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister fordern in diesem Sinne mehr Handlungsspielraum der Städte nicht nur beim Verhängen von Tempolimits, sondern auch bei den Tempokontrollen. Derzeit sind den Städten ja hier leider die Hände gebunden.“

Deshalb fordert der VCÖ gemeinsam mit dem Österreichischen Städtebund und mittlerweile bereits 237 Gemeinden und Städten „die Bundesregierung und den Nationalrat auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen in der StVO dahingehend anzupassen, dass Städte und Gemeinden ohne Einschränkungen und Hindernisse Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort umsetzen können, wo sie es mit Hinblick auf die notwendige Verkehrswende für sinnvoll erachten. Auch soll Gemeinden mehr Möglichkeiten bei der Kontrolle der Einhaltung der Tempolimits geben werden.“

Es ist ein parteiübergreifendes Anliegen, neben parteifreien haben 103 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von der ÖVP, 54 von der SPÖ, fünf von der FPÖ und drei von den Grünen diese VCÖ-Initiative unterstützt. Und es ist ein Anliegen, das von kleinen Gemeinden wie der 190 Seelen-Gemeinde Aderklaa ebenso unterstützt wird, wie von Bezirkshauptstädten und den Landeshauptstädten Bregenz, Graz und Innsbruck.

Der VCÖ hat nun gemeinsam mit dem Österreichischen Städtebund sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Resolution an Verkehrsministerin Leonore Gewessler überreicht. „Es ist wichtig, dass die Regierung die Verbesserung in der StVO im Interesse der Bevölkerung in den Gemeinden und Städten rasch umsetzt“, stellte VCÖ-Expertin Lina Mosshammer bei der Übergabe fest.

„Geringeres Tempo bedeutet mehr Sicherheit und mehr Lebensqualität für die Menschen vor Ort. Es führt zu weniger Verkehrstoten, verursacht weniger klimaschädliche Emissionen und spart durch den geringeren Treibstoffverbrauch auch Geld. Ich freue mich sehr, dass dieses Potenzial in so vielen Gemeinden und Städten quer durch Österreich und parteiübergreifend erkannt und auch aktiv vorangetrieben wird“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Wie wichtig es ist, die Umsetzung von Tempo 30 im Ortsgebiet zu erleichtern zeigen einige Beispiele aus Gemeinden in Österreich:

„Durch unsere Gemeinde führen zwei Landesstraßen. Alle Bemühungen für eine 30er Zone werden vom Verkehrssachverständigen mit folgender Begründung abgelehnt: Ich muss mich an der StVO orientieren, die stammt im Wesentlichen aus den 60er Jahren und bevorzugt eindeutig das Auto gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern. Eine Anpassung an die geänderten Bedingungen und Erwartungen der Bevölkerung wäre dringend erforderlich“, betont Reinhard Knobloch, Bürgermeister von Bad Fischau-Brunn (Niederösterreich).

„Unsere Gemeinde wird von Landesstraßen durchschnitten. Bislang sind unsere Bemühungen zur Geschwindigkeitsreduktion leider an den gesetzlichen Vorgaben gescheitert“, schildert Max Oberleitner, Bürgermeister von Schwertberg (Oberösterreich).

„Im Stadtkern von St. Andrä befinden sich zwei Volksschulen und zwei Pflegeheime. Im Hinblick auf die Priorität der allgemeinen Verkehrssicherheit ist es uns ein großes Anliegen, durch Tempo 30 wesentlich zur Sicherheit von Groß und Klein beizutragen“, so Maria Knauder, Bürgermeisterin von St. Andrä (Kärnten).

„Wir wollen seit Jahren auf der B70 rund um Kindergarten und Volksschule ein 30er-Limit. Aber von der Behörde kommt als Antwort, dass wir den Bedarf verkehrstechnisch nachweisen müssen, was sehr teuer ist“, so Stefan Helmreich, Bürgermeister von Lieboch (Steiermark).

„Eine Landesstraße führt direkt durch unser Dorfzentrum. Durch die hohe Verkehrsgeschwindigkeit leidet die Aufenthaltsqualität und die öffentliche Nutzung als Treffpunkt. Bei Landesstraßen hat aber die Gemeinde keinen Handlungsspielraum“, erklärt Florian Küng, Bürgermeister von Vandans (Vorarlberg).

Weitere Statements von Bürgermeisterinnen und Bürgermeister: https://vcoe.at/tempo30/zitate-von-unterstuetzenden 

Die Resolution im Detail: https://vcoe.at/files/vcoe/uploads/Download/Open-Letter-Tempo-30.pdf 

VCÖ: MEHR ALS 230 GEMEINDEN UND STÄDTE IN GANZ ÖSTERREICH UNTERSTÜTZEN DIE VCÖ-INITIATIVE: 

* Niederösterreich: 53 Gemeinden und Städte 
* Vorarlberg: 50  
* Oberösterreich: 47 
* Steiermark: 29 
* Tirol: 28 
* Burgenland: 10 
* Kärnten: 10 
* Salzburg: 10

Liste der unterstützenden Gemeinden und Städte: https://vcoe.at/tempo30/die-unterstuetzenden-staedte-und-gemeinden

Quelle: VCÖ 2023

Städtebund-Website zu Tempolimits und Tempokontrollen – mit der Initiative des VCÖ: https://www.staedtebund.gv.at/themen/mobilitaet/tempolimits-tempokontrollen/

Christian Gratzer
VCÖ-Kommunikation
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Mobil: (0699) 18932695

Elisabeth Hirt
Österreichischer Städtebund
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