Concordia Preise 2024: Würdigung außerordentlicher publizistischer Leistungen im Parlament
Nicole Kampl und Colette M. Schmidt in den Kategorien Menschenrechte und Pressefreiheit geehrt; Ehrenpreis für Anneliese Rohrer
Besondere Verdienste um einen unabhängigen Journalismus im Sinne der Informationsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte wurden auch heuer wieder im Parlament mit den Concordia Preisen ausgezeichnet. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Bundesratspräsidentin Margit Göll, Parlamentsdirektor Harald Dossi und der Presseclub Concordia luden dazu gestern Abend zur Verleihung in den Nationalratssaal.
Colette M. Schmidt (Der Standard) wurde in der Kategorie Pressefreiheit für ihre Berichterstattung über deren Bedrohung durch Angriffe auf Journalist:innen bei Demonstrationen geehrt. ORF-Journalistin Nicole Kampl überzeugte in der Kategorie Menschenrechte mit der „Am Schauplatz“-Reportage „Woher kommt der Hass?“. Darin wird das Thema „Hass im Netz“ anhand des Todes der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr aufgearbeitet. Journalistin und Autorin Anneliese Rohrer erhielt den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk. Die promovierte Historikerin zählt seit den 1970er Jahren zu den profiliertesten Kommentatorinnen des politischen Zeitgeschehens. Die Laudationen hielten Tanja Paar, Ingrid Brodnig und Florian Asamer.
Die Verleihung folgte auf Eröffnungsworte von Doris Bures und Petra Stuiber, Vizepräsidentin des Presseclub Concordia. Heide Schmidt erläuterte als Vorsitzende die Entscheidungen der Jury. Durch den Abend führte Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclub Concordia.
Der Abend war geprägt von der Sorge über den Vertrauensverlust in die klassischen Medien, der auch die liberale Demokratie gefährde, wie etwa Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures erklärte. Gleichzeitig plädierten die meisten der Redner:innen für eine Stärkung des kritischen Journalismus insbesondere durch eine stabile Medienförderung.
BURES UND STUIBER BESORGT ÜBER SINKENDES VERTRAUEN IN KLASSISCHE MEDIEN
Für Bures ist es „spürbar“, dass das gesellschaftliche Vertrauen in die Medien, ebenso wie jenes in die Wissenschaft und die Politik, schwinde, wie sie in ihren Eröffnungsworten ausführte. Die liberale parlamentarische Demokratie komme damit in Bedrängnis, da sie den kritischen Journalismus als Vermittlungsinstanz des demokratischen Diskurses für eine informierte Öffentlichkeit benötige. Umso bedenklicher sei es, wenn Journalist:innnen gerade in dieser Situation sowohl aus ökonomischer als auch aus politischer Richtung zunehmend unter Druck gerieten. Bures nannte als aktuelles Indiz für diese Entwicklung den „tiefen Fall“ Österreichs in der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 32 von 180 Ländern. Angesichts „fundamentaler Umwälzungen“ sei ein seriöser Journalismus mit hohem ethischen Anspruch für die Demokratie „lebensnotwendig“, so Bures
Sorge bereitet das schwindende Vertrauen in die klassischen Medien und das Abrutschen Österreichs im Ranking der Pressefreiheit auch Petra Stuiber, Vizepräsidentin des Presseclub Concordia. Die engen Verbindungen zwischen Regierung und einigen Medien via Inseratenvergabe, zunehmende Diffamierungen von Journalist:innen und eine steigende Zahl von sogenannten „Slapp-Klagen“ (Versuch, mit rechtlichen Mitteln freie Berichterstattung einzuschränken) sah sie als „hochproblematisch“ an. „Beunruhigend“ seien zudem die Pläne der FPÖ für den ORF, im Falle einer Regierungsbeteiligung sowie die Entwicklungen hinsichtlich des Datenschutzgesetzes und dem angedachten Zitierverbot aus Ermittlungsakten, die die journalistische Arbeit erschweren würden.
SCHMIDT: KRITISCHER JOURNALISMUS ALS VORAUSSETZUNG FÜR ÖFFENTLICHE BEWUSSTSEINSBILDUNG
„Ohne unabhängige Medien gibt es keine Demokratie“, zeigte sich auch Jury-Vorsitzende Heide Schmidt überzeugt. Viele Ereignisse würden ihre Relevanz erst durch eine dementsprechende Berichterstattung erhalten, weshalb seriöser Journalismus als Voraussetzung für eine öffentliche Bewusstseinsbildung betrachtet werden müsse. Unaufmerksamkeit oder Sorglosigkeit könnten „schreckliche Folgen“ zeitigen, so Schmidt. Trotzdem fänden sich Journalist:innen gemeinsam mit Politiker:innen eher als „Schlusslichter“ in verschiedenen Beliebtheitsrankings wieder. Dies liege unter anderem daran, dass die meisten Bürger:innen sich zwar eine Demokratie wünschten, doch zu vielen nicht bewusst sei, was diese ausmacht. Daher sei auch der Ruf nach mehr Ressourcen für die Medien „alles andere als populär“, so Schmidt. Es brauche jedoch eine Medienförderung auf „tragfähigen Füßen“, damit der Journalismus nicht einer „potenziell korrumpierenden“ Inseratenfinanzierung ausgeliefert werde. Auch öffentliche Zeichen der Anerkennung wie die Concordia Preise seien essenziell, um der Gesellschaft den Wert einer hochqualitativen Berichterstattung zu vermitteln. Die heurigen Preisträgerinnen hätten sich dadurch ausgezeichnet, dem Beruf durch ihre Empathie, Aufmerksamkeit und ihr Engagement ein professionelles und ethisch anspruchsvolles Profil zu verleihen, erklärte Schmidt.
NICOLE KAMPL ERHÄLT PREIS IN DER KATEGORIE MENSCHENRECHTE
In einer Zeit der aktualitätsgetriebenen Berichterstattung, in der die medial kommunizierten Themen in hoher Taktung aufeinanderfolgten, sei journalistische Beharrlichkeit ein umso höheres Gut, erklärte Laudatorin Ingrid Brodnig. ORF-Journalistin Nicole Kampl habe diese in der Aufarbeitung des Falls von Lisa-Maria Kellermayr walten lassen und es geschafft, ein juristisch komplexes Thema auch ein Jahr nach dem Tod der Ärztin im eigentlich schnelllebigen Fernseh-Format verständlich zu vermitteln. Zudem habe Kampl den Mut gehabt, auch zu COVID-19-Demonstrationen zu gehen, wo gegenüber Medienvertreter:innen ein „raues Klima“ herrsche. Kampls Reportage führe den Zuschauer:innen vor Augen, mit welchen Mitteln versucht werde, eine profilierte Stimme aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, so Brodnig.
In ihren Dankesworten ging Kampl auf die Herausforderung ein, einen komplexen Sachverhalt so herunterzubrechen, dass ihn „jeder versteht“. Dieses Bemühen sah sie auch als eine Kernaufgabe von Journalist:innen. Der von ihr portraitierte Fall Kellermayr zeige, dass „Hass im Netz kein Kavaliersdelikt“ sei und das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit einschränken könne. Auch Kellermayr sei empfohlen worden, sich „weniger zu exponieren“, wie Kampl berichtete. Die Ärztin habe jedoch darauf bestanden, dass auch ihr Recht auf Meinungsfreiheit zähle und nicht nur jenes der Demonstrant:innen.
CONCORDIA PREIS IN DER KATEGORIE PRESSEFREIHEIT GEHT AN COLETTE M. SCHMIDT
Journalistin Tanja Paar strich in ihrer Laudatio auf ihre Kollegin Colette M. Schmidt ihre vielfältigen Kompetenzen, ihren Wissensdurst sowie ihre „journalistische Hartnäckigkeit“ heraus. Mit diesen Eigenschaften habe es Schmidt geschafft, sich in der „nicht gerade weiblichen Domäne“ des investigativen Journalismus zu etablieren. Durch ihren persönlichen Einsatz, insbesondere zum Thema Rechtsextremismus, sei sie sehr exponiert, weshalb sie sich auch mit Drohungen und körperlichen Angriffen konfrontiert sah, wie Paar berichtete.
Schmidt selbst sprach von Waffenfunden im rechtsextremen Milieu sowie gehäuften Verstößen gegen das Verbotsgesetz. Die Szene verspüre seit der Corona-Pandemie Aufwind, da sie in deren Zuge neue Anhänger:innen rekrutieren habe können. Umso wichtiger sei es für Journalist:innen, die „Feind:innen der Demokratie“ und ihre Handlungen zu beobachten, so Schmidt. Der „äußerste rechte Rand“ dränge zunehmend in die Mitte, was sich anhand von Diskussionen über die Zeitgemäßheit der Menschenrechte oder die Verwendung von Begriffen wie „Remigration“, „Volkskanzler“ oder „Lügenpresse“ manifestiere. Vor dem Hintergrund der Erosion demokratischer Werte, brauche es mehr denn je eine stabile Medienlandschaft, die sich die Gesellschaft leisten müsse, plädierte Schmidt.
ANNELIESE ROHRER FÜR IHR LEBENSWERK AUSGEZEICHNET: PLÄDOYER GEGEN DISTANZLOSIGKEIT UND „SCHLAMPIGE VERHÄLTNISSE“
Jahrzehntelange Konsequenz und Unbestechlichkeit attestierte Presse-Chefredakteur Florian Asamer der für ihr Lebenswerk gewürdigten Anneliese Rohrer und sprach in diesem Zusammenhang von einer „republikverändernden Haltung“ der Journalistin. „Verhaberung“ und Korruption habe sie mit journalistischen Grundregeln vorgebeugt, die etwa den Verzicht auf Alkohol im Job oder ein stetes Siezen ihrer beruflichen Gegenüber beinhalten. Ein essenzieller Teil der „Rohrer-Doktrin“ ist es laut Asamer außerdem, sich trotz aller Routine der „Wurschtigkeit“ zu erwehren.
Gleichgültigkeit könne man sich als Journalist:in nicht leisten, da daraus Zynismus folge, wie Rohrer in ihrer Dankesrede bestätigte. Letzterer dürfe vor allem angesichts des schwindenden Vertrauens in Medien und Politik nicht obsiegen. Diese Entwicklung resultiere unter anderem daraus, dass in beiden Bereichen das „Gespür für die Distanz“ verloren gegangen sei. Der Mangel an Distanz habe schließlich zu einem Mangel an Vertrauen geführt, was die journalistische Arbeit „wahnsinnig erschwere“, so Rohrer. Nun fände man sich in einer Lage wieder, in der die Stabilität der Demokratie insgesamt fraglich erscheine. Daher müssten Politik und Medien in den Dialog treten, um gemeinsam dem Vertrauensverlust entgegenzuwirken. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre es, die „schlampigen Verhältnisse“ in der Medienfinanzierung zu beenden und diese endlich auf „stabile Beine“ zu stellen, plädierte Rohrer. (Schluss) wit
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