Update Seilern Investment Management: Bondmärkte mit Argusaugen betrachtet

Ein altes Sprichwort der US-Börsenmakler besagt, dass die Handelstage nach dem Labour Day Feiertag ein Indikator für die Stimmung an den Märkten in der Zeit bis zum Jahresende sind. Sollte dieses Sprichwort auf Wahrheit beruhen, dann könnten die kommenden Wochen kompliziert werden, da das Vertrauen derzeit auf einem eher niedrigen Niveau liegt.

Sowohl die aktuellen Inflationszahlen als auch die Erwartungen für die Zukunft sind im Vergleich zu den Höchstständen des letzten Jahres deutlich gesunken. Selbst die einstigen Inflationsbefürworter an den Märkten, in den Medien und bei den Zentralbanken haben ihre Haltung geändert. Dennoch haben die jüngsten Botschaften der meisten führenden westlichen Zentralbanken auf den Finanzmärkten weltweit keine positive Resonanz gefunden. Die meisten Notenbanker sind der Meinung, dass trotz der verbesserten Inflationszahlen ein neuer Abwärtstrend der Zinsen noch in weiter Ferne liegt.

DIE US-ZINSSTRUKTURKURVE IM VISIER

Die erste und entscheidende Frage betrifft die Zinsstrukturkurve der Anleihemärkte, vor allem das Zinsgefälle zwischen kurz- und langlaufenden Zinsen. Wenn die Märkte eine Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und anhaltender Inflation erwarten, führen kurzfristige Zinsen (aufgrund der erwarteten Inflation) zu höheren Renditen als langfristige Zinsen (aufgrund der erwarteten Wirtschaftsstagnation oder eines Konjunkturrückgangs). Dies war die Hauptursache für die Inversion der US-amerikanischen Zinsstrukturkurve über 2 bis 10 Jahre (allgemein als 2s10s-Kurve bekannt), die bereits seit über einem Jahr in diesem Zustand verharrt und die längste Inversion seit 1981 darstellt. Die jüngsten Daten weisen jedoch darauf hin, dass die US-Wirtschaft trotz einer leichten Lockerung der starren Arbeitsmarktbedingungen weiterhin robust wächst. Das könnte als Hinweis auf ein Ende der langen Inversion sein.

CHINA UND EUROPA IM ABSEITS

Andere führende Wirtschaftsblöcke, wie China und die Europäische Union, haben hingegen keine positiven Nachrichten geliefert. China kämpft mit dem anhaltenden Druck auf den Renminbi und die chinesische Zentralbank steuert den Wert ihrer nicht frei handelbaren Währung durch geringfügige Interventionen. Die Europäische Union und insbesondere Deutschland befinden sich aktuell in einer Phase stagnierender Wirtschaft. Deutschland wird inzwischen oft als der „kranke Mann Europas“ bezeichnet, was Großbritannien erfreut. 

BULLEN, BÄREN UND DIE MACHT VON QUALITY GROWTH AKTIEN

Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Entwicklung der US-Anleihezinsen, so sehen wir, dass aktuell zwei Szenarien möglich sind: Zunächst der „Bear Steepener“. Dieser entstünde durch die Kombination aus vermehrten Emissionen von US-Staatsanleihen und der realistischen Erwartung, dass der Markt der künstlichen Intelligenz das US-Wirtschaftswachstum wieder ankurbelt. Das hat die Renditen für langfristige Anleihen enorm steigen lassen. Diese Entwicklung hat bereits zu Verunsicherung bei den Aktien-Anlegern geführt. Gewinnspannen der US-Unternehmen werden durch diese Entwicklung ebenfalls nicht begünstigt, da sie in den letzten Jahren ihre Kreditlaufzeiten trotz steigender Ölpreise verlängert haben.

Beim „Bull Steepener“ ist davon auszugehen, dass der starke Anstieg der Anleiherenditen das Risiko einer künftigen Konjunkturschwäche und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erhöht. Dadurch entstehen keine neuen Arbeitsplätze und die Anleiherenditen über alle Laufzeiten hinweg sinken. Dabei werden die kürzeren Laufzeiten stärker und schneller zurückgehen als die längeren. Schließlich wird sich die Zinsstrukturkurve normalisieren.

Es ist unmöglich vorherzusagen, welches der beiden Szenarien eintreten wird. In jedem Fall werden multinationalen Qualitäts-Wachstumsunternehmen unter den gleichen Bedingungen keine Margenverluste erleiden, zumindest nicht aufgrund der Entwicklung der Renditen oder ihrer Umkehr. Obwohl die Volatilität der Aktienkurse solche Unternehmen negativ beeinflussen kann, bleibt die Volatilität der zugrunde liegenden Gewinne weit entfernt von den Unsicherheiten auf den Anleihemärkten.

Und darauf kommt es letztendlich an. 

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KI IM FOKUS FÜR QUALITY GROWTH-INVESTOREN

Quality Growth-Anleger stehen oft vor der Wahl zwischen Wachstum und Substanz. Während Wachstumsaktien in optimistischen Phasen gut abschneiden, zeigen Substanzwerte in anderen Zeiten Stärke. 2020 dominierten Wachstumsfonds, 2022 waren es Substanzfonds. Quality Growth-Investoren bleiben unbeirrt und lassen sich nicht von kurzfristigen Trends leiten.

Unsicherheit ist in den Märkten eine Konstante, wodurch Volatilität gefördert wird. Seilern Investment Management hält an seiner langfristigen Strategie fest, beobachtet dabei jedoch das komplexe Marktumfeld genau. Technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz (KI) tragen zur Unsicherheit auf den Märkten bei.

KI ist aktuell in aller Munde. Noch vor kurzer Zeit skeptisch betrachtet, hat sich diese Haltung mit Entwicklungen wie GPT-3 und ChatGPT rasch geändert. KI entwickelt sich rasant, wird als revolutionär betrachtet und kann auf viele Lebensbereiche Auswirkungen haben.

Der schnelle KI-Fortschritt birgt jedoch auch Risiken. Die Unvorhersehbarkeit der Entwicklung erinnert an die Dotcom-Blase der 90er Jahre. Es ist schwer vorherzusagen, wer die Gewinner und Verlierer der KI sein werden. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass frei zugängliche Quelltexte geistiges Eigentum wertlos machen könnten.

Breite Prognosen über Wirtschaftssektoren sind schwerer festzumachen als Prognosen für Einzelunternehmen. Die Qualität des Konzepts und der Erfolg auf dem Markt können stark voneinander abweichen. Investoren sollten sich bewusst sein, dass die KI-Landschaft sich schnell ändern wird, und unklar ist, wer am Ende die Profiteure sein werden.

Die KI steckt noch in den Anfängen. Experten können das Gesamtbild beurteilen, aber für konkrete Investitionen gibt es aktuell zu viele Unsicherheitsfaktoren. Quality Growth-Anleger sollten langfristig denken und sich der Unvorhersehbarkeit bewusst sein. KI ist ein bewegliches Ziel, gleichzeitig ist in Zusammenhang mit ihr Risikotoleranz erforderlich, die nicht immer mit den Prinzipien des Quality Growth-Ansatzes vereinbar ist.

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Michael Stadlinger
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