Parlament: TOP im Nationalrat am 21. März 2024
Neue Haftungsregeln für Bäume, Förderung von Photovoltaikanlagen, Altlastensanierung, Windräderbeleuchtung, Volksbegehren
Am zweiten Sitzungstag im Nationalrat kommende Woche befassen sich die Abgeordneten neben Justiz- auch mit Energie-, Umwelt- und Verkehrsthemen. Maßnahmen zur Förderung von Photovoltaikanlagen stehen dabei ebenso auf dem Programm wie die Ratifizierung des Göteborg-Protokolls zur Verringerung von Luftschadstoffen und eine Novelle zum Altlastensanierungsgesetz für die stärkere Revitalisierung von ehemaligen Industrie- und Gewerbestandorten. In einer Novellierung des Luftfahrtgesetzes geht es um ein Aus für die nächtliche Dauerbeleuchtung von Windrädern. Im Justizbereich sollen neue Haftungsregeln ein unnötiges Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen verhindern. Außerdem stehen das Volksbegehren „Nehammer muss weg“ und auf gemeinsamen Wunsch der Fraktionen ein aktueller Bericht zur Lage der Jugend in Österreich auf der Tagesordnung.
FRAGESTUNDE
Die Sitzung beginnt um 9.00 Uhr mit einer Fragestunde mit Umwelt-, Energie- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler.
VOLKSBEGEHREN „NEHAMMER MUSS WEG“
Danach werden die Abgeordneten ein letztes Mal über das Volksbegehren „Nehammer muss weg“ beraten. Es hat mit 106.440 Unterschriften knapp die 100.000er-Hürde zur Behandlung im Parlament übersprungen und fordert eine Änderung der Verfassung, um die Einleitung eines Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Karl Nehammer durch die Bevölkerung zu ermöglichen. Nehammer habe das Vertrauen der Wähler:innen und das Vertrauen in die Demokratie grob missbraucht, argumentieren die Initiator:innen rund um Robert Marschall, wobei sie dem Kanzler unter anderem die Einführung der COVID-19-Impfpflicht, das Vorgehen der Polizei „gegen das friedliche Volk“ bei Corona-Demonstrationen, die ihrer Meinung nach verfehlte Russland-Politik der Regierung und die Wahlkampfkostenüberschreitung der ÖVP bei der Nationalratswahl 2019 ankreiden.
Eigentlich hätten die Beratungen über das Volksbegehren schon im Februar abgeschlossen werden sollen. Da die Initiator:innen aufgrund einer Kommunikationspanne allerdings nicht an den ursprünglichen Beratungen im Verfassungsausschuss teilnehmen konnten, wurde die Ausschussdebatte nachgeholt, wobei von Seiten der Abgeordneten mehrfach die Vermutung geäußert wurde, dass es den Initiator:innen vorrangig darum gehe, das demokratische Parteiensystem zu bekämpfen.
FÖRDERUNG VON PHOTOVOLTAIKANLAGEN
Um den Ausbau erneuerbarer Energieträger zu fördern, hat der Nationalrat vergangenen Herbst beschlossen, kleine Photovoltaikanlagen auf Wohn- bzw. öffentlichen Gebäuden bis Ende 2026 von der Umsatzsteuer zu befreien. Gleichzeitig wurden Investitionszuschüsse für derartige Anlagen gestrichen. Nun wollen ÖVP und Grüne im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) eine Ausnahmeregelung verankern. Da Betriebe, die vorsteuerabzugsberechtigt sind, nicht von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren, sollen sie weiterhin Zuschüsse beantragen können. Als Nachweis können etwa ein Gewerbeschein, ein Versicherungsdatenauszug oder eine Bescheinigung der Kammern dienen. Angesichts gesunkener Strompreise könne man damit Investitionen in Photovoltaikanlagen aufrecht erhalten, machten die Grünen im Wirtschaftsausschuss geltend. SPÖ und NEOS ließen sich allerdings nicht überzeugen und stimmten dort gegen die Novelle.
ENERGIEEFFIZIENZ VON RECHENZENTREN
Eine von den Koalitionsparteien beantragte Änderung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes dient der Umsetzung von EU-Vorgaben. Rechenzentren mit einer elektrischen Nennleistung für Informationstechnologie von mindestens 500 kW werden demnach ab 15. Mai 2024 zu jährlichen Meldungen bzw. Veröffentlichungen bestimmter Daten verpflichtet. Dabei geht es etwa um den Energieverbrauch, Temperatursollwerte, die Nutzung von Abwärme, den Wasserverbrauch und den Einsatz erneuerbarer Energien. Ausnahmen sind nur für Rechenzentren vorgesehen, die ausschließlich für die Bereiche Landesverteidigung, Zivil- und Katastrophenschutz genutzt werden. Die erhobenen Daten könnten in weiterer Folge dazu verwendet werden, Nachhaltigkeitsindikatoren für den – äußerst energieintensiven – IKT-Sektor festzulegen, heißt es in der Initiative.
Im Wirtschaftsausschuss stimmte neben der Koalition auch die SPÖ für die Gesetzesnovelle, wiewohl sie wie die anderen beiden Oppositionsparteien einen bürokratischen Mehraufwand befürchtet. Laut Umweltministerin Leonore Gewessler könnten rund 50 Unternehmen von der Verpflichtung betroffen sein, wobei es ihr zufolge nicht zuletzt darum geht, Bewusstsein für Energiemanagement im IKT-Sektor zu schaffen.
GÖTEBORG-PROTOKOLL ZUR VERRINGERUNG VON LUFTSCHADSTOFFEN
Mit mehrjähriger Verspätung will Österreich das bereits 1999 unterzeichnete Göteborg-Protokoll samt inzwischen erfolgter Änderungen ratifizieren. Das Protokoll basiert auf einem internationalen Übereinkommen zur Vermeidung weiträumiger grenzüberschreitender Luftverunreinigung und hat insbesondere die Begrenzung und Verringerung der Versauerung von Luft und Böden durch Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden und Ammoniak, der Überdüngung durch einen Eintrag von Stickstoffoxiden und Ammoniak sowie von bodennahem Ozon im Fokus. Zudem wurden 2012 Verpflichtungen in Bezug auf den besonders gesundheitsrelevanten Luftschadstoff PM2,5 (Feinstaub) in das Protokoll aufgenommen, Emissionsminderungsziele ab dem Jahr 2020 festgeschrieben und ein Augenmerk auf die Minderung von Rußpartikeln (Black Carbon) gelegt.
Gemäß den Erläuterungen zu den beiden Regierungsvorlagen gehen die Emissionsgrenzwerte der technischen Anhänge des Göteborg-Protokolls nicht über die national oder europarechtlich verbindlichen Standards hinaus. Auch die Emissionshöchstmengen des Anhangs II können von Österreich demnach eingehalten werden. Umweltministerin Leonore Gewessler sprach im Umweltausschuss dennoch von einem zentralen Vertragswerk. Für eine Ratifizierung ist sowohl die Zustimmung des Nationalrats als auch des Bundesrats erforderlich, wobei im Umweltausschuss Konsens darüber bestand.
NOVELLE ZUM ALTLASTENSANIERUNGSGESETZ
Eine stärkere Revitalisierung von ehemaligen Industrie- und Gewerbestandorten und damit eine Reduzierung des Flächenverbrauchs ist eines der Ziele der von Umweltministerin Leonore Gewessler vorgelegten Novelle des Altlastensanierungsgesetzes (ASLAG), die im Umweltausschuss ebenfalls einhellige Zustimmung erhielt. Zu diesem Zweck sollen Untersuchungen und Sanierungen belasteter Liegenschaften gefördert werden. Außerdem ist geplant, ein eigenes neues Verfahrensrecht zu schaffen, um eine rasche und kostengünstige Altlastensanierung unter Beibehaltung hoher Gesundheits- und Umweltschutzstandards zu gewährleisten.
Die Novelle enthält überdies ein geändertes Haftungssystem für Altlasten. Demnach wird die Verursacherverpflichtung durch eine Ausdehnung der Haftung auf die Rechtsnachfolger:innen der Verursacher:innen verstärkt, im Gegenzug entfällt die „subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung“. Auch bei der Beurteilung und Ausweisung von Altlasten kommt es zu Änderungen, wobei der jeweilige Standort sowie die jeweilige Nutzung künftig stärker berücksichtigt werden sollen. Um die Digitalisierung der Altlastenausweisung zu fördern und die Transparenz für die Öffentlichkeit zu steigern, sollen Informationen zentral über ein Altlastenportal abrufbar sein.
Mit der Novelle werde aus einem reinen Finanzierungsinstrument ein eigenständiges Verfahrens- und Materiengesetz, betonte Umweltministerin Leonore Gewessler im Umweltausschuss. Dabei werde etwa das Reparaturprinzip und das Brachflächenrecycling in den Vordergrund gerückt. Zudem setze man Verfahrensfristen zur Beschleunigung der Behebung von Altlasten.
AUS FÜR NÄCHTLICHE DAUERBELEUCHTUNG VON WINDRÄDERN
Eine von den Koalitionsparteien vorgeschlagene und vom Verkehrsausschuss einstimmig gebilligte Novellierung des Luftfahrtgesetzes sieht Änderungen bei der „Hindernisbefeuerung“ von Luftfahrthindernissen vor. Windräder und andere Anlagen sollen demnach künftig nur noch bei Bedarf beleuchtet werden müssen, also etwa wenn sich ihnen ein Flugzeug nähert. Damit wird laut Verkehrsministerin Eleonore Gewessler eine langjährige Forderung von Anrainer:innen von Windparks erfüllt. Zuständig für die Umsetzung ist laut Gesetzentwurf die Austro Control. Überdies soll es künftig möglich sein, bestimmte Zivilflugplätze auch außerhalb der Betriebszeiten für den 24-Stunden-Rettungsflugbetrieb zu nutzen, wenn dadurch die Luftfahrtsicherheit gewährleistet bleibt.
ÄNDERUNGEN DES ÜBEREINKOMMENS ÜBER DEN INTERNATIONALEN EISENBAHNVERKEHR
Ebenfalls einhellige Zustimmung gab es im Verkehrsausschuss zu einem von der Regierung dem Nationalrat zur Ratifizierung vorgelegten Abkommen, mit dem das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) geändert bzw. ergänzt wird. Die Änderungen betreffen unter anderem Vereinheitlichungen und Begriffsbestimmungen. Außerdem ist vorgesehen, den neuen Aufgaben des Fachausschusses für technische Fragen Rechnung zu tragen, Verfahrensfragen zu regeln und Haftungsfragen zu klären. Neu hinzugekommen sind insbesondere einheitliche Rechtsvorschriften, was die Anforderungen an den Betrieb und die Sicherheit von Zügen im internationalen Verkehr und die Bescheinigung und Überwachung der Sicherheit betrifft. Vertragsstaaten müssen demnach das höchstmögliche Maß an Einheitlichkeit der Vorschriften zu Betriebs- und Sicherheitsanforderungen für Züge im internationalen Verkehr anstreben, wie es dazu in den Erläuterungen der Regierungsvorlage heißt. Konkreter Änderungsbedarf für Österreich ergibt sich durch das Abkommen laut Verkehrsministerin Gewessler nicht, die Neuerungen sind demnach bereits durch EU-Regeln geltender Rechtsbestand.
NEUE HAFTUNGSREGELN FÜR BÄUME
Vom Justizausschuss an das Plenum weitergeleitet wurde eine Neuregelung der Haftungsbestimmungen für Schäden, die durch das Umstürzen von Bäumen oder das Herabfallen von Ästen entstehen. Bisher wurden oft aus Angst vor einer möglichen Haftung Bäume flächendeckend gefällt, selbst wenn das aus Sicherheitsaspekten gar nicht erforderlich gewesen wäre. Die Baumbesitzer:innen mussten nämlich – analog zur Gebäudehaftung – in Schadensfällen nachweisen, dass sie keine Schuld trifft. Um ein unnötiges Zurückschneiden oder Fällen von Bäumen zu verhindern, soll die Beweislastumkehr nun entfallen. Die neu eingefügte Gesetzesbestimmung im ABGB, die explizit nur für Bäume außerhalb des Waldes gilt, soll ab 1. Mai 2024 in Kraft treten. Auch über diese Gesetzesnovelle gibt es Konsens.
ZUGANG ZU EINEM RECHTSBEISTAND
Die Zustimmung aller Fraktionen fand auch ein Gesetzesantrag von ÖVP und Grünen, durch den die ordnungsgemäße Umsetzung der EU-Richtlinie zum Rechtsbeistand in Verfahren sichergestellt werden soll. Er enthält insbesondere Klarstellungen im Hinblick auf den Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie die Berücksichtigung des Kindeswohls.
ACHTER BERICHT ZUR LAGE DER JUGEND IN ÖSTERREICH
Aus dem achten Bericht zur Lage der Jugend in Österreich geht unter anderem hervor, dass mehr als 80 % der jungen Menschen in Österreich mit ihrem Leben zufrieden sind. Am wenigsten sind es jene, die weder arbeiten, noch eine Ausbildung machen. Allerdings befürchtet jede:r zweite Befragte, dass es die Kinder einmal schlechter haben werden als sie selbst, wobei etwa Klimakrise, Krieg und Inflation Sorge bereiten. Nach wie vor ist die Teilhabe an Bildung außerdem stark vom Bildungshintergrund der Eltern und einem etwaigen Migrationshintergrund abhängig. Knapp ein Fünftel der 10- bis 29-Jährigen – und damit mehr als in der Gesamtbevölkerung – hat laut Bericht eine ausländische Staatsangehörigkeit, was mit Bildungs-, Arbeits- und Fluchtmigration junger Menschen erklärt wird. Dabei liegt Deutschland an der Spitze, gefolgt von Syrien, Rumänien, Türkei und der Ukraine.
Zum Bericht wurde im Familienausschuss ein Expert:innen-Hearing abgehalten. Die Abgeordneten brachten in der Ausschussdebatte einhellig ihre Unterstützung für die Rechte von Kindern und Jugendlichen zum Ausdruck.
PSYCHISCHE GESUNDHEIT VON KINDERN UND JUGENDLICHEN
Beraten wird der Nationalrat auch über eine von den NEOS vorgelegte Petition, die die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen („Mental Health“) im Fokus hat. So wird etwa gefordert, Lehrkräfte im Umgang mit der psychischen Gesundheit der jungen Menschen gezielt zu schulen und das Thema psychische Gesundheit in den Lehrplan zu integrieren, um den Schüler:innen grundlegende Techniken des Selbstschutzes und der Selbsthilfe mitzugeben. Zudem soll die Zahl an Schulpsycholog:innen und Schulsozialarbeiter:innen stark erhöht werden. Die Corona-Pandemie habe große Schäden hinterlassen, das würden nicht nur Berichte der Betroffenen selbst, sondern inzwischen auch umfangreiche Studien zeigen, machen die Unterzeichner:innen geltend.
Konkrete Beschlüsse sind dazu nicht geplant, wobei der Nationalrat bereits im vergangenen Jahr im Zuge der Beratungen über ein Volksbegehren zum gleichen Thema Maßnahmen von der Regierung eingemahnt hat. Mittlerweile wurden laut ÖVP und Grünen zahlreiche Schritte gesetzt.
ABKOMMEN ZWISCHEN ÖSTERREICH UND DEUTSCHLAND ZUR ABWEHR NICHTMILITÄRISCHER BEDROHUNGEN AUS DER LUFT
Schließlich liegt den Abgeordneten ein Staatsvertrag zwischen Österreich und Deutschland über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen zur Ratifizierung vor, der im Landesverteidigungsausschuss Einstimmigkeit erzielte. Das im Dezember 2022 unterzeichnete Abkommen soll es ermöglichen, die gemeinsame Staatsgrenze zu überfliegen, um etwa ein verdächtiges Luftfahrzeug an die Fliegerkräfte des jeweiligen Nachbarstaates sicher zu „übergeben“ und die diesbezüglichen Reaktionsmöglichkeiten und -zeiten zu verbessern. Betont wird dabei in den Erläuterungen das verfassungsrechtliche „Exklusivgebot“, wonach die österreichische Landesverteidigung ausschließlich dem Bundesheer obliegt und keinesfalls von fremden Fliegerkräften ausgeübt werden darf. Maßnahmen gegen militärische Bedrohungen sind ausdrücklich nicht umfasst. (Schluss TOP im Nationalrat) gs/mbu
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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