Nationalfonds bekommt Zweier-Vorstand und neue Aufgaben

Adaptierter Koalitionsantrag erhielt im Verfassungsausschuss einhellige Zustimmung

Zweimal wurden die Beratungen zur Klärung offener Fragen vertagt, heute hat der Verfassungsausschuss des Nationalrats grünes Licht für Änderungen beim Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus gegeben. Eine entsprechende Gesetzesinitiative der Koalitionsparteien wurde unter Berücksichtigung einiger Abänderungen einstimmig angenommen. So haben ÖVP und Grüne von der ursprünglich geplanten Einrichtung eines wissenschaftlich-künstlerischen Beirats zur Vorprüfung von Förderanträgen Abstand genommen. Stattdessen soll das Komitee des Fonds erweitert werden, um dessen Expertise auszubauen. Zudem wird der Hauptausschuss des Nationalrats in die Bestellung des Vorstands eingebunden.

Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf (3537/A) unverändert geblieben ist, dass künftig ein Zweier-Vorsgand – statt des bisherigen „Generalsekretärs“ – die Geschicke des Nationalfonds, der nach außen hin vom Präsidenten bzw. der Präsidentin des Nationalrats vertreten wird, leiten soll. Die langjährige und aktuelle Generalsekretärin des Fonds Hannah Lessing muss sich allerdings nicht neu bewerben – sie wird dem neuen Vorstand in der ersten Amtsperiode ex lege angehören.

Das Aufgabengebiet des Fonds wurde durch den Abänderungsantrag u.a. um die Planung, Einrichtung und Instandhaltung einer NS-Gedenkstätte für Roma und Sinti ergänzt, sofern hier nicht Länder oder Gemeinden aktiv werden. Auch Gedenkdiener:innen und internationale Austauschprogramme kann der Nationalfonds künftig unterstützen. Außerdem wird es ihm gestattet sein, einen Teil der Grabgebühren für Holocaust-Überlebende aus den Reihen der Roma und Sinti zu übernehmen. Ziel der Gesetzesinitiative ist es darüber hinaus, die Instandsetzung jüdischer Friedhöfe durch höhere Kostenbeteiligungen des Bundes voranzutreiben.

Ergänzend zum Gesetzesantrag haben die Abgeordneten heute außerdem einhellig für eine Novellierung des Kunstrückgabegesetzes gestimmt, um eine gesetzliche Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu schaffen. Konkret geht es darum, die Erbensuche durch eine amtswegige Einsicht in Akten zu erleichtern, wie Grün-Abgeordnete Eva Blimlinger im Ausschuss erläuterte. Im Nationalrat beschlossen werden sollen die beiden Gesetzentwürfe bereits diesen Freitag.

OPPOSITION SIEHT NOCH EINZELNE VERBESSERUNGSMÖGLICHKEITEN

Martin Engelberg (ÖVP) bedankte sich in der Sitzung bei allen Fraktionen für die konstruktiven Verhandlungen. Einzelne offene Details könnten noch bis zum Plenum geklärt werden, meinte er.

Seitens der Opposition bekannten sich Reinhold Einwallner (SPÖ), Susanne Fürst (FPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS) ausdrücklich zum Gesetzesvorhaben. Einwallner und Scherak äußerten sich zwar kritisch zur Genese des Entwurfs, insbesondere was den ursprünglichen Alleingang von ÖVP und Grünen betrifft, letztendlich liege nun aber ein „guter Kompromiss“ vor, sagte Scherak. Einwallner zufolge wurde vor allem über den Zweier-Vorstand viel diskutiert, nun sei Transparenz sowie eine starke Einbindung des Kuratoriums und des Hauptausschusses gewährleistet. Auch Fürst begrüßte die Mitwirkung des Hauptausschusses bei der Bestellung des Vorstands.

„Perfekt“ ist der Antrag aus Sicht der Opposition allerdings noch nicht. So sprach sich SPÖ-Abgeordnete Birgit Schatz dafür aus, den Austausch von Jugendlichen nicht nur mit Jüdinnen und Juden zu fördern, sondern auch mit anderen Opfergruppen des NS-Regimes wie Roma und Sinti. Dazu könnte am Freitag noch ein Abänderungsantrag eingebracht werden. Auch wäre es sinnvoller gewesen, die zusätzliche Unterstützung von Gedenkdiener:innen über das für Freiwilligenarbeit zuständige Sozialministerium abzuwickeln, meinte Scherak. Laut Fürst sind manche Kritikpunkte der FPÖ ebenfalls noch aufrecht, insgesamt sieht sie aber einen „gangbaren Weg“.

Seitens der Grünen bekräftigte Abgeordnete Blimlinger, dass der Koalition ein gemeinsamer Weg immer wichtig gewesen, auch „wenn wir es vielleicht falsch angegangen sind“. In diesem Sinn zeigte sie sich über den nunmehrigen „parlamentarischen Schulterschluss“ aller Parteien erfreut. Ihr zufolge will man sich auch überlegen, wie man die von der IKG zu leistende Mehrwertsteuer durch höhere Förderungen abgelten könnte.

NEUE BERICHTSPFLICHTEN FÜR DEN ZWEIER-VORSTAND

Bestellt werden soll der künftige Zweier-Vorstand des Nationalfonds, wie bisher der „Generalsekretär“, vom Präsidenten bzw. der Präsidentin des Nationalrats, wobei der Hauptausschuss nunmehr ein Zustimmungsrecht – mit Zweidrittelmehrheit – erhält. Der Bestellung hat eine öffentliche Ausschreibung vorauszugehen. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre, Wiederbestellungen werden möglich sein. Bis zur Bestellung des zweiten Vorstandsmitglieds wird die derzeitige Generalsekretärin Hannah Lessing den Fonds alleine leiten. Um mehr Transparenz zu schaffen, wird der Vorstand überdies verpflichtet, dem 21-köpfigen Kuratorium des Fonds künftig vierteljährlich über geplante und durchgeführte Aktivitäten zu berichten.

Anstelle des ursprünglich vorgesehenen wissenschaftlich-künstlerischen Beirats zur Bewertung von Förderanträgen ist nun eine Erweiterung des Komitees vorgesehen. Neben den bisherigen fünf Mitgliedern sollen ihm künftig vier weitere Mitglieder angehören, die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Österreichischen Universitätenkonferenz (zwei Mitglieder) und dem Österreichischen Nationalkomitee des International Council of Museums für jeweils fünf Jahre – mit einmaliger Wiederbestellungsmöglichkeit – entsendet werden.

Aufgabe des Komitees wird es künftig auch sein, Vorschläge für eine inhaltliche Schwerpunktsetzung für Förderungen zu erarbeiten, die dann vom Kuratorium zu fixieren sind. Wie bisher unterstützt werden können insbesondere Projekte, die NS-Opfern zugutekommen, der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals der Opfer dienen, an nationalsozialistisches Unrecht erinnern oder das Andenken der Opfer wahren.

Um den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Organisationen und Einrichtungen wie Universitäten zu vertiefen, ist u.a. die Bereitstellung einer entsprechenden Plattform durch den Nationalfonds vorgesehen. Zudem soll der einzigartige Aktenbestand des Nationalfonds digitalisiert und unter bestimmten Auflagen für externe Forschung zugänglich gemacht werden. Die Aufgabe des Fonds, lebensgeschichtliche Zeugnisse von Opfern des Nationalsozialismus zu dokumentieren und zu erforschen, wird auf deren Familien erweitert.

Weitere Punkte des Antrags betreffen die Abhaltung einer jährlichen Konferenz, die finanzielle Unterstützung von Gedenkdiener:innen mit bis zu 400 € im Monat, die Forcierung von Austausch- und sogenannten „Outreach-Programmen“ für Kinder, Schüler:innen und Jugendliche und die Verwahrung der alten österreichischen Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau im Parlamentsarchiv. Im Zuge der Vergabe des Simon-Wiesenthal-Preises können künftig Zeitzeugen und Personen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, in besonderer Form gewürdigt werden.

INSTANDSETZUNG JÜDISCHER FRIEDHÖFE

Was die Instandsetzung jüdischer Friedhöfe betrifft, sieht der Antrag vor, die Bestandsdauer des im Jahr 2010 dafür eingerichteten Förderfonds von 20 auf 40 Jahre zu verlängern. Zudem soll der von der israelitischen Kultusgemeinde als Friedhofseigentümerin bzw. beauftragten Dritten verpflichtend zu leistende Ko-Finanzierungsanteil auf ein Viertel der Zuwendungen des Bundes reduziert werden. Derzeit ist grundsätzlich die Hälfte der Mittel von der Kultusgemeinde aufzubringen. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen grundsätzlich mit 1. Jänner 2024.

Die zusätzlichen Aufgaben des Nationalfonds und der höhere Mittelbedarf für die Instandsetzung jüdischer Friedhöfe sind bereits im Budgetentwurf 2024 berücksichtigt. Außerdem sieht dieser 19 Mio. € für eine außerordentliche Einmalzahlung in der Höhe von je 5.000 € für noch lebende Opfer des Nationalsozialismus aus Österreich vor. (Schluss) gs

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