EU-Unterausschuss kritisiert Vorschlag zur Aufhebung der Immunität von Abgeordneten und fordert Beibehaltung nationaler Regelungen

Weitere Themen: Gewalt gegen Frauen, Menschenhandel, Lieferketten und Nachhaltigkeit von Unternehmen

Ein Richtlinienvorschlag der Europäische Kommission zur Bekämpfung von Korruption stand heute auf der Tagesordnung des EU-Unterausschusses. Die darin vorgeschlagenen Regelungen zur Aufhebung der Immunität von Mandatar:innen stießen auf Kritik bei allen Fraktionen. Diese sollten weiterhin den nationalen Parlamenten vorbehalten bleiben. Ein dahingehender Antrag auf Mitteilung an die EU wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen. Eine Initiative der Opposition mit ähnlicher Zielrichtung blieb hingegen in der Minderheit.

Außerdem debattierten die Abgeordneten Vorschläge für Richtlinien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie zur Bekämpfung des Menschenhandels. Befürwortet wurde ein Vorschlag der Kommission für mehr Sorgfaltspflichten von Unternehmen bei ihren Lieferketten von SPÖ und Grünen. ÖVP, FPÖ und NEOS warnten hingegen vor einer zu hohen Belastung der Unternehmen.

ANTI-KORRUPTIONS-PAKET: FRAKTIONEN KRITISIEREN REGELUNGEN ZUR AUFHEBUNG DER IMMUNITÄT VON MANDATAR:INNEN

Im Mai 2023 legte die Europäische Kommission ein Anti-Korruptions-Paket vor. Dieses beinhaltet unter anderem einen Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung der Korruption. Damit sollen alle Formen von Korruption in allen Mitgliedstaaten unter Strafe gestellt werden. Der Vorschlag sieht unter anderem Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen im Bereich der Korruption vor. Ebenso sollen Maßnahmen für eine bessere Korruptionsprävention und -bekämpfung verankert und Korruptionspräventions- und -bekämpfungsbehörden eingerichtet werden. Der Richtlinienvorschlag sieht außerdem ein Verfahren zur Aufhebung von Immunitäten vor. Außerdem werden Personen geschützt, die Straftaten anzeigen oder Ermittlungen unterstützen.

Es sei wichtig, gegen Korruption auf allen Ebenen vorzugehen, erklärte Justizministerin Alma Zadić im Ausschuss. Die Bundesregierung habe innerstaatlich bereits einige Maßnahmen gesetzt. Korruption mache aber nicht an den Grenzen halt und eine Harmonisierung sei deswegen auch auf europäischer Ebene wichtig. Das Ressort unterstütze daher den Richtlinienvorschlag. Allerdings seien bereits bestehende und international anerkannte österreichische Standards in diesem Zusammenhang zu verteidigen.

Auf Kritik stießen bei den Abgeordneten die vorgeschlagenen Regelungen zur Aufhebung der Immunität von Mandatar:innen. Mit der Mehrheit von ÖVP und Grünen wurde eine Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat der EU und das Europäische Parlament beschlossen. Beim Richtlinienentwurf entstehe der Eindruck, dass in die Autonomie der nationalen Parlamente zur Aufhebung der Immunität eingegriffen werden könnte. Dies sollte aber aus Sicht der Abgeordneten weiterhin den nationalen Parlamenten vorbehalten bleiben. Der Richtlinienentwurf wäre daher so anzupassen, dass die Vereinbarkeit mit den in den nationalen Verfassungen vorgesehenen Vorkehrungen gewährleistet ist, fordern sie.

Die Oppositionsfraktionen kritisierten ebenso die vorgesehenen Regelungen zur Immunitätsaufhebung. In einem gemeinsamen Antrag auf Stellungnahme machten SPÖ, FPÖ und NEOS ihren Standpunkt deutlich, dass Verfahren zur Aufhebung der Immunität von Mandatar:innen eine Angelegenheit der nationalen Parlamente sei und, dass daher immunitätsrechtliche Regelungen in der alleinigen Verantwortung der Mitgliedstaaten verbleiben sollen. Sie forderten die Bundesregierung auf, im Zuge der Verhandlungen auf EU-Ebene diese Position zu vertreten. Der Antrag blieb mit den Stimmen der antragstellenden Fraktionen in der Minderheit.

Justizministerin Zadić versprach den Abgeordneten, dass das Justizressort deren Bedenken im Zuge der Verhandlungen auf EU-Ebene vorbringen werde.

Das parlamentarische Mittel der Mitteilung an die EU befand Bettina Zopf (ÖVP) gegenüber dem von der Opposition geforderten Antrag auf Stellungnahme als geeigneter. Selma Yildirim (SPÖ) befand die Mitteilung hingegen als schwaches Instrument und plädierte als Obfrau des Immunitätsausschusses für die Beibehaltung der aktuellen nationalen Regelungen zur Immunität. Als einen Eingriff in die Souveränität bezeichnete Harald Stefan (FPÖ) die vorgeschlagenen EU-Regelungen zur Immunität. Es sei wichtig, Korruption staatenübergreifend zu bekämpfen, meinte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Österreich habe im Bereich der Immunität ein gutes System, das beibehalten werden sollte. Hinsichtlich der Aberkennung der Immunität gebe es in Österreich ein bewährtes Prozedere, meinte auch Johannes Margreiter (NEOS) und sprach sich für einheitliche Standards zur Korruptionsbekämpfung als entscheidendes Anliegen aus.

RICHTLINIE ZUR BEKÄMPFUNG VON GEWALT GEGEN FRAUEN UND HÄUSLICHER GEWALT

Im März 2022 hat die Europäische Kommission einen Richtlinien-Vorschlag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vorgelegt. Damit soll erstmals auf EU-Ebene ein Rechtsinstrument in diesem Bereich geschaffen werden. Der Vorschlag enthält überwiegend Maßnahmen im Bereich des materiellen Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Prävention, Koordinierung und Zusammenarbeit vorgesehen. So soll unter anderem der Straftatbestand der Vergewaltigung neu geregelt werden. Künftig soll zur Erfüllung kein Nötigungsmittel, wie Gewalt, erforderlich sein, sondern dieser auf die fehlende Zustimmung des Opfers abgestellt werden. Zudem sieht der Vorschlag die Stärkung des Opferschutzes, der Opferhilfe, der Prävention und der Koordinierung sowie Zusammenarbeit vor.

Es zeichne sich ein nicht unbeträchtlicher innerstaatlicher Umsetzungsbedarf ab, ist einer Stellungnahme des Justizressorts zu entnehmen. Beispielhaft werden dabei die vorgeschlagenen Regelungen bei Cyberdelikten, wie etwa die nicht einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material, oder die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen zusätzlichen Straftatbestände angeführt.

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt seien die stärksten geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen, betonte Justizministerin Alma Zadić im Ausschuss. Es sei wichtig, ein Rechtsinstrument auf europäischer Ebene zu schaffen, begrüßte Zadić die Anliegen des Richtlinienvorschlags „ausdrücklich“. Hinsichtlich der Definition des Straftatbestands der Vergewaltigung seien die Trilog-Verhandlungen am Laufen und das Ressort setze sich dabei für eine entsprechende Definition ein, berichtete Zadić, Eva Maria Holzleitner (SPÖ), Michel Reimon (Grüne) und Johannes Margreiter (NEOS). Auf nationaler Ebene habe die Bundesregierung ebenso zahlreiche Maßnahmen gesetzt. Gewaltschutzambulanzen seien dabei eines der wichtigsten Projekte, da diese eine niederschwellige Versorgung von Frauen als auch die Dokumentation von Beweisen ermöglichen würden. Sie rechne mit einem Start der ersten Pilotprojekte noch dieses Jahr, meinte Zadić in Richtung von Eva Maria Holzleitner (SPÖ).

Die Bekämpfung von Gewalt an Frauen sei auf allen Ebenen zu begrüßen, meinte Bettina Zopf (ÖVP).

Gegen einen „Zentralisierungswahn“ sprach sich Petra Steger (FPÖ) aus. Es sei erschreckend, wie viele Frauen Opfer von Gewalt seien. Die Politik der Bundesregierung trage dazu bei, dass sich die Situation nicht verbessere, forderte Steger unter anderem einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen.

Von einem Qualitätsschritt sprach Michel Reimon (Grüne).

Es müsse in jedem EU-Land Klarheit herrschen, dass sexuelle Gewalt kein Kavaliersdelikt sei, begrüßte Johannes Margreiter (NEOS) die Vereinheitlichung des Rechtsbestandes auf EU-Ebene.

BEKÄMPFUNG DES MENSCHENHANDELS

Ende 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Abänderung einer Richtlinie zur Bekämpfung von Menschenhandel vorgelegt. Darin werden Maßnahmen gegen Zwangsheirat und illegale Adoption sowie gegen technologiegestützte Straftaten vorgeschlagen. Die wissentliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Opfern des Menschenhandels wird darin strafrechtlich ebenso erfasst. Zudem sind Sanktionen gegen juristische Personen und die Einziehung von Vermögenswerten vorgesehen. Weiters sollen nationale Anlaufstellen für Opfer eingerichtet werden. Insbesondere in Anbetracht der grenzüberschreitenden Dimension des Menschenhandels, sowohl in Bezug auf die Staatsangehörigkeit der Opfer aber auch die kriminellen Netzwerke, sei ein gemeinschaftliches Handeln und die gezielte Maßnahmensetzung auf Unionsebene notwendig, ist den Erläuterungen des Justizressorts zu entnehmen. Einheitliche Maßnahmen würden es den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, wirksamer zu ermitteln.

Die Anpassung der bestehenden Richtlinie nach 12 Jahren sei wichtig, da sich die Formen der Ausbeutung in den letzten Jahren weiter entwickelt hätten, betonte Justizministerin Alma Zadić im Ausschuss und führte beispielhaft Phänomene, wie Zwangsheirat, illegale Adoption oder der Cyberkriminalität an. Es müsse alles zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer getan werden. Gegen kriminelle Netzwerke müsse auf europäischer Ebene vorgegangen und diese lahm gelegt werden. Hinsichtlich Zwangsheirat sei Prävention und massive Aufklärungsarbeit notwendig, meinte Zadić zu Georg Strasser (ÖVP). Im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform soll ein Mindestalter für Ehen von 18 Jahren umgesetzt werden, erklärte Zadić gegenüber Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Bei den Trilog-Verhandlungen habe es Diskussionsbedarf insbesondere bei den Sanktionen gegen juristische Personen und bei der wissentlichen Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Opfern des Menschenhandels gegeben, berichtete die Justizministerin an Michel Reimon (Grüne).

Maßnahmen gegen Menschenhandel seien wichtig, dafür sei aber kein Unionsrecht notwendig, meinte Petra Steger (FPÖ) und sprach sich für einen effektiven Schutz der EU-Außengrenzen aus.

Menschenhändler würden sich den juristischen „Fleckerlteppich“ in den EU-Mitgliedstaaten zu Nutze machen, begrüßte Johannes Margreiter (NEOS) die Initiative auf EU-Ebene.

LIEFERKETTEN: SORGFALTSPFLICHTEN VON UNTERNEHMEN

Anfang 2022 präsentierte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Die vorgeschlagene Richtlinie enthält Vorschriften in Bezug auf tatsächliche und potenziell negative Auswirkungen auf Menschenrechte, Klima und Umwelt im Zuge der gesamten Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Die Richtlinie soll grundsätzlich für Unternehmen ab einer bestimmten Größe mit Sitz innerhalb der EU gelten. Für bestimmte „High-Impact-Sektoren“, wie die Textilindustrie oder die Land- und Forstwirtschaft, sollen niedrigere Schwellenwerte bei der Unternehmensgröße gelten. Darüber hinaus sollen auch Unternehmen, die nicht in der EU ansässig sind, erfasst sein, sofern sie mehr als 150 Mio. € Netto-Jahresumsatz in der EU erzielen. Kleine und mittelgroße Unternehmen sind von der Richtlinie ausgenommen. Die Unternehmen haben zudem einen Plan zu erstellen, um ihr Geschäftsmodell in Richtung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu orientieren. Zudem sollen Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene, Arbeitnehmervertreter:innen und Organisationen der Zivilgesellschaft vorgesehen werden.

Es gebe „endlich“ einen Vorstoß auf EU-Ebene für verpflichtende Sorgfaltspflichten von Unternehmen, begrüßte die Justizministerin „ausdrücklich“ den Vorschlag in der Ausschussdebatte. Unverbindliche Regelungen hätten bisher nur ungenügend gewirkt. Es sei deswegen wichtig, dass Unternehmen verpflichtet werden, ihre negativen Auswirkungen zu begrenzen. Dies könne auch eine Chance für Unternehmen sein, wettbewerbsstärker zu werden. Es sei zudem ein „Meilenstein“, dass die Regelung über die EU hinaus wirken würde.

Der Vorschlag der EU gehe ihm zu wenig weit, erklärte Jörg Leichtfried (SPÖ). Dies sei eine Chance nicht nur in der EU sondern auch außerhalb für Menschrechte und Klimaschutz zu kämpfen.

Kritik erntete der Vorschlag von ÖVP, FPÖ und NEOS. So befand Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) diesen als „überzogen und realitätsfremd“ und hoffte auf eine entsprechende Nachbesserung im Sinne der Unternehmen. Das grundsätzliche Ziel des Schutzes der Menschenrechte und der Umwelt sei zwar gut, die Ausweitung der Bürokratie sei aber eine Belastung für Unternehmen, schloss sich Johannes Margreiter (NEOS) der Kritik der ÖVP an. Die Freiheitlichen untermauerten ihre Ablehnung des Richtlinienvorschlags mit einem Antrag auf Stellungnahme, der aber mit ihren alleinigen Stimmen in der Minderheit blieb. Petra Steger (FPÖ) und Harald Stefan (FPÖ) argumentierten darin, dass Unternehmen Entlastung und nicht ein weiteres „Bürokratiemonster“ benötigen würden. Der Vorschlag würde Wettbewerbsnachteile bringen. Überzogen sei auch, die Unternehmensstrategien an dem Ziel orientieren zu müssen, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Die Standards der Richtlinie befürwortete Astrid Rössler (Grüne) und kritisierte die geäußerten Befürchtungen. Die Wirtschaft wäre clever genug, um entsprechende Modelle zu entwickeln, meinte Rössler mit Verweis auf Fairtrade. (Schluss EU-Unterausschuss) pst

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