Zwischen Green Deal, Wettbewerbsfähigkeit und russischem Gas: Europas Energiepolitik am Scheideweg
DEBATTEN UM GEOPOLITIK, WETTBEWERBSFÄHIGKEIT UND KLIMANEUTRALITÄT HABEN EUROPA FEST IM GRIFF. IM VORFELD DER EUROPAWAHL 2024 WIDMETE AUCH OESTERREICHS ENERGIE DEN DRÄNGENDEN FRAGEN DER EUROPÄISCHEN ENERGIEPOLITIK EIN TRENDFORUM.
Europas Energiepolitik steht an einem Wendepunkt. „Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit spielen heute gleichermaßen eine entscheidende Rolle für die energiepolitischen Ziele Europas und sind auch für die Zukunft Österreichs von gravierender Bedeutung“, so eröffnete Barbara Schmidt das Oesterreichs Energie Trendforum am 6. Mai. Umso wichtiger sei der Blick über den Tellerrand.
„Kein Staat kann es sich leisten, die Entwicklungen rund um das Thema Energie zu ignorieren. Europa muss heute wegweisende Entscheidungen für die eigene Zukunft treffen. Wir beobachten, dass das Interesse am Klimawandel schwindet, wenn sich die Krisenhaftigkeit erhöht – zum Beispiel durch Krieg oder die Energiekrise“, betonte Velina Tchakarova , Sicherheitsexpertin und Gründerin vom Beratungsunternehmen FACE For A Conscious Experience e.U., in ihrer Eröffnungsrede. Umso mehr bedarf es einer faktenbasierten und realpolitisch begründeten Energiepolitik.
Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie, hob die Notwendigkeit einer integrierten Planung hervor: „Die Transformation braucht einen europäischen Ansatz. Wir brauchen mehr Marktintegration für die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit für den europäischen Standort. Ein europäischer Strombinnenmarkt verhindert Überkapazitäten, die teuer und ineffizient sind und stärkt damit die Wettbewerbsfähigkeit für die europäische Industrie. Der Strommarkt braucht nicht weniger, sondern mehr Europa.“
UNABHÄNGIGKEIT EUROPAS STÄRKEN
Eines der wichtigsten Ziele der EU ist es, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Parallel dazu muss die Zusammenarbeit innereuropäisch auf eine stabile, zukunftsorientierte Basis gestellt werden. „Der EU-Binnenmarkt wurde noch nicht ausreichend vorangetrieben. Es ist gerade jetzt entscheidend, dass wir diesen angesichts der geänderten geopolitischen Lange neu aufstellen, da er zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der EU ist”, sagte Barbara Steffner, Leiterin Wirtschaft und Soziales, Europäische Kommission, Vertretung in Österreich. Es dürfe nicht an nationalen Egoismen scheitern.
Angst, dass der Wettbewerb auf der Strecke bleibt, hat Steffner nicht. Denn Energiewende und Wettbewerbsfähigkeit widersprechen sich nicht, sondern komplementieren sich, auch wenn es immer wieder unterschiedliche Gewichtungen gibt. „In den letzten fünf Jahren waren der Green Deal und die Klimaneutralität dominierend. Wir haben viele Gesetze und Investitionen auf den Weg gebracht. Jetzt geht es um die Umsetzung und darum ins Tun zu kommen.“
TRANSFORMATION DES ENERGIESYSTEMS BRAUCHT ENTSCHEIDUNGEN MIT WEITBLICK
Was es aber dringend brauche, sei mehr Tempo. „Beim Ausbau der Leittechnologien für eine saubere Energieversorgung wie Solar, Wind, Wärmepumpen, Batterien oder Elektrolyseuren muss die EU schneller werden – um den Klimaschutz voranzubringen und Europas Energiesicherheit zu stärken“, sagte Matthias Buck, Direktor Europa bei Agora Energiewende. Fossile Energien sorgten für eine strukturelle Importabhängigkeit in Europa. „Grüne Leittechnologien können dank fortwährender Effizienzsteigerungen und in Kombination mit Recycling von seltenen Rohstoffen bestehende Importabhängigkeiten dauerhaft reduzieren“, so Buck weiter.
Einen Zielkonflikt erkennt Buck dabei nicht, im Gegenteil: „Energiesicherheit und der Ausbau der Erneuerbaren Energien gehen Hand in Hand“. Erneuerbare Energien seien heimisch verfügbar und kostengünstig. Deshalb sähen alle Szenarien für die Klimaneutralität in der EU einen sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energieträgern vor, so Buck.
Paul Schmidt, Generalsekretär Österreichische Gesellschaft für Europapolitik, forderte eine bessere Abstimmung und Zusammenarbeit auf europäischer Ebene: „Um mehr Kooperationsbereitschaft zu schaffen, braucht es eine Politik, die über den Tellerrand blickt und auch über den nächsten Wahltermin.“ Denn da gehe noch mehr. „Die ambitionierten Ziele, die wir uns gesetzt haben sind gut, jetzt geht es um deren Umsetzung auf nationaler Ebene. Und ja, dies bedeutet Veränderung und kostet Geld, da gibt es nicht immer nur Gewinner. Aber nichts zu tun kommt uns wesentlich teurer.“
Die notwendigen Investitionen, die es für eine resiliente und nachhaltige Energiepolitik in Europa brauchen wird, müssen sich rechnen – und zwar, indem sie viel heimische Wertschöpfung generieren und Innovationen hervorbringen.
Oesterreichs Energie
Christian Zwittnig
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