50. Wiener Gemeinderat (2)

Fragestunde

Die vierte Anfrage richtete sich an Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS). GR Markus Ornig, MBA (NEOS) wollte wissen, warum die angekündigte Fachstelle Demokratie in der Wiener Jugendarbeit notwendig sei. Wiederkehr meinte, diese Fachstelle brauche es in Wien dringend, weil es aufgrund von globalen Konflikten zu Häufungen von Auseinandersetzungen kommt. Das Problem sei vor allem bei Jugendlichen virulent, die eine negative Einstellung zur Demokratie mitbrächten. Bereits die Arbeit an Schulen sei notwendig, um den Kindern und Jugendlichen eine demokratische Grundhaltung zu vermitteln, etwa mit dem eigenen Schulfach „Demokratie“. Mit der außerschulischen Jugendarbeit sollen Jugendliche in ihrer Freizeit erreicht werden. Die Fachstelle verstehe sich als primäre Anlaufstelle, um bereits im Vorfeld eine Einstellung zur Demokratie zu vermitteln, und nicht als sekundäre oder tertiäre wie etwa der Verfassungsschutz. Seit dem Terrorakt der Hamas im Oktober haben antisemitische Vorfälle in Wien stark zugenommen, so Wiederkehr. Die Fachstelle solle Jugendliche vor extremistischem Gedankengut mittels Aufklärungsarbeit und Schulungen – auch im digitalen Raum – schützen. Die Wiener Jugendarbeit im öffentlichen Raum und in den Wiener Jugendzentren habe einen direkten Draht zu den Jugendlichen und könne frühzeitig eingreifen. Die Förderung demokratischer Teilhabe sei ein wichtiger Beitrag für eine liberale Demokratie, demokratische Grundhaltungen wie zum Beispiel Toleranz sollen frühzeitig vermittelt werden. Die fünf konkreten Aufgabenbereiche der Fachstelle: Expertise und Beratung für Einrichtungen der Jugendarbeit; Workshops und Weiterbildungen für Einrichtungen der Jugendarbeit; Bereitstellen von Materialen zu aktuellen Anlässen, aber auch das Bereitstellen von grundsätzlichen Unterlagen; Forschung, um einen Überblick über die Beweggründe und aktuelle Entwicklungen zu bekommen; die Vernetzung der Fachstelle mit anderen Institutionen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, zählte Wiederkehr auf.

In der fünften Anfrage thematisierte GR Kilian Stark (GRÜNE) das Stadtteilentwicklungskonzept Mitte 15 für Rudolfsheim-Fünfhaus. Stark fragte Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ), warum für die Bebauung am Westbahnareal keine Stadtklimaanalyse erstellt wurde, um damit sicherzustellen, dass die Stadtteilentwicklung zu keinen negativen Einflüssen des Stadtklimas im Entwicklungsgebiet und anderen Teilen der Stadt führe. Sima antwortete, das Ziel im Projektgebiet sei die Entwicklung des Bestandes und ein zukunftsfähiges Areal für die derzeit mehr als 21.000 Bewohner*innen zu schaffen. Die vorhandenen Gleise würden wie ein Keil im Areal wirken, was die Nutzung erschwere. Sehr gut sei hingegen die Anbindung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die ÖBB setze derzeit wichtige Infrastrukturobjekte in der ganzen Stadt wie zum Beispiel die Verbindungsbahn um, sage aber auch klar, dass der Westbahnhof in Zukunft weiter in Betreib bleiben werde. Im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan seien in dem schmalen Abschnitt zwischen Felberstraße und Gleiskeil fünf Hektar Bauland und zwei Hektar Grünland vorgesehen. In der Stadtentwicklungskommission sei der Beschluss gefasst worden, dass fünf Hektar als Landschaftspark vorgesehen sind und ein Hektar verbaut werden könnten. Die Verbauung würde rund um die Parkgarage beim Westbahnhof und Schmelzbrücke stattfinden. Derzeit werde das Stadtteilentwicklungskonzept „auf den Weg gebracht“, dann das städtebauliche und freiraumplanerische Leitbild verbunden mit vertiefenden Untersuchungen sowie der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan erstellt. Erst dann sei eine Mikroklimaanalyse sinnvoll, so Sima. Solange die Details noch nicht feststehen würden, wäre wohl auch die Aussage einer Untersuchung nicht sehr konkret, vermutete Sima. Auch in der Vergangenheit seien solche Untersuchungen erst dann durchgeführt worden, wenn die konkreten Planungen fixiert worden seien.

AKTUELLE STUNDE

Im Anschluss an die Fragestunde wurde das Thema der Aktuelle Stunde debattiert. Es lautete: „Vorrang für den sozialen Wohnbau“ und wurde vom Grünen Rathausklub eingebracht.

GR Georg Prack, BA (GRÜNE) sagte über den sozialen Wohnbau, dass der freie Markt den notwendigen, leistbaren Wohnraum nicht schaffen könne, deshalb müsse der soziale Wohnbau bei Bodenpolitik, bei der Widmung und bei der Förderung durchgehend Vorrang haben. Der Bodenpreis sei der wichtigste Preistreiber in den letzten Jahrzehnten gewesen, deshalb sei die Einführung der Widmungskategorie geförderter Wohnbau 2018 so wichtig gewesen. Dadurch werde festgelegt, dass zwei Drittel von Bauprojekten in einem Planungsgebiet sozialer Wohnbau sein müssen. Die Wiener Stadtregierung verzichte aber auf sozialen Wohnbau zugunsten privater Investor*innen, so Pracks Vorwurf. Die Entwicklung einer Siedlung in der Werndlgasse in Floridsdorf werde von privaten Investoren durchgeführt, „die sich dort offensichtlich verspekuliert haben“, meinte Prack. Der Investor habe nicht damit gerechnet, dass die öffentliche Hand bei den Bodenpreisen eingreifen würde. Der Versuch, die Stadt Wien von der Anwendung der Widmungskategorie geförderter Wohnbau abzubringen, sei gescheitert – vorerst. Denn heute werde im Gemeinderat über einen Flächenwidmungsplan abgestimmt, in dem die Widmungskategorie nicht mehr angewendet werden muss. „Diesen Vorrang für private Interessen halte ich für skandalös“, so Prack. Der Vorrang für den sozialen Wohnbau habe der Investorenhörigkeit Platz gemacht, wiederholte er. „Stadtplanung ist kein Wunschkonzert der Investoren. Die Stadt Wien hat ohne Not zugestanden, dass kein sozialer Wohnbau entsteht“, meinte Prack. Anscheinend bestehe im Planungsressort Desinteresse an der Durchsetzung von sozialem Wohnbau, so die Vermutung. 2020 sei Vorsorge für zirka 42.000 Wohnungen getroffen worden, diese Zahl sei dann auf 27.000 gesenkt worden. Dadurch werde es in drei bis vier Jahren zu „massiver Wohnraumverknappung“ kommen, ein Reparieren dieses Zustands dauere viele Jahre. Vorrang für den sozialen Wohnbau würde auch die zweckmäßige Verwendung der Wohnbauförderung bedeuten. Wien habe dadurch in den Jahren 2020 bis 2022 im Durchschnitt 600 Millionen Euro eingenommen, im Schnitt 390 Millionen Euro für Wohnbauförderung ausgegeben, der Rest fließe ins allgemeine Budget. „Dass Wien im sozialen Wohnbau wieder Spitze wird, ist nicht schwer, man muss nur die Planungsgrundlagen einhalten, dem sozialen Wohnbau Vorrang geben und die Wohnbauförderung an gemeinnützige Bauträger vergeben“, verlangte Prack abschließend.

GR Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ) zeigte sich ebenfalls über das Verhalten der Stadtregierung bei der von seinem direkten Vorredner genannten Liegenschaft verwundert. Es sei Aufgabe der Kommune und des Gemeinderates die Vorgaben im Bereich des Wohnbaus zu finden, die für das öffentliche Interesse notwendig seien. Der Druck auf den sozialen Wohnbau sei sehr groß, es sei natürlich die Aufgabe der Stadt Wien, entsprechende Lösungen zu finden, obwohl nicht alle Probleme mit sozialem Wohnbau gelöst werden könnten, meinte Kowarik. Allein im Jahr 2022 seien 50.000 Menschen durch Zuzug nach Wien gekommen – diese Menschen würden natürlich Wohnraum benötigen. „Können und wollen wir diesen Zuzug steuern?“, stellte Kowarik die Frage in den Raum. Der Druck am Wohnungsmarkt sei enorm, zusätzlich sei die Bauwirtschaft eingebrochen und der soziale Wohnbau in Wien würde den Anforderungen hinterherhinken, sagte Kowarik.

GRin Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS) es gehe beim Thema nicht nur um die Gestaltung der Wohnumgebung, sondern ebenfalls um die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt. Der herkömmliche Ansatz solle ihrer Ansicht nach hinterfragt werden, denn es gehe um die Schaffung von Wohnraum durch Neubauten, Wiederaufbau, Erweiterungen oder Sanierungen bestehender Gebäude. Wichtig seien dabei die Aspekte niedriger Energieverbrauch, Ressourcenschonung, Barrierefreiheit und der Umgang mit dem Bodenverbrauch. Deshalb sei ein Nachdenken über die Erweiterung des Begriffs sozialer Wohnbau notwendig, schlug Arapovic vor. Sanierungen, Dekarbonisierung, Nachverdichtung und die nachträgliche Herstellung von Barrierefreiheit seien ein wesentlicher Bestandteil des sozial verträglichen Wohnbaus. In Wien wurde bereits die Neubauverordnung und die Dekarbonisierungsverordnung beschlossen, was leistbaren Wohnraum in der Stadt ermögliche. Die volle Wirkungskraft der bestehenden Wiener Förderungen könnte sich erst entfalten, wenn die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen durch den Bund geschaffen würden.

GR Dr. Peter Sittler (ÖVP) meinte, der soziale Wohnbau sei wichtig und notwendig, aber es werde zu wenig gebaut. Die Widmungskategorie geförderter Wohnbau trete bei Bauprojekten von mehr als 5.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche in Kraft, dann müssten zwei Drittel der Fläche für den geförderten Wohnbau gewidmet werden. Diese Regelung sei aber nicht verbindlich, sondern nur im „Regelfall“, und der sei individuell auslegbar, so Sittler. Eine Studie der Arbeiterkammer Wien würde zeigen, dass die gemeinnützigen Wohnbauträger „natürlich“ für die Zwei-Drittel-Lösung seien, aber leistbarer Wohnraum könne auch mit Mietzinsobergrenzen geschaffen werden. Konsequenzen dieser Widmungskategorie seien nicht absehbar, etwa das Horten von Grundstücken. Es könnten also Fehler passieren, aber die Effekte der Widmung würden nicht valorisiert werden. Damit sei die Information als Grundlage für kommende Planungen nicht vorhanden; eine Valorisierung für Verbesserungen und Optimierungen sei absolut notwendig, appellierte Sittler in Richtung Stadtregierung.

(Forts.) nic

Rathauskorrespondenz
Stadt Wien – Kommunikation und Medien, Diensthabende*r Redakteur*in
Service für Journalist*innen, Stadtredaktion
01 4000-81081
dr@ma53.wien.gv.at
presse.wien.gv.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender