Langfristige Perspektive für Ukrainer*innen in Österreich gefordert: Volles Arbeitsmarktpotenzial heben, soziale Absicherung sicherstellen

BAG-Organisationen Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz & Volkshilfe präsentieren notwendige Maßnahmen zur langfristigen Integration Kriegsvertriebener aus der Ukraine

Seit über 1,5 Jahren wird der Krieg in der Ukraine unfassbar grausam geführt. 17,6 Millionen Menschen sind im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen, fast 6 Millionen Menschen aus der Heimat vertrieben worden. Knapp 70.000 von ihnen finden aktuell Schutz in Österreich. Viele von ihnen werden auf absehbare Zeit nicht nach Hause zurückkehren können und brauchen eine langfristige Perspektive, um nicht in der Luft zu hängen. „Je schneller wir Klarheit über eine langfristige Perspektive und die Voraussetzungen haben, umso rascher werden wir das volle Arbeitsmarktpotential heben können“, streicht Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich und aktuelle Vorsitzende der BAG, hervor.

PRAGMATISCHE LÖSUNG: GLEICHSTELLUNG DER VERTRIEBENEN AUS DER UKRAINE MIT ASYLBERECHTIGTEN

Einen pragmatischen Ansatz für einen langfristigen Aufenthaltstitel sieht die Diakonie in der Gleichstellung der Ukraine-Vertriebenen mit Asylberechtigten, also Menschen, die nach einem Asylverfahren eine positive Entscheidung in Händen halten, und damit in Bezug auf viele soziale Rechte und Pflichten österreichischen Staatsbürger*innen gleichgestellt sind. „Sowohl aus arbeitsmarktpolitischer als auch aus sozialer Perspektive hätte das Vorteile und wäre ohne großen bürokratischen Aufwand rasch durchführbar“, fordert Diakonie Direktorin Maria Katharina Moser. „Besonders wichtig wäre dieser Wechsel für alte und kranke Menschen, aber auch für die vielen ukrainischen Frauen mit kleinen Kindern, die deshalb noch nicht voll in die Erwerbsarbeit einsteigen können“, so Moser.

INTEGRATIONSPERSPEKTIVE ÜBER DIE ‚ROT-WEISS-ROT – KARTE PLUS‘ UNTER EINBEZIEHUNG DER SOZIALHILFE

Laut Medienberichten will die Bundesregierung die Aufenthalts- und Integrationsperspektive allerdings über den Weg des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes regeln. „Wir begrüßen, dass mit dem Modell ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ unter Einbeziehung der Sozialhilfe ein langfristiger Aufenthalt unter sozialer Absicherung sichergestellt werden soll“, betont Parr. Es müsse aber gelingen, praktikable und leicht verständliche Kriterien für den Umstieg auf die ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ und die Sozialhilfe festzusetzen. Bei der Überführung in das neue System dürfen auch keinesfalls Versorgungslücken entstehen. „Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, wo die Menschen möglichst rasch wieder auf eigenen Beinen stehen können und wo wir das volle Arbeitsmarktpotenzial heben können“, so Parr. Damit arbeitsfähige Menschen rasch in Beschäftigung kommen und die hohen Hürden der ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ erfüllen können, sind parallel auch wichtige integrationsfördernde Maßnahmen zu setzen. „So ist es durchaus im Interesse aller, dass die Vertriebenen so rasch wie möglich Deutsch lernen. Die Sprache ist unbestritten ein Integrationsmotor. Hierfür braucht es aber flächendeckende Deutschkurse sowie ausreichende Kinderbetreuungsplätze. Hier hinkt Österreich vor allem in strukturschwachen Regionen massiv hinterher“, betont Parr. Die rasche Anerkennung bereits mitgebrachter Abschlüsse und erhöhte Mobilität, beispielsweise durch billige Öffi-Tickets wären weitere wichtige Maßnahmen. Bei all dem dürfe die Regierung keinesfalls vergessen, dass unter den Vertriebenen auch viele traumatisierte, gesundheitlich angeschlagene oder körperlich beeinträchtigte Menschen. „Mit ihnen können wir nicht eins zu eins wie mit normalen Arbeitsmigranten umgehen. Hier ist Schutz und soziale Absicherung ein Gebot der Stunde“, so Parr.

HÜRDEN IN EXISTENZIELLEN BEREICHEN WIE ARBEIT UND WOHNEN IN DEN BLICK NEHMEN

Neben integrationsfördernden Aspekten stellt Volkshilfe Direktor Erich Fenninger die materielle Absicherung von Vertriebenen in den Mittelpunkt, speziell im Bereich des Beschäftigungs- und Wohnungsbereichs gibt es Probleme. Selbst für viele der Vertriebenen, die Arbeit gefunden haben und dadurch ihren Platz im Rahmen der Grundversorgung verlieren, sind die Kosten für Kautionen und Ausstattung quasi nicht zu stemmen. Hier benötigt es – wie für alle anderen Personen die in Österreich um Asyl ansuchen – Wohnprojekte, in denen sie in dieser Zeit von qualifiziertem Personal betreut werden.  Vertriebene erfahren in Österreich häufig sozialen Abstieg und Dequalifizierung. Der Einstieg in das Erwerbsleben in Österreich bedarf weiteren Unterstützungsleistungen für Vertriebene, neben der Sprachkompetenz ist hier auch auf Maßnahmen zu verweisen, die es den Personen ermöglich soll, bereits erworbene Kompetenzen auszuüben oder auszubauen. „Ein Maßnahmenpaket, dass die Hürden in den existenziellen Bereichen Arbeit und Wohnen in den Blick nimmt, würde dazu beitragen, auf die Ressourcen von Geflüchteten einzugehen und damit einen maßgeblichen Beitrag für Integration zu leisten“, so Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.

ANPASSUNGEN BEIM RECHT AUF FAMILIENZUSAMMENFÜHRUNG NOTWENDIG

Jedenfalls gewährleistet sein muss das Recht auf Familienleben nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vertriebene müssen somit die Möglichkeit haben, ihre Kernfamilie im Rahmen eines Familienzusammenführungsverfahrens nachzuholen und dürfen dabei nicht schlechter gestellt werden als beispielsweise Asylberechtigte. Anja Oberkofler, Vizepräsidentin des Roten Kreuzes, hält dazu fest: „Bei der geplanten Aufnahme von ukrainischen Vertriebenen in das Regelwerk einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ steht zu befürchten, dass sich ihre Situation beim Recht auf Familienzusammenführung verschlechtert. Es erfordert rechtliche Anpassungen, um sicherzustellen, dass durch den Krieg getrennte Familien ein menschenwürdiges und sicheres gemeinsames Leben in Österreich führen können.“

Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt
Wolfgang Marks
Pressesprecher
06767804677
wolfgang.marks@caritas-austria.at

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