Karner und Zadić stellen sich Fragen der Abgeordneten zu sicherheitspolitischen Themen
Innenausschuss debattiert Sicherheitsbericht 2022 und EU-Jahresvorschau 2024
Anhand von zwei Berichten setzte sich der Innenausschuss heute mit vielfältigen sicherheitspolitischen Themen auseinander – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. So diskutierten die Abgeordneten mit Innenminister Gerhard Karner und Justizministerin Alma Zadić den Sicherheitsbericht 2022, aus dem hervorgeht, dass sich die Kriminalität nach dem Corona-bedingten starken Rückgang im Jahr 2021, ein Jahr später wieder auf vorpandemischem Niveau bewegte. Ein ähnliches Bild zeichnet der zum Sicherheitsbericht gehörende Tätigkeitsbericht der Strafjustiz. Auch wenn in fast allen Deliktsbereichen Anstiege zu verzeichnen waren, lagen die Zahlen weiterhin im zehnjährigen Trend rückläufiger Kriminalität.
Außerdem debattierten die Abgeordneten die EU-Jahresvorschau für 2024, in der das Innenministerium Stellung zu den sicherheitspolitischen Vorhaben der EU nimmt. Asyl- und migrationspolitische Maßnahmen sowie die österreichische Position zu diesen stehen darin im Zentrum. Beide Berichte wurden mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen.
KARNER ÜBER JUGENDKRIMINALITÄT, ILLEGALE MIGRATION UND PERSONALGEWINNUNG BEI DER POLIZEI
Nach dem Ende der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ist das Kriminalitätsniveau mit 488.949 Anzeigen im Jahr 2022 wieder auf vorpandemischem Niveau angelangt, wie aus dem jüngsten Sicherheitsbericht des Innenressorts hervorgeht (III-1150 d.B.). Darin wird ausgeführt: Auch wenn dies einen Anstieg um 19 % im Vergleich mit dem Vorjahr bedeutet, liegen die Zahlen weiterhin im zehnjährigen Trend der kontinuierlich rückläufigen Kriminalität. Die Aufklärungsquote konnte zum sechsten Mal in Folge über 50 % gehalten werden. Neben der Gesamtkriminalität geht der Bericht unter anderem vertieft auf die Bereiche Asyl und Migration ein, Verkehrssicherheit sowie Extremismus und Terrorismus.
Im Ausschuss interessierten sich Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Christian Oxonitsch (SPÖ) für den Bereich der Jugendkriminalität, der in den letzten Jahren einen „Aufschwung“ zu verzeichnen habe, wie Gerstl sagte. Innenminister Karner bestätigte dies. In der Altersgruppe zwischen 14 und 18 Jahren sei in den letzten Jahren eine Steigerung von über 10 % und bei jener zwischen 10 und 14 gar eine Verdoppelung festzustellen gewesen. Aufgrund dessen und einiger besonders schwerer Fälle sei eine eigene Einsatzgruppe gegen Jugendkriminalität geschaffen worden, die vor allem an „Hotspots“ etwa in Favoriten oder am Praterstern in Wien tätig sei, wie Karner ausführte. Dies habe dort bereits einen deutlichen Rückgang der Kriminalität bewirkt, wie erste Bilanzen andeuten würden. Weiters sprach Karner in diesem Zusammenhang eine geplante Gesetzesnovelle an, die künftig Fallkonferenzen und Regelbelehrungen bei strafunmündigen Minderjährigen unter 14 ermöglichen soll. Die Eltern sollen einbezogen werden und bei fehlender Kooperation seinen Strafen von bis zu 4.600 € angedacht. Generell sprach sich Karner bei „bestimmten, schweren Delikten“ für ein Senkung der Strafmündigkeitsgrenze auf 12 Jahre aus. Es gehe nicht darum, die Betreffenden „ins Gefängnis zu stecken“, sondern Einrichtungen zu schaffen, wo etwa 13-Jährige, die eine Vergewaltigung begehen, „Konsequenzen zu spüren bekommen“. Nach solchen Fällen könne nicht zur Tagesordnung übergegangen werden, antwortete Karner dem Abgeordneten Oxonitsch.
Das Jahr 2022 sei von einem „enorm hohen“ Zuwachs an illegaler Migration geprägt gewesen, wie Karner auf Nachfragen Manfred Hofingers (ÖVP) und Hannes Amesbauers (FPÖ) ausführte. 98 % davon würden über die organisierte Kriminalität bzw. „Schleppermafia“ abgewickelt. So seien im Burgenland alleine von Jänner bis Mai 2022 rund 12.300 illegale Grenzübertritte registriert worden. Im selben Zeitraum heuer habe es nur mehr 260 gegeben, zeigte sich Karner darüber erfreut, „was Österreichs Exekutive gelungen ist“. Dank Maßnahmen wie der gemeinsamen mit Ungarn durchgeführten Polizeiaktion „Operation Fox“ würden Schlepper mittlerweile „einen Bogen um Österreich machen“.
Wie in vielen Bereichen stelle der von Reinhold Einwallner (SPÖ) angesprochene Arbeitskräftemangel in der Exekutive eine Herausforderung dar, konstatierte Karner. Er zählte eine Reihe von Maßnahmen auf, die bereits gesetzt worden seien, um den Polizeiberuf attraktiver zu gestalten. So seien Investitionen in die Ausbildung, eine Erhöhung des Gehalts in der Grundausbildung, ein kostenloses Klimaticket, die Möglichkeit den Führerschein zu erwerben oder ein Anwerberprojekt umgesetzt worden. Diese Maßnahmen hätten laut Karner bereits Wirkung gezeigt. Hätten in Wien im erst Halbjahr 2022 noch 83 Polizeischüler:innen ihre Ausbildung begonnen, seien es in diesem Jahr bereits 380.
Außerdem ging Karner auf das von Faika El-Nagashi (Grüne) angesprochene „Verschwinden“ von unbegleiteten minderjährigen Schutzsuchenden ein. Für viele Geflüchtete bzw. Migrant:innen sei Österreich ein Transitland, erklärte er. Diese würden sich oftmals dem Asylverfahren in Österreich entziehen und etwa zu Angehörigen in anderen europäischen Ländern weiterreisen. Zum Thema Menschen- und Kinderhandel gab ein Experte des Ressorts über verschiedensten Maßnahmen Auskunft, unter anderem im Bereich der Sensibilisierung.
Sabine Schatz (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) erkundigten sich nach dem Stand des angekündigten Rechtsextremismus-Berichts, der laut Karner im Oktober dieses Jahres vorgelegt werde. Weiters interessierten sich etwa Christian Ries (FPÖ) für die Kriminalitätsentwicklung in Grenzregionen, Georg Bürstmayr (Grüne) für den Gewaltschutz für Frauen und Eva-Maria Himmelbauer für den Themenkomplex Cyberkriminalität.
ZADIĆ TAUSCHT SICH MIT ABGEORDNETEN ÜBER TÄTIGKEITSBERICHT DER STRAFJUSTIZ AUS
Teil des Sicherheitsberichts ist auch der Tätigkeitsbericht der Strafjustiz. Laut diesem ist die Zahl der neu eingebrachten Anzeigen 2022 gegenüber dem Vorjahr um 42.365 Fälle bzw. 16,6 % auf insgesamt 298.086 Fälle gestiegen. Auch Justizministerin Zadić führte dies auf das Ende der COVID-19-Maßnahmen zurück. Trotz steigender Anzeigenzahlen sei es gelungen, die durchschnittliche Verfahrensdauer weiter zu reduzieren, wie sie im Ausschuss erklärte. Sie liege nun im Schnitt bei drei Monaten.
Wolfgang Gerstl (ÖVP) gegenüber sagte Zadić, dass diese Reduzierung auf einen intensiveren Personal- und Ressourceneinsatz seit ihrem Amtsantritt zurückzuführen sei. So seien seither 650 neue Planstellen geschaffen worden. Dieser Weg müsse in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden, da viele Verfahren insbesondere im Wirtschaftsbereich immer komplexer würden. Ebenfalls von Gerstl auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und den Gerstl zufolge „hohen Anteil an Verfahrenseinstellungen“ angesprochen, erklärte Zadić, dass eine Verurteilung nicht immer das Ziel der Staatsanwaltschaften sei. Vielmehr gehe es um das Treffen möglichst gerechter Entscheidungen. Gerade Verfahrenseinstellungen würden auf objektive Ermittlungen hinweisen, so Zadić. Zudem sei deren Anteil bei der WKStA annähernd gleich hoch wie bei anderen Staatsanwaltschaften.
Über das Thema „Hass im Netz“, zu dem 2021 ein Gesetzespaket beschlossen wurde, erkundigte sich Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP). Hier seien durch die Gesetzesänderungen für die Betroffenen einige Verbesserungen eingetreten, sagte Zadić. So hätten Opfer die Verantwortlichen früher kostenintensiv selbst ausforschen müssen und das Kostenrisiko im Falle eines Freispruchs sei ebenfalls beim Opfer gelegen. Dies sei nun nicht mehr der Fall, zeigte sich Zadić erfreut.
FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer sprach das verzögerte erscheinen des Sicherheitsberichts an und erklärte, dass die „historische Rückschau“ auf 2022 „etwas mühsam“ sei. Zadić legte dar, dass diese Verzögerung an der Auslastung ihres Ressorts liege und der Bericht deshalb „leider“ immer zwei Jahre später erscheine. Sie hoffe, dass dies künftig rascher gelingen werde. In diesem Zusammenhang erneuerten die Freiheitlichen ihre Forderung, dass der Sicherheitsbericht früher vorzulegen sei und brachten einen entsprechenden Antrag (2356/A) ein, der von ÖVP und Grünen vertagt wurde. Es werde noch geprüft, ob der Bericht über die Tätigkeit der Justiz aus dem Sicherheitsbericht herausgelöst werden könnte, um früher Ergebnisse präsentieren zu können, so Grüne-Mandatar Georg Bürstmayr. Bereits im Jänner sei das von Wolfgang Gerstl im Ausschuss angekündigt worden, entgegnete Amesbauer.
Weiters fragte unter anderem Sabine Schatz (SPÖ) nach Zahlen zum Thema Verbotsgesetz und Philipp Schrangl (FPÖ) nach Daten bezüglich der Staatsbürgerschaft von Verurteilten.
EU-JAHRESVORSCHAU 2024: SCHWERPUNKT AUF ASYL UND MIGRATION
Weiters debattierten die Abgeordneten den Bericht des Innenressorts zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2024 sowie zum Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union (III-1103 d.B.). Asyl- und migrationspolitische Vorhaben sowie die österreichische Position zu diesen stehen darin im Zentrum. Österreich unterstützt laut Bericht vor allem jene Maßnahmen, die auf einen stärkeren EU-Außengrenzschutz und die Bekämpfung von Sekundärmigration abzielen. Begrüßt wird auch ein verpflichtender aber flexibler Solidaritätsmechanismus, bei dem alternative Solidaritätsleistungen – etwa im Grenzschutz oder finanzielle Beiträge – erbracht und Vorbelastungen der vergangenen Jahre angerechnet werden können. Kritisch beurteilt das Innenministerium Schritte in Richtung Resettlement, Erleichterungen beim Erwerb eines Daueraufenthaltstitels und Maßnahmen, die die Handlungsfähigkeit von Mitgliedstaaten, insbesondere bei der Einführung von Binnengrenzkontrollen, einschränken könnten.
Im Zentrum der Ausschuss-Debatte stand der Asyl- und Migrationspakt der EU. Nach dessen Implikationen fragten die ÖVP-Abgeordneten Corinna Scharzenberger, Ernst Gödl und Andreas Minnich sowie Maximilian Kölner (SPÖ), Christian Ries (FPÖ), Georg Bürstmayr (Grüne) und Stephanie Krisper (NEOS). Im Februar 2023 hätten die Mitgliedsstaaten erstmals ein klares Bekenntnis dazu abgelegt, dass der Außengrenzschutz eine gesamteuropäische Aufgabe sein müsse, erklärte Karner. Es sei klar geworden, dass das Asylsystem in der bisherigen Form nicht mehr funktioniere, da der Migrationsdruck auf Europa stetig gewachsen sei. Damit die im Pakt enthaltenen Maßnahmen, wie etwa rechtsstaatliche Verfahren an der EU-Außengrenze, umgesetzt werden könnten, müsse dieser Druck reduziert werden. Dies könne durch Drittstaatsmodelle gelingen, wie es Großbritannien und Ruanda demonstriert hätten, konstatierte Karner. Bereits 15 Mitgliedstaaten würden derartige (laut Karner von Österreich und Dänemark entwickelte) Modelle umsetzen wollen.
Die von Kölner angesprochene EU-weite Verteilung von Asylwerbern sah Karner als „ein falsches Signal“, insbesondere an die Schlepper. Diese würden dann davon ausgehen, dass sie die Geflüchteten bzw. Migrant:innen „nur nach Lampedusa“ zu bringen bräuchten, und diese schließlich weiter in der EU verteilt würden. Von Bürstmayr und Krisper nach dem österreichischen Schengen-Veto gegen Rumänien und Bulgarien gefragt, erklärte Karner, dass gerade für eine funktionierende Schengen-Zone ein intakter Grenzschutz unabdingbar sei. (Fortsetzung Innenausschuss) wit
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