Die Kommission für Provenienzforschung trauert um Leonhard Weidinger

Wir trauern um unseren langjährigen Freund und Kollegen Leonhard Weidinger, der am 22. September 2023 nach langer, schwerer Krankheit verstorben ist.

1969 in Linz geboren, begann Leonhard Weidinger seine akademische Laufbahn 1987 mit einem Architekturstudium an der TU Wien und wechselte 1992 an die Universität Wien, um dort Geschichte und eine Fächerkombination aus Politikwissenschaft, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Zeitgeschichte zu studieren. Nach seinem Abschluss als Magister der Philosophie war er zunächst als Produktionsleiter in der Video- und Multimedia-Branche tätig; als Historiker und Digital Media Producer machte er sich 2001 selbstständig. 2005 begann sein Weg als Provenienzforscher im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst in Wien für die Kommission für Provenienzforschung. Seither war Leo ein unentbehrlicher Teil der österreichischen Provenienzforschung und bald darüber hinaus der internationalen Forschungscommunity. Er verfasste zahlreiche Forschungsdossiers über Kunst- und Kulturgegenstände, die im Zuge oder als Folge nationalsozialistischer Verfolgung ihren ursprünglichen Eigentümer:innen entzogen worden waren. „Schneidern und Sammeln“, der 2010 erschienene zweite Band der Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, war etwa das Ergebnis von Leonhard Weidingers intensiver Erforschung und Auseinandersetzung mit der Verfolgungsgeschichte der Familie Rothberger, mit deren Erb:innen er, wie in vielen anderen Fällen, in sehr gutem persönlichem Austausch stand. Dem Porzellanelefanten mit Namen Max der Familie Rothberger widmete Leo auch einen besonders berührenden Text für den Ende 2023 erscheinenden Sammelband anlässlich des 25jährigen Bestehens des Kunstrückgabegesetzes.

Als Leonhard Weidinger zur Kommission für Provenienzforschung stieß, war deren Arbeit noch durchwegs von analogen Zugängen und Praktiken geprägt. Mit seinem multimedialen Knowhow und seinem Interesse an neuen Arbeitsweisen übernahm er eine Schlüsselrolle in der digitalen Transformation der Provenienzforschung. Ohne Scheu vor Konflikten und immer orientiert an der Lösung von Problemen, wurde er zum Wegbereiter dieser neuen, digitalen Provenienzforschung.

Als Urheber und Leiter des Projekts _Digitalisierung von Wiener Auktionskatalogen aus der NS-Zeit_ setzte Leo neue Maßstäbe für viele weitere nationale und internationale Digitalisierungsinitiativen. So zeichnete er für die Konzeption, den Aufbau und die Supervision des _Digitalen Archivs_ der Kommission für Provenienzforschung verantwortlich und war an der Herausgabe der _Online-Edition der_ _Zentraldepotkarteien_ und des _Lexikons der österreichischen Provenienzforschung_ maßgeblich beteiligt. International arbeitete er an der Datenbank _German Sales_ des Getty Research Institutes, an der Konzeption des Datenbank-Prototyps für die Erfassung der Daten zu den Katalogen des Auktionshauses Weinmüller und an zahlreichen weiteren Projekten im deutschsprachigen Raum, insbesondere auch in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München.

Es war ihm dabei immer wichtig, sein vielfältiges Wissen weiterzugeben und der Provenienzforschung als Wissenschaftsdisziplin Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das tat er mit großer Begeisterung in Vorträgen, in der universitären Lehre, als Organisator von fachspezifischen Workshops und Veranstaltungen und als Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen.

Als prägendes Mitglied des Arbeitskreises Provenienzforschung e. V., in dessen Vorstand Leonhard Weidinger von 2014 bis 2018 aktiv war – von 2017 bis 2018 als Vorsitzender – setzte er sich für länderübergreifende Kooperationen und den fachlichen Austausch zwischen Provenienzforscher:innen ein. Durch seine unermüdliche internationale Präsenz hat er damit auch die österreichischen Bemühungen in der NS-bezogenen Kunstrückgabe signifikant sichtbar gemacht.

Wir kannten und schätzten Leo als liebenswürdigen, loyalen, organisierten und scharfsinnigen Freund und Kollegen, der uns immer mit wertvollem Rat zur Seite stand. Seine Liebe zum Detail äußerte sich etwa in einer Leidenschaft am Sammeln und Erheben von Daten, die genauso legendär ist wie seine Freude am Debattieren. Ein „Provenienzforschungsheuriger“ ohne Leo ist nur schwer vorstellbar.

Durch sein Schaffen und Wirken, sein digitales wie analoges Vermächtnis wird Leo in der Provenienzforschung in Österreich und international immer präsent bleiben. Seine Geselligkeit, sein Humor, seine Kreativität, seine Großzügigkeit und die Gespräche mit ihm werden uns unendlich fehlen. Unser Mitgefühl gilt seiner Lebensgefährtin Susanne und seiner gesamten Familie. 
Kondolenzschreiben können an provenienzforschung@bda.gv.at gerichtet werden. Diese werden auf der Website der Kommission für Provenienzforschung veröffentlicht. 

Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Dr.in Pia Schölnberger
Stabsstelle Kunstrückgabe und Gedenkkultur
Kommission für Provenienzforschung
Leitung
+43 1 71606 851044
+43 664 6106247
Concordiaplatz 2, 1010 Wien, Österreich
pia.schoelnberger@bmkoes.gv.at
www.bmkoes.gv.at

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