Parlament: TOP im Nationalrat am 28. Februar 2024
Apothekengesetz, Aufwertung von Hausärzt:innen, Gewinnabschöpfung bei Energiekonzernen, Bildungsbonus, Kirchenabsetzbetrag, Volksbegehren
Gesetzesvorlagen aus dem Gesundheits-, dem Sozial- und dem Finanzbereich stehen im Mittelpunkt der Nationalratssitzung am 28. Februar. So werden die Abgeordneten etwa über eine Novellierung des Apothekengesetzes mit mehr Kompetenzen für Apotheken, die Neuregelung der Ausbildung von Hausärzt:innen, die Erweiterung der Berufskrankheitenliste und die Gewährung von Zuschüssen für Medikamente zur HIV-Prophylaxe beraten. Außerdem ist geplant, künftig auch Sozialhilfebezieher:innen, die an längeren AMS-Schulungsmaßnahmen teilnehmen, einen Bildungsbonus zu gewähren, die Regelungen über die kostenlose COVID-19-Impfung in Arztpraxen vorerst bis Ende August zu verlängern und Maßnahmen zur besseren Bekämpfung von Tierseuchen zu setzen. Einige Verbesserungen für Beschäftigte bringt die Umsetzung einer EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen.
Im Finanzbereich sind unter anderem die Erhöhung des Absetzbetrags für die Kirchensteuer von 400 € auf 600 € und eine Verlängerung der Gewinnabschöpfung bei Energiekonzernen in Aussicht genommen. Außerdem wird der steuerliche Freibetrag für sonstige Bezüge wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld temporär angehoben, um einen Gleichklang mit dem allgemeinen Steuerfreibetrag zu erwirken. Am Beginn der Sitzung wird der Nationalrat darüber hinaus abschließend über sechs Volksbegehren beraten, deren Forderungen von einer Bekräftigung der Neutralität Österreichs über eine bessere Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln bis hin zur Live-Übertragung von U-Ausschüssen reichen.
AKTUELLE STUNDE
Die Sitzung startet um 9.00 Uhr mit einer Aktuellen Stunde. Die Themenauswahl kommt den Grünen zu.
VOLKSBEGEHREN „NEUTRALITÄT ÖSTERREICHS JA“
Den Auftakt bei den Volksbegehren macht eine von exakt 116.832 Bürger:innnen unterzeichnete Initiative, deren zentrales Anliegen die Bekräftigung der immerwährenden Neutralität Österreichs ist. Österreich soll demnach abermals erklären, dass es „in aller Zukunft“ keinem militärischen Bündnis beitritt und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Staatsgebiet nicht zulässt. Zudem fordern die Proponenten ein weiteres entsprechendes Verfassungsgesetz. Im Landesverteidigungsausschuss sprachen sich die zu einem Hearing geladenen Experten gegen eine neuerliche und idente Verankerung der Neutralität in der Verfassung aus. Dies sei legistisch nicht üblich. Unter den Abgeordneten herrschte fraktionsübergreifende Einigkeit darüber, dass die Neutralität erhalten werden müsse. Unterschiedliche Auffassungen herrschten jedoch bezüglich ihrer Ausgestaltung.
„ANTI-GENDERN-VOLKSBEGEHREN“
Personen, die keine geschlechtergerechte Sprache verwenden, sollen weder im Berufsleben noch im Bildungsbereich Nachteile erfahren, fordern die Unterzeichner:innen des „Anti-gendern-Volksbegehrens“, das im Gleichbehandlungsausschuss im Rahmen eines öffentlichen Hearings diskutiert wurde. Es müsse jedem selbst überlassen bleiben, ob er oder sie gendere oder nicht, sei es in Ämtern, an Hochschulen, in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen, betonen die Initiatoren des Volksbegehrens Stefan und Clemens Grünberger. Unterzeichnet wurde das Volksbegehren von 154.102 Personen. Die Expertinnen im Hearing sprachen sich auf der einen Seite dezidiert für genderinklusives Formulieren, auf der anderen Seite etwa für die Verwendung neutraler geschlechtsübergreifender Formulierungen aus.
VOLKSBEGEHREN „ASYLSTRAFTÄTER SOFORT ABSCHIEBEN“
Personen, die in Österreich Asyl in Anspruch nehmen und straffällig werden, sollten „unverzüglich ohne Wenn und Aber in ihre Heimat abgeschoben werden“. So lautet die zentrale Forderung des von 197.151 Personen unterstützten Volksbegehrens „Asylstraftäter sofort abschieben“, über das die Abgeordneten ebenfalls abschließend diskutieren werden. Initiiert wurde das Volksbegehren vom FPÖ-Politiker und Zweiten Präsidenten des niederösterreichischen Landtags Gottfried Waldhäusl. Anlässlich eines Expertenhearings im Innenausschuss drängte die FPÖ auf eine rasche Umsetzung der Forderungen. Laut SPÖ müssten die Sorgen der Bevölkerung ernst genommen werden, wenngleich es keine einfachen Lösungen gebe. Die NEOS orteten eine falsche Prioritätensetzung bei Abschiebungen. Die ÖVP wiederum sah eine konsequente Vorgangsweise bei Außerlandesbringungen gewährleistet. Eine Abgrenzung von rechtsextremen Plänen forderten die Grünen, weshalb sie sich nicht an der Debatte im Ausschuss beteiligten und keine Fragen an die Experten stellten.
VOLKSBEGEHREN „UMSETZUNG DER LEBENSMITTELHERKUNFTSKENNZEICHNUNG!“
Die sofortige und umfassende Einführung einer Lebensmittelherkunftskennzeichnung wird in einem von 149.891 Österreicher:innen unterstützten Volksbegehren gefordert. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie zum Erhalt regionaler Arbeitsplätze und der Wertschöpfung erreicht werden, heißt es in der vom ehemaligen Abgeordneten Leopold Steinbichler gestarteten Initiative. Zudem erwarten sich die Unterzeichner:innen dadurch weniger Lebendtiertransporte. Heimische und regional erzeugte Lebensmittel seien als Grundrecht in der Verfassung zu verankern und würden deren Verfügbarkeit absichern, so die Initiator:innen des Volksbegehrens. Der Wirtschaftsausschuss hat zu den Forderungen bereits im Jänner ein Expert:innenhearing abgehalten.
VOLKSBEGEHREN „UNTERSUCHUNGSAUSSCHÜSSE LIVE ÜBERTRAGEN“
Durch zwei gerade anlaufende U-Ausschüsse eine besondere Aktualität bekommen hat ein Volksbegehren, das sich für eine Liveübertragung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse einsetzt und von 102.755 Österreicher:innen unterzeichnet wurde. Im Sinne der Transparenz müsse es der Bevölkerung ermöglicht werden, zumindest medienöffentliche Sitzungen mittels Direktübertragung in Bild und Ton zu verfolgen, fordern die Initiator:innen, wobei es ihnen vor allem um die Befragung von Auskunftspersonen öffentlichen Interesses geht.
Im Zuge der Ausschussberatungen sprachen sich zwar alle Fraktionen für eine Umsetzung des Anliegens aus, entsprechende Beschlüsse sind in der Sitzung aber nicht zu erwarten. Die Verhandlungen zwischen den Parteien dauern den Abgeordneten zufolge noch an, wobei sich die Diskussion vorrangig um die Frage dreht, wer darüber entscheiden soll, bei welchen Auskunftspersonen es sich um eine öffentlich exponierte Persönlichkeit handelt.
VOLKSBEGEHREN „LEBENSMITTELRETTUNG STATT LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG“
Eine gesetzliche Regelung zur Bekämpfung von Lebensmittelabfällen fordern die 203.831 Unterstützer:innen des Volksbegehrens „Lebensmittelrettung statt Lebensmittelverschwendung“, zu dem im Wirtschaftsausschuss ebenso bereits im Jänner ein Expert:innenhearing stattgefunden hat. Konkret sollen Lebensmittelunternehmen sowie Supermärkte mit mehr als 400 m2 Verkaufsfläche verpflichtet werden, nicht mehr verkaufsfähige aber noch genießbare Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen oder direkt an Bedürftige zu spenden bzw. diese bei Eignung auch als Tierfutter zu verwerten. Als Vorbilder für die Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung werden etwa Länder wie Frankreich, Italien und Tschechien genannt. Initiiert wurde dieses Volksbegehren wie auch das Volksbegehren betreffend Liveübertragung von Untersuchungsausschüssen von Lukas Papula.
FRAUENGESUNDHEITSBERICHT 2022
Obwohl mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung Frauen sind, sind klassische Gesundheitsberichte in der Regel noch immer vorrangig an Männern orientiert. Auf diese Problematik reagiert der Frauengesundheitsbericht 2022, mit dem nach mehr als zehn Jahren erstmals wieder eine umfassende Übersicht zur gesundheitlichen Lage von Frauen und Mädchen vorliegt. Basierend auf einer umfassenden Literatur- und Datenrecherche deckt der Bericht ein breites Spektrum an Themen ab, die von Körper- und Selbstbildern von Mädchen und Frauen über Menstruationsgesundheit bis hin zur gynäkologischen Versorgung reichen. Auch sexuelle Gesundheit, reproduktive Selbstbestimmung, psychische Gesundheit sowie die gesundheitlichen Auswirkungen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen werden angesprochen.
Konkret zeigt der Bericht unter anderem auf, dass Frauen von ihren durchschnittlich 84 Lebensjahren etwa 20 in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit verbringen, wobei gynäkologische Erkrankungen bedeutend zur Krankheitslast beitragen. Auch sind Frauen deutlich häufiger als Männer von Depressionen und Demenz betroffen. Zu zahlreichen frauenspezifischen Gesundheitsfragen liegen aber nach wie vor keine repräsentativen Daten für Österreich vor. Zum Bericht wurde im Gesundheitsausschuss ein Expert:innenhearing abgehalten und dieser danach ohne die Stimmen der FPÖ zur Kenntnis genommen.
AUFWERTUNG VON HAUSÄRZT:INNEN DURCH NEUE FACHARZTAUSBILDUNG
Mit dem von ÖVP und Grünen vorgelegten Gesetzesantrag soll die rechtliche Grundlage für die Einführung eines Facharztes bzw. einer Fachärztin für Allgemeinmedizin und Familienmedizin geschaffen werden. Ziel des Vorhabens ist es, Hausärzt:innen aufzuwerten und Hausarztpraxen attraktiver zu machen. Vorgesehen ist eine insgesamt fünfjährige Fachausbildung mit einem umfangreichen Praxisteil.
Der Facharzt bzw. die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Familienmedizin soll die erste Anlaufstelle für sämtliche gesundheitliche Anliegen sein, entsprechend breit ist das Aufgabengebiet gefächert. So sollen die Mediziner:innen im Rahmen ihrer Fachausbildung auch Einblick in andere Fächer wie etwa innere Medizin oder Kinder- und Jugendheilkunde erhalten. Startzeitpunkt für die neue Ausbildung ist laut Gesetzentwurf der 1. Juni 2026 – wer sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Ausbildung befindet, soll diese entweder nach dem derzeit geltenden Recht abschließen oder in die neue fachärztliche Ausbildung übertreten können.
Die Gesetzesnovelle erhielt im Gesundheitsausschuss die Zustimmung aller Fraktionen. Sie enthält überdies eine langfristige Lösung für die Anerkennung der Berufsausbildung von Ärzt:innen, die aus der Ukraine bzw. anderen Krisengebieten nach Österreich geflüchtet sind.
ANWESENHEIT VON ÄRZT:INNEN IN MEDIZINISCH-THERAPEUTISCHEN AMBULATORIEN
Ebenfalls einstimmig hat der Gesundheitsausschuss eine von den Koalitionsparteien beantragte Änderung des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes an das Plenum weitergeleitet. Demnach wird in selbstständigen Ambulatorien, deren Leistungsangebot sich in der Regel auf die Erbringung therapeutischer Leistungen durch freiberuflich ausgeübte nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wie Logopädie, Ergotherapie, physikalischen Therapie oder Psychotherapie beschränkt, künftig keine dauerhafte Anwesenheit eines Arztes oder einer Ärztin mehr erforderlich sein. Bisher galt diese Ausnahmeregelung nur für den Bereich der physikalischen Therapie.
FINANZIELLE ABGELTUNG FÜR COVID-19-TESTS
Ärzt:innen, die Corona-Tests bei Patient:innen mit einschlägigen Symptomen durchführen, erhalten dafür derzeit ein Honorar von 25 €. Eine entsprechende Bestimmung im ASVG und in anderen Sozialversicherungsgesetzen wurde Ende vergangenen Jahres bis zum 31. März 2024 verlängert. Nun soll diese Verlängerung – rückwirkend mit 1. Jänner – auch im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz nachvollzogen werden. Ähnliches gilt für das Sonderhonorar von 15 € für die Abgabe von COVID-19-Medikamenten durch Apotheken, das nun auch im Bereich der Beamten-Krankenversicherung bis Ende Jänner 2024 ausgezahlt wird. Im Gesundheitsausschuss lehnten SPÖ und NEOS den Gesetzentwurf der Koalitionsparteien ab, wobei die SPÖ das „Flickwerk“ bei den gesetzlichen Bestimmungen kritisierte.
VIER NEUE BERUFSKRANKHEITEN
Im gleichen Diskussionsblock mitverhandelt wird eine von den Koalitionsparteien beantragte ASVG-Novelle. Sie sieht vor, die Berufskrankheitenliste um vier neue Berufskrankheiten zu erweitern und die Liste insgesamt übersichtlicher zu gestalten. Konkret geht es dabei um das Hypothenar- bzw. Thenar-Hammersyndrom (eine Gefäßschädigung der Hand, die durch schlagartige Bewegungen verursacht wird und beispielsweise bei Handwerker:innen auftritt), um fokale Dystonien bei Instrumentalmusiker:innen (eine neurologische Erkrankung, die zu Muskelkrämpfen bzw. Bewegungsstörungen führt), das Plattenepithelkarzinom und aktinische Keratosen (eine Form von Hautkrebs bzw. dessen Vorstufe) durch UV-Exposition und um Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) nach Asbest-Kontakt. Gleichzeitig werden Erkrankungen durch Thomasschlackemehl mangels praktischer Relevanz aus der Liste gestrichen. Damit umfasst diese künftig insgesamt 73 Krankheiten, die von Staublungenerkrankungen über durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit bis hin zu Erkrankungen durch bestimmte chemische Stoffe wie Benzol reichen. Übergangsbestimmungen stellen sicher, dass auch Personen, die vor dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes im März 2024 an einer der neu aufgenommenen Berufskrankheiten erkrankt sind, künftig Leistungen der Unfallversicherung erhalten.
Im Gesundheitsausschuss stimmten die Abgeordneten einhellig für den Gesetzentwurf, auch wenn sich die SPÖ eine wesentlich umfangreichere Erweiterung der Berufskrankheitenliste gewünscht hätte, etwa was die Einbeziehung von Long Covid betrifft. Sie konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen.
MEHR KOMPETENZEN FÜR APOTHEKEN UND LÄNGERE ÖFFNUNGSZEITEN
Ziel einer Novelle des Apothekengesetzes ist es, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zu verbessern. So sollen Apotheken künftig bis zu 72 Stunden pro Woche – statt wie bisher 48 Stunden – offenhalten dürfen, und zwar werktags zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr und samstags zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr. Außerdem wird es ihnen gestattet, in ländlichen Regionen Abgabestellen für Medikamente mit eingeschränktem Angebot und eingeschränkten Öffnungszeiten – zum Beispiel für einen halben Tag pro Woche – einzurichten. Voraussetzung dafür ist, dass es im Ort keine Versorgung durch eine andere Apotheke oder eine hausärztliche Apotheke gibt. Ebenso wird die Gründung von Filialen erleichtert. Auch einfache Gesundheitstests wie Blutzuckermessungen oder Analysen von Harnproben dürfen Apotheken in Hinkunft laut Entwurf anbieten und zu diesem Zweck etwa Blut aus der Fingerkuppe entnehmen. Für neue Apotheken-Konzessionen soll eine Altersgrenze eingezogen werden.
Dem Gesetzentwurf der Koalitionsparteien stimmte im Gesundheitsausschuss auch die Opposition zu, wiewohl sie es bedauerte, dass es weiterhin nicht möglich sein wird, sich in Apotheken impfen zu lassen.
5 MIO. € FÜR MEDIKAMENTE ZUR HIV-PROPHYLAXE
Zur Eindämmung von HIV-Infektionen will der Bund künftig 5 Mio. € pro Jahr zur Verfügung stellen. Demnach sollen alle krankenversicherten Personen, die antivirale Medikamente zur Prävention einer HIV-Infektion erwerben, ab 1. April 2024 einen Zuschuss in Höhe der tatsächlichen Kosten, maximal aber 60 €, erhalten. Außerdem ist geplant, dafür nötige ärztliche Beratungsgespräche mit 25 € pro Quartal zu unterstützen. Durch die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) könne das HIV-Ansteckungsrisiko um 99 % gesenkt werden, machten die Grünen im Ausschuss geltend.
Geregelt werden die Zuschüsse in einer Novelle zum Gesundheitsreformmaßnahmen-Finanzierungsgesetz, die im Gesundheitsausschuss über die Antragsteller ÖVP und Grüne hinaus auch die Zustimmung der SPÖ erhielt. Damit ist laut Grünen vorerst eine Finanzierung bis 2026 gesichert. Ergänzend dazu haben die Abgeordneten mit breiter Mehrheit einen Entschließungsantrag angenommen, der lediglich von der FPÖ nicht mitgetragen wurde.
VERHINDERUNG DER AUSBREITUNG VON TIERSEUCHEN
Die vom Gesundheitsausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS angenommene Veterinärrechtsnovelle 2024 zielt insbesondere darauf ab, das österreichische Tiergesundheitsrecht an das „Animal Health Law“ (AHL) der EU anzupassen bzw. flankierende Maßnahmen zur direkt wirkenden EU-Verordnung zu setzen. Dabei geht es insbesondere darum, die Ausbreitung von Tierseuchen zu verhindern und die Tiergesundheit zu verbessern.
Kernstück des Gesetzespakets ist ein neues Tiergesundheitsgesetz, in dem bisher in verschiedenen Gesetzen verstreute Seuchenbekämpfungsmaßnahmen gebündelt werden. Gleichzeitig werden neue Möglichkeiten der Seuchenbekämpfung wie ein Verbot der Ernteeinholung geschaffen und die sachlichen Behördenzuständigkeiten neu strukturiert. Präventive Vorschriften zur Erhaltung der Tiergesundheit können künftig nicht nur für gewerbliche Betriebe oder im Wildtierbestand, sondern auch für nicht gewerbliche Tierhaltungen angeordnet werden. Außerdem enthält das Gesetz Entschädigungsregelungen für getötete oder verendete Tiere und für Erwerbsbehinderungen sowie nähere Bestimmungen für die Ausstellung von Heimtierausweisen und für die Einrichtung eines Dachverbands „Tiergesundheit Österreich“. In Kraft treten soll das Gesetzespaket mit 1. Juli 2024, wobei für einzelne Bestimmungen die Zustimmung der Länder erforderlich ist. Gleichzeitig werden das Tierseuchengesetz und das Bienenseuchengesetz aufgehoben.
Im Ausschuss waren sich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS einig, dass eine Modernisierung der geltenden Bestimmungen überfällig ist. Lediglich die FPÖ stimmte gegen das Vorhaben.
SCHUTZ VON BERUFSBEZEICHNUNGEN IM BEREICH DER SOZIALARBEIT
Mit dem Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 wollen die Regierungsparteien Berufsbezeichnungen im Bereich der Sozialarbeit gesetzlich schützen. Nur wer eine einschlägige akademische Ausbildung oder eine Diplom-Ausbildung hat, soll sich künftig „Sozialarbeiterin“ bzw. „Sozialarbeiter“ oder „Sozialpädagogin“ bzw. „Sozialpädagoge“ nennen dürfen. Wer das ignoriert und die betreffenden Berufsbezeichnungen unbefugt verwendet oder eine einschlägige Ausbildung vortäuscht, riskiert eine Verwaltungsstrafe von bis zu 15.000 €. Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen würden mit besonders vulnerablen Gruppen arbeiten, daher brauche es präzise gesetzliche Regelungen, begründen ÖVP und Grüne den Vorstoß.
Im Sozialausschuss stimmten nur die NEOS gegen den Gesetzentwurf. Ihrer Meinung nach bringt der Bezeichnungsschutz für die betroffenen Berufsgruppen keinen Mehrwert, vielmehr könnte er sogar einen negativen Einfluss auf potentielle Quereinsteiger:innen haben.
BILDUNGSBONUS FÜR SOZIALHILFEBEZIEHER:INNEN
Die von ÖVP und Grünen beantragte Novellierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes sieht vor, künftig auch Sozialhilfebezieher:innen einen Bildungsbonus zu gewähren, wenn sie an längeren Schulungsmaßnahmen des AMS teilnehmen. Angelehnt an eine ähnliche Regelung für Bezieher:innen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist demnach ein monatlicher Zuschlag zur Sozialhilfe in der Höhe von 136,2 € in Aussicht genommen, wenn die Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahme länger als vier Monate dauert. Bei mehr als einjährigen Schulungen verdoppelt sich der Bonus auf 272,4 €. Dazu kommt die bereits bestehende AMS-Beihilfe von aktuell 2,49 € pro Tag. Damit sollen höhere Lebenshaltungskosten abgedeckt werden. Zudem sehen die Grünen den Bonus als Anreiz für Fortbildungsmaßnahmen, die letztlich auch die Jobchancen von Sozialhilfebezieher:innen erhöhen und somit langfristig die Sozialhilfebudgets der Länder entlasten sollen. Auch subsidiär Schutzberechtigte, die lediglich Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, sollen vom Schulungszuschlag profitieren.
Kritisch sehen SPÖ und NEOS das Gesetzesvorhaben. Österreich habe im internationalen Vergleich ohnehin bereits eine „großzügige“ Sozialhilfe, da müsse man nicht auch noch einen Bildungszuschuss „drauflegen“, hielten die NEOS im Sozialausschuss fest. Zudem wird ihrer Meinung nach „Nichtarbeit“ dadurch weiter gefördert. Die SPÖ vermisst ein Begutachtungsverfahren und warnte vor „bürokratischen Problemlagen“, da es mit dem AMS und den Ländern zwei Auszahlungsstellen für den Schulungszuschlag geben werde.
NOVELLE ZUM HEIMOPFERRENTENGESETZ
Die von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen gemeinsam initiierte Novellierung des Heimopferrentengesetzes geht auf eine Anregung der FPÖ zurück. Mit dem Gesetzesantrag reagieren die Abgeordneten auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, der es in einem konkreten Fall als zulässig gewertet hat, am Konto liegende Rentennachzahlungen als Vermögen einzustufen und somit einen Antrag auf Mietbeihilfe abzuweisen. Die Abgeordneten sehen dadurch die finanziellen Ansprüche der betroffenen Bezieher:innen beschnitten, zumal Heimopferrenten ausdrücklich nicht als Einkommen im Sinne der Sozialhilfe- bzw. Mindestsicherungsgesetze gelten. Nun soll ergänzend dazu ausdrücklich normiert werden, dass Nachzahlungen von Heimopferrenten und angesparte Rentenbeträge sowie andere Entschädigungsleistungen für Heimopfer im Bereich der Sozialhilfe nicht als Vermögen zu werten sind.
Es sei nicht einzusehen, dass geblockte Zahlungen anders behandelt werden als regelmäßige Leistungen, wurde die Initiative im Sozialausschuss begründet. In diesem Sinn haben ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne auch den dem Gesetzentwurf zugrundeliegenden FPÖ-Entschließungsantrag angenommen. Abgelehnt wurde das Vorhaben im Ausschuss von den NEOS: Sie sprachen sich dagegen aus, sich über nicht genehme höchstgerichtliche Entscheidungen „hinwegzuhanteln“.
ERLEICHTERUNGEN BEI DER FOTOREGISTRIERUNG FÜR DIE E-CARD
Eine von ÖVP und Grünen vorgeschlagene und von den NEOS mitunterstützte ASVG-Novelle zielt darauf ab, die Beibringung eines Fotos für die E-Card vor allem für nichtösterreichische Staatsbürger:innen zu erleichtern. Anders als Österreicher:innen müssen Ausländer:innen derzeit für die Fotoregistrierung in der Regel eine Stelle der Landespolizeidirektion aufsuchen, was laut ÖVP Fahrzeiten von bis zu vier Stunden bedeutet. Ab 1. April sollen nun auch Bürgermeister:innen als Fotoregistrierungsstelle sowohl für österreichische als auch für nichtösterreichische Staatsbürger:innen einspringen können, allerdings auf freiwilliger Basis, wie im Sozialausschuss betont wurde. Davon würden den Grünen zufolge insbesondere 24-Stunden-Betreuer:innen und Saisonarbeiter:innen im Tourismus und in der Landwirtschaft profitieren.
Strikt abgelehnt wird das Vorhaben von der FPÖ. Statt strenger zu kontrollieren, um Missbrauch zu verhindern, würden mit der Ausweitung der Fotoregistrierungsstellen „Schleusen aufgemacht“, beklagten sie im Ausschuss. Auch die SPÖ stimmte dort gegen die Novelle: Sie befürchtet eine zusätzliche Belastung der Gemeinden und sprach sich dafür aus, E-Cards ohne Fotos weiter in Geltung zu lassen.
ANPASSUNG VON ARBEITSGESETZEN AN EU-VORGABEN
Mit den Stimmen der Koalitionsparteien hat der Sozialausschuss ein Gesetzespaket ins Plenum geschickt, das eine Anpassung verschiedener Arbeitsgesetze an eine neue EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen zum Inhalt hat. So werden Arbeitgeber:innen künftig dazu verpflichtet, am Dienstzettel in jedem Fall den Sitz des Unternehmens, eine kurze Beschreibung der Tätigkeit, die Vergütung von Überstunden, die Art der Auszahlung des Lohns, die Dauer und Bedingungen der Probezeit sowie einen Hinweis auf das Kündigungsverfahren anzugeben und den Dienstzettel unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Das gilt auch für freie Dienstverhältnisse, Leiharbeiter:innen, Hausangestellte und Heimarbeiter:innen. Außerdem wird ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung verankert. Aus-, Fort- und Weiterbildungen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften Voraussetzung für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit sind, sind als Arbeitszeit zu werten und vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin zu bezahlen. Normiert werden sollen auch Strafen für die Nichtaushändigung eines Dienstzettels, ein Diskriminierungsverbot und ein Motivkündigungsschutz.
Die SPÖ begründete ihre Ablehnung des Gesetzes im Sozialausschuss unter anderem damit, dass effektive Sanktionen fehlten und die Bestimmungen nur für neue Arbeitsverhältnisse gelten. Zudem werden ihr zufolge Richtlinieninhalte zur Teilzeitbeschäftigung nicht umgesetzt. Die FPÖ ortet insgesamt einen „Pfusch“. Den NEOS ist der neu eingeführte Anspruch auf Begründung einer Kündigung durch den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin ein Dorn im Auge, dadurch würde das Arbeitsverhältnis verbürokratisiert.
Mitverhandelt mit dem Gesetzespaket wird auch eine vom Sozialausschuss auf den Weg gebrachte Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz. Da sich Eltern bzw. Wahleltern für die Begleitung eines schwersterkrankten Kindes seit kurzem auch dann – unter Entfall des Arbeitsentgelts – karenzieren lassen können, wenn sie mit dem Kind nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, soll auch für den im Familienlastenausgleichsgesetz geregelten finanziellen Härteausgleich das Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts entfallen. Für die von ÖVP und Grünen initiierte Novelle stimmten im Sozialausschuss auch SPÖ und FPÖ.
WEITERENTWICKLUNG DES GENDER BUDGETINGS
Das Gender Budgeting, das auf eine tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in der Haushaltsführung abzielt, soll weiterentwickelt werden. Dafür hat sich der Budgetausschuss gegen die Stimmen der FPÖ ausgesprochen. Der gemeinsame Entschließungsantrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS basiert auf einer Forderung der SPÖ, die bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit blieb.
Das österreichische Modell des Gender Budgeting habe internationale Beachtung gefunden, heißt es im Vier-Parteien-Antrag. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre würden sich aber neue Perspektiven ergeben, die im Kontext der allgemeinen Weiterentwicklung des Haushaltsrechts auch zu einer Vertiefung des Gender Budgeting und der damit erzielten Wirkungen führen sollten. So zielt der Antrag beispielsweise auf geschlechtsspezifische Analysen bei wesentlichen Förderungen oder auf die verstärkte Darstellung budgetrelevanter Gleichstellungsmaßnahmen im Bundesvoranschlag ab.
ABSETZBARKEIT DES KIRCHENBEITRAGS BIS 600 €
ÖVP und Grüne wollen mit einem Initiativantrag zum Einkommensteuergesetz die Beitragszahler:innen entlasten und die Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags als Sonderausgabe von bisher 400 € auf 600 € erhöhen. Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften würden – gerade in Krisenzeiten – bedeutend zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zum sozialen Miteinander beitragen, argumentieren die Koalitionsparteien. Aus diesem Grund soll eine weitere steuerliche Anerkennung erfolgen. Die Erhöhung fand im Budgetausschuss die Zustimmung von ÖVP, Grünen und FPÖ und soll bereits ab der Veranlagung für das Jahr 2024 anwendbar sein.
ENERGIEKRISENBEITRÄGE UND PROGRESSIONSABGELTUNG
Ein weiterer Initiativantrag der Koalitionsparteien sieht vor, auch für das Kalenderjahr 2024 Energiekrisenbeiträge von Energiekonzernen einzuheben. Unternehmen aus dem Energiebereich, die von den anhaltend hohen Preisen profitieren, sollen einen fairen Beitrag leisten, so die Begründung. Zudem erwarten sich ÖVP und Grüne von der Verlängerung der im Zuge der Energiekrise eingeführten Gewinnabschöpfung eine Dämpfung der Inflation. Änderungen sind bei der Höhe der Abschöpfung und der Anrechnung von Investitionen vorgesehen. Damit sollen Investitionsanreize gesetzt werden. Dieser Teil des Antrags fand im Budgetausschuss die Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen.
Im selben Initiativantrag haben ÖVP und Grüne eine Änderung des Einkommensteuergesetzes verankert. Damit soll als Nachbesserung zur Progressionsabgeltung 2024 auch die von der Abschaffung der kalten Progression nicht umfasste steuerliche Freigrenze für sonstige Bezüge wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld temporär angehoben werden. Dieser Punkt fand die einhellige Zustimmung des Budgetausschusses. Im Zuge des diesjährigen Progressionsberichts soll laut dem Initiativantrag dann auch eine mögliche unbefristete Regelung der vorerst nur für 2024 vorgesehenen Maßnahme evaluiert werden.
VERLÄNGERUNG DER KOSTENLOSEN COVID-19-IMPFANGEBOTE
Die Bestimmungen für COVID-19-Impfungen im niedergelassenen Bereich sollen bis 31. August 2024 verlängert werden, um ein kontinuierliches Angebot zu gewährleisten. Zudem soll die haushaltsrechtliche Ermächtigung des Gesundheitsministers über COVID-19-Impfstoffe und Bedarfsmaterialien bis Juni 2025 erstreckt werden. Für die entsprechende, von den Koalitionsparteien beantragte Gesetzesänderung, stimmten im Budgetausschuss ÖVP, Grüne und NEOS. Finanzstaatssekretär Florian Tursky erklärte, dass künftig geplant sei, die Corona-Impfungen über das nationale Impfprogramm und über den Finanzausgleich abzuwickeln.(Schluss TOP im Nationalrat) gs/mbu/kar
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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