Wiener Festwochen 2024: Prozesse und Explosionen, Klassiker und Revolutionen – sowie eine eigene Verfassung

Die Wiener Festwochen erklären sich zur Freien Republik Wien

2024 ERFINDEN SICH DIE WIENER FESTWOCHEN NEU: AB 17. MAI TREFFEN U.A. ELFRIEDE JELINEK, KORNÉL MUNDRUCZÓ, PETER BROOK, FLORENTINA HOLZINGER, CAROLINA BIANCHI UND NORA CHIPAUMI­RE IN WIEN AUF KIRILL SEREBRENNIKOV, TIM ETCHELLS UND OKSANA LYNIV. KONZERNE, MEDIENHÄUSER, POLITIKER:INNEN UND GUTMEINENDE WERDEN VOR EIN TRIBUNAL DER KUNST GEBRACHT, ARNOLD SCHÖNBERG UND KARL KRAUS GEFEIERT, DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN MENSCH UND MASCHINE AUSGELOTET, EIN VOLKSSTÜCK DURCH WIEN GESCHICKT UND DIESELMOTOREN RITUELL IN DIE LUFT GESPRENGT. DAS FESTIVAL UNTER DER INTENDANZ VON MILO RAU ERKLÄRT SICH ZUR FREIEN REPUBLIK WIEN – EINE KUNSTREPUBLIK VON ALLEN FÜR ALLE! NEBEN DEN KÜNSTLERISCHEN PRODUKTIONEN GIBT ES VIEL RAUM FÜR PARTIZIPATION. 45.000 TICKETS WERDEN AUFGELEGT, DER VERKAUF STARTET AM 1. MÄRZ.  

Die Wiener Festwochen finden heuer von 17. Mai bis 23. Juni statt und bieten 46 Produktionen und künstlerische Projekte aus den Bereichen Sprechtheater, Oper, Musik, Tanz, Performance, bildende Kunst und Aktivismus. Einen Schwerpunkt bilden dabei partizipative Formate und Projekte bei freiem Eintritt. 2024 erklären sich die Wiener Festwochen zur Freien Republik Wien mit eigener Hymne, Fahnen, neuen revolutionären Institutionen (_Akademie Zweite Moderne, Die Wiener Prozesse_), einer Festivalzentrale (Haus der Republik), einer Partyzentrale (Club der Republik) und dem aus 100 nationalen und internationalen Mitgliedern bestehenden Rat der Republik. „Wer, wenn nicht wir – wann, wenn nicht jetzt? Wien ist die Hauptstadt der Moderne, wir rufen nun eine zweite Moderne aus, gemeinsam mit hunderten Intellektuellen, Künstler:innen und Bürger:innen aus Wien, Österreich und der ganzen Welt“, so Festwochen Intendant MILO RAU anlässlich der Programmpräsentation im Hotel Imperial. „Holen wir uns den Glanz des Lebens zurück!“ 

Die Wiener Kulturstadträtin VERONICA KAUP-HASLER meint: „Die Wiener Festwochen starten ambitioniert in die erste Festivalausgabe unter der Intendanz von Milo Rau: Als Festival, das sich mit den Mitteln der Kunst einmischt – inspirierend, mutig und politisch. Mit aufsehenerregenden internationalen Produktionen öffnen die Wiener Festwochen weit die Fenster zur Welt und setzen damit die Tradition des Festivals fort, das in seinen besten Zeiten immer an- und aufgeregt hat. Das transdisziplinäre Programm versammelt beeindruckend große Namen und erfreulich viele davon sind weiblich. Einige Positionen werden für Diskussionen sorgen und das ist gut so: Kunst darf polarisieren. Wichtig ist, dass die Gesellschaft in der Kunst Orte des Zusammenkommens und des Dialogs findet. Daher freut es mich, wie stark diese partizipativen Formate im heute präsentierten Programm verankert sind.“ 

GROSSE NAMEN DES WELTTHEATERS TREFFEN AUF RADIKALPERFORMERINNEN

Die Freie Republik Wien ist eine Republik der Künste: „Fünfeinhalb Wochen vielstimmiges, leidenschaftliches, kämpferi­sches, verrücktes Welttheater!“, nennt es der Festwochen Intendant im Rahmen der Pressekonferenz. So wird Wien dieses Frühjahr zur Welthauptstadt des Theaters: Der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó erarbeitet mit _PARALLAX _eine Familiengeschichte über das Privileg und die Last von Iden­tität, die Französin Caroline Guiela Nguyen erzählt in _LACRIMA_ die tragi­sche, globale Produktionsgeschichte eines royalen Hochzeitskleids, die Gewinnerin des Goldenen Löwen auf der Biennale di Venezia Christiane Jatahy lässt _Hamlet_ als Frau zurückkehren. Performance-Star Florentina Holzinger wird mit dem Projekt _SANCTA (Arbeitstitel)_ eine gemeinsame Messe mit dem Publikum feiern und Jossi Wieler die ausgezeichnete Jelinek-Inszenierung _Angabe der Person_ ins Volkstheater bringen. Carolina Bianchi setzt bei ihrer weltweit diskutierten Perfor­mance _Die Braut und Goodnight Cinderella_ ihren eigenen Körper ein, um die Grenzen der Kunst zu hinterfragen, Agnieszka Polska wird in ihrer ersten Theaterinszenierung _The Talking Car_ das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine ausloten und Leonie Böhm gemeinsam mit Kim de l’Horizon das _Blutbuch_ in die theatrale Erzählung _Blutstück_ verwandeln.   

DIE FREIE REPUBLIK IM ZEICHEN DES WIDERSTANDS

Im Mittelpunkt des Festivals stehen die Themen Widerstand und Revolution: Musikalisch bringt der russische Dissident Kirill Serebrennikov gleich zu Beginn des Festivals mit _BAROCCO _ein Panorama des Widerstands vom Prager Frühling bis heute auf die Bühne des Burgtheaters, während die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv mit Jevhen Stankovychs _Kaddish Requiem _im und in Kooperation mit dem Wiener Konzerthaus ein Zeichen gegen Krieg setzt. Milo Rau nimmt mit seiner Mozart-Adaption _La Clemenza di Tito_ die Scheinmoral der Elite der Gutmeinenden in der Halle E unter die Lupe. Revolutionäres Potenzial verspricht auch die Weltpremiere von nora chipaumires Projekt _Dambudzo _im und in Kooperation mit dem mumok sowie die Multimedia-Oper _Woman at Point Zero _von Bushra El-Turk. El-Turk ist eines der zehn ersten Mitglieder der globalen Komponistinnen*-Plattform _Akademie Zweite Moderne_, die bereits im Februar in New York der Öffentlichkeit präsentiert worden ist und unter der Patronage von Nuria Schoenberg Nono und in Kooperation mit dem Arnold Schönberg Center, ORF Radiokulturhaus und Ö1 das Erbe des Wiener Heroen der Moderne Arnold Schönberg radikal globalisiert und feminisiert. 

BUSHRA EL-TURK erklärt im Rahmen der Pressekonferenz: „In der darstellenden Kunst geht es viel darum, die Realitäten unseres Lebens auf die Bühne zu spiegeln – um unsichtbare Themen sichtbar zu machen. Bei der _Akademie Zweite Moderne _Teil eines lebendigen Kollektivs_,_ Teil einer Gruppe von Künstlerinnen* zu sein, die genau dies tun, führt sicher dazu, dass das, was dort diskutiert wird, auch jenseits der Bühne als Woge der Veränderung in die Tat umgesetzt wird, besonders in dieser kritischen Zeit, in der unsere Stimmen zensiert werden.“ 

 MULTIMEDIA- UND ARMES THEATER

Neben musikalischen und Sprechtheater-Großereignissen kommen auch Liebhaber:innen von multimedialen Theaterspektakeln auf ihre Kosten: In _ROHTKO _von Łukasz Twarkowski durchleuchtet ein 12-köpfiges Ensemble den größten Kunstskandal der Welt, die Beziehung zwischen Original und Kopie und fragt nach dem Wert von Kunst, während Yves Degryse in _The Making of Berlin_ die Grenzen zwischen Fiktion und Doku­mentation verschwimmen lässt. Humor zeichnet Tim Etchells Zweipersonenstück _Die Rechnung_ aus, das von der Tschauner Bühne in Ottakring bis zum 48er-Tandler oder dem Fußballklub in Floridsdorf durch die Wiener Bezirke reisen wird – in Kooperation mit dem Volkstheater in den Bezirken. Bissigen Humor in Verbindung mit ausgefeilter Poesie verspricht _Tempest Project_ – die letzte Arbeit des 2022 verstorbenen Theatermagiers Peter Brook – aber auch _Meine Zeit wird nicht kommen_, unsere mehrteilige Hommage an einen anderen Protagonisten der Wiener Moderne: Karl Kraus. Neben Kabarettist Florian Scheuba und den Schauspielern Cornelius Obonya und Robert Stadlober werden in Kooperation mit der Wienbibliothek im Rathaus u.a. auch Schriftsteller:in Barbara Zeman und Clemens J. Setzsowie die Grindcore Band Onkel Gusta die Werke des wortgewaltigen Satirikers und Kritikers in fünf _Vorlesungen_ radikal aktualisieren. Das Zeitalter des Verbrennungsmotors als beendet erklären wird hingegen der flämische Theatermacher Kris Verdonck: In seiner Performance _EXHAUST / ajax_ wird nach einer mehrstündigen Prozession ein Traktormotor im Rahmen einer gewaltigen Explosion rituell geopfert. 

HAUS DER REPUBLIK UND DIE WIENER PROZESSE

Das Herzstück des Festivals bildet das Haus der Republik im Volkskundemuseum. Die Wiener:innen sind in Kooperation mit der Klima Biennale und dem Volkskundemuseum während der gesamten fünfeinhalb Wochen eingeladen, in das offene Hauptquartier der Freien Republik Wien zu kommen. Hier arbeiten die Mitarbeiter:innen der Wiener Festwochen in ihren offenen Büros Seite an Seite mit lokalen und internationalen Initiativen. Wöchentlich finden die Hearings des Rats der Republik statt und es wird an der künftigen Verfassung der Freien Republik erarbeitet. Auch in die offene Werkstatt der Klasse für Bühnengestaltung der Akademie der bildenden Künste Wien wird das Publikum eingeladen. Seminare, Workshops und Diskussionsrunden mit Aktivist:innen der Landlosenbewegung MST, Bewohner:innen der Zad de Notre-Dame-des-Landes sowie Vertreter:innen der Republik Rojava und zahlloser weiterer Partner:innenorganisationen der Freien Republik Wien fördern den Austausch mit der Stadtgesellschaft. Revolutionär geht es während des Festivals auch in den _Wiener Prozessen_ im Odeon zu: Ganz Österreich – Konzerne, Politik, Medien und nicht zuletzt die Kunst selbst – werden vors Tribunal der neu geschaffenen Republik zitiert, Urteile inklusive. Zum Abschluss von fünfeinhalb Wochen Festival werden die Ergebnisse von Diskussionen, Prozessen, Hearings etc. in der _Wiener Erklärung_ festgeschrieben. Als verbindliches Regelwerk für die kommenden vier Jahre ist sie Grundlage für die zukünftige Programmierung der Festwochen. Als erstes Festival der Geschichte geben sich die Wiener Festwochen | Freie Republik Wien damit gemeinsam mit dem Publikum eine eigene Verfassung!  

HERWIG ZAMERNIK alias Fuzzmann stimmt die Hymne an und ruft auf: „Steht auf, steht auf, ihr Töchter und ihr Söhne, steht auf für aller Menschen Glück!“  

ZUSAMMENARBEIT UND KOOPERATIONEN

Festwochen Geschäftsführerin ARTEMIS VAKIANIS meint abschließend: „Die Festwochen bieten heuer sehr viel Neues und werden sicherlich noch einige Diskussionen anstoßen. Es freut mich sehr, dass wir dabei nicht nur die Kooperationen mit heimischen Spielstätten wie dem Wiener Konzerthaus, dem Volkstheater oder der Volksoper weiter intensivieren konnten, sondern auch mit der Klima Biennale Wien und dem Volkskundemuseum zusammenarbeiten. Darüber hinaus werden wir heuer noch mehr Programm bei freiem Eintritt anbieten, im öffentlichen Raum und mit Elementen wie dem Haus der Republik oder der _Akademie Zweite Moderne_ wesentlich mehr Möglichkeiten zur aktiven Teilhabe am Festivalgeschehen für die Besucher:innen bereitstellen.“ 

Das Programm der Wiener Festwochen ist online unter https://www.festwochen.at verfügbar. Der Ticketverkauf startet am 1. März.

Stefanie Preißler
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
presse@festwochen.at
+43 1 589 22 337

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