Nationalrat: AMS wird digitaler, Erleichterung am Arbeitsmarkt für Ukrainer:innen kommt
Gesetzesvorlagen der Koalition erhalten Unterstützung von den NEOS
Zwei Änderungen am Arbeitsmarkt wurden in der Nationalratssitzung beschlossen und entsprechende Gesetzesänderungen mit den Stimmen von ÖVP, Grüne und NEOS verabschiedet. Die erste betrifft Ukrainer:innen : Sie sollen künftig die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erhalten, zudem soll die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre auch für ukrainische Jugendliche gelten. Die zweite Änderung betrifft AMS-Kund:innen : Antragstellungen auf Arbeitslosengeld sowie die Kommunikation zwischen AMS-Mitarbeiter:innen und Kund:innen sollen ab 1. Juli 2025 vorrangig elektronisch erfolgen. Außerdem werden Arbeitssuchende verpflichtet, sich zweimal pro Woche beim elektronischen Kommunikationssystem einzuloggen, um es auf Eingänge zu überprüfen.
FÜR SPÖ SIND ANFORDERUNGEN AN UKRAINER:INNEN ZU HOCH
„Es geht schon in der Früh recht emotional zu“, urteilte FPÖ-Mandatar Peter Wurm im Zuge der Debatte, um den Tagesordnungspunkt 1. Grünen-Abgeordnete Barbara Neßler begründete die Regierungsvorlage als eine „Bleibeperspektive für Arbeitende aus der Ukraine“. Konkret sollen Ukrainer:innen, die in den letzten 24 Monaten zwölf Monate lang vollzeitbeschäftigt waren die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erhalten. Das ermögliche „unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt“, weil die Arbeitnehmer:innen – anders als bei der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ – nicht auf ein bestimmtes Unternehmen und einen Ort beschränkt seien, sondern Arbeit in ganz Österreich erlaubt werde, führte ÖVP-Mandatarin Kira Grünberg aus. „Ukrainer:innen, die schon hier arbeiten, können dann jederzeit den Betrieb wechseln“, betonte sie. Grünberg sagte, dass die neue Regelung auch Rechtssicherheit für die Dienstgeber:innen bringen würde.
Josef Muchitsch (SPÖ) kritisierte am Vorstoß der Regierungsparteien nicht, dass Ukrainer:innen die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erhalten sollen, sondern, dass damit ein Gesetz beschlossen würde, „wo die Arbeitskräfte nicht bleiben dürfen“. Er begründete diese Aussage damit, dass mehrere Voraussetzungen dafür von den Ukrainer:innen kaum erfüllbar seien. Man müsste einen Rechtsanspruch auf eine Wohnung nachweisen, also entweder einen Mietvertrag oder einen unentgeltlichen Wohnvertrag haben – aus der Grundversorgung sei das nicht möglich. Deutschkenntnisse auf Niveau A1 müssten vorhanden sein und man müsste ein Monatseinkommen von 1.800 Euro netto vorlegen. „Eine Mutter mit zwei Kindern, das geht weit an der Realität vorbei“, führte Muchitsch aus. Er stellte die Frage, was im März 2025 mit jenen passieren würde, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen könnten.
FÜR FPÖ „ROT-WEISS-ROT-KARTE PLUS“ NICHT NOTWENDIG
Auch die Freiheitlichen äußerten sich kritisch gegenüber der Regierungsvorlage. Dagmar Belakowitsch führte ins Treffen, dass die Arbeitslosenzahl in Österreich derzeit bei 351.000 Menschen liegen würde und kritisierte, dass man hier nur über die Gruppe der Ukrainer:innen diskutiere. Zudem meinte sie, dass die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ nicht notwendig sei, da Ukrainer:innen bis März ohnehin den Vertriebenenstatus hätten, „den hätte man auch verlängern können“. Sie warf den Regierungsparteien vor, die Ukrainer:innen vorzuschieben und „die Tür für Flüchtlinge aus aller Herren Länder“ aufzumachen und „lieber im Ausland nach Arbeitskräften zu suchen“. „Wir haben keinen Arbeitskräftemangel“, zeigte sie sich – noch einmal verweisend auf die Arbeitslosenzahl vom Mai – überzeugt.
Bei dieser Gelegenheit forderte sie einmal mehr einen „Remigrationskommissar“ auf EU-Ebene.
„Wir haben der Ukraine ein Versprechen gegeben, so gut wir können zu helfen“, entgegnete Barbara Neßler (Grüne). Neben den zur Debatte stehenden Erleichterungen für den Arbeitsmarktzugang würden derzeit auch Beratungen laufen, das temporäre Bleiberecht auf 2026 auszuweiten. Man sei sehr großzügig gewesen, was Flüchtlinge aus der Ukraine betroffen habe, meinte Peter Wurm (FPÖ). Er verwies darauf, dass es um „massive Veränderungen am Arbeitsmarkt“ ginge, eine „ankündigende Wirtschaftskrise, steigende Arbeitslosigkeit“. Diese Entwicklungen würden negativ weitergehen. Bei dieser Gelegenheit kommentierte er die Abwesenheit von Arbeitsminister Martin Kocher im Hohen Haus: „Das ist vielleicht der Grund warum Bundesminister Kocher schwänzt – weil er die negativen Zahlen nicht kommentieren will.“ Seiner Meinung nach, sei die Regierung „verantwortlich für die negative Entwicklung am Arbeitsmarkt“. „Sie importieren Probleme“, so Wurm.
Daraufhin meldete sich Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler zu Wort. Sie führte aus, dass Kocher in den letzten Tagen bei der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin gewesen sei und auch heute noch Gespräche dazu führen würde. Die Staatssekretärin betonte, dass man den Ukrainer:innen mit der Gesetzesänderung eine „Zukunftsperspektive“ geben würde und auch die Firmen so wissen würden, dass sie die Mitarbeiter:innen „abgesichert behalten können“. Zudem handle es sich nicht um eine „große Zahl, es sind maximal 7.800 Personen“. Sie verteidigte zudem die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ als einzige Möglichkeit für Jobs, in denen es einen Facharbeitermangel gebe, Menschen aus Drittstaaten zu gewinnen und anzustellen. Welche Bereiche das seien, werde immer wieder evaluiert.
NEOS FORDERN ÄNDERUNGEN BEI DER „ROT-WEISS-ROT-KARTE“
Beim Thema „Rot-Weiss-Rot-Karte“ und der damit einhergehenden Bürokratie hakte NEOS-Mandatar Gerald Loacker ein. Er ist überzeugt, dass „wir einen Arbeitskräftemangel auf breiter Front“ haben, der sich aus demografischen Gründen noch verschärfen werde. Die „Rot-Weiss-Rot-Karte“ in der derzeitigen Form ist für Loacker „der falsche Weg“. Deshalb brachte er einen Entschließungsantrag ein, mit dem er fordert, dass das Verfahren „auf eine Behörde“ zusammengezogen werden solle und die Bearbeitungsdauer der Anträge auf die „Rot-Weiss-Rot-Karte“ auf eine Woche verkürzt werden müssten. In der Abstimmung erhielt er Unterstützung von der SPÖ.
Die Regierungsvorlage wurde von den NEOS unterstützt und ohne die Stimmen von FPÖ und SPÖ angenommen.
ÖVP UND GRÜNE VERSICHERN: ANALOGE KONTAKTE ZUM AMS BLEIBEN BESTEHEN
Im Anschluss wurde die nächste Regierungsvorlage diskutiert, die von den Sozialdemokrat:innen abgelehnt wurde. Alois Stöger (SPÖ) knüpfte an die Nationalratsdebatte vom Vortag über Digitalisierung an: „Wir haben gestern diskutiert, wie es Menschen geht, die keinen Zugang zu digitalen Geräten haben. Sie kommen nicht mehr an die Leistungen heran.“ Es sei wichtig, dass Arbeitslose direkten Kontakt mit Menschen haben würden, dass man nun alles digital mache, damit „sie zum Geld kommen“, ist für den SPÖ-Nationalrat unverständlich.
Irritiert zeigte sich ÖVP-Mandatarin Tanja Graf: „Wir machen nichts anderes, als zu sagen, die die arbeitslos sind, können in Zukunft den Antrag digital machen, sie müssen nicht ins AMS gehen. Wenn sie den Zugang nicht haben, können sie aber weiterhin zum AMS gehen und sich auch dort beraten lassen.“ Sie sieht darin eine Erleichterung und betonte: „Wir werden weiterhin beide Möglichkeiten haben.“
Dagmar Belakowitsch (FPÖ) wollte das nicht glauben: „Jetzt machen sie es noch parallel und dann fahren sie sukzessive zurück mit den sozialen Kontakten.“ Gerade bei Arbeitslosen würde es um eine vulnerable Gruppe gehen, um Personen in einer psychischen Ausnahmesituation. Die FPÖ-Abgeordnete plädierte für „das analoge Leben im öffentlichen Bereich“ und kritisierte, dass es dafür bei der Regierung „kein großes Bekenntnis“ gebe. Markus Koza (Grüne) führte ins Treffen, dass es beim AMS derzeit „in Wirklichkeit keine Betreuung“ gebe, sondern „nur Bürokratie erledigt“ würde. Durch das Gesetz bekämen die AMS-Mitarbeiter:innen mehr Zeit für die Menschen, die „betreuungsintensiver“ seien, zeigte er sich überzeugt. „Wir wissen, dass die Wiederaufnahme eines Jobs wahrscheinlicher ist, wenn sie sich besonders intensiv um Klient:innen kümmern können“, sagte Koza. Er verteidigte auch den Punkt, dass Arbeitssuchende künftig an zwei Werktagen pro Woche im elektronischen Kommunikationssystem des AMS nachschauen müssen, ob sie eine Nachricht erhalten hätten. Damit sei klar festgelegt, wie oft man nachschauen muss, das schütze vor „Willkür“ und man müsse sich nicht rechtfertigen, wenn man nicht tagesaktuell auf zugesandte Jobvorschläge reagieren würde.
KRAUS-WINKLER: WEG IN DIE DIGITALE ZUKUNFT WIRD AUFBEREITET
Christian Drobits (SPÖ) zweifelt an, dass es sich um eine „Kann“-Bestimmung handle, denn im Gesetzestext sei von „vorrangig“ die Rede beim Einbringen von Anträgen im elektronischen Kommunikationssystem des AMS. Ein Drittel der Arbeitslosen sei nachweislich nicht fit genug, hier digital zu kommunizieren, führte er aus. Diese Bedingungen seien in der Lage Menschen auszuschließen. NEOS-Nationalrat Gerald Loacker wies darauf hin, dass es bereits einen digitalen Zugang zum AMS gebe. 110 Tage sei der Schnitt der Arbeitslosigkeit, sehr viele würden also schnell wieder einen Job haben, so der NEOS-Mandatar. Für Loacker schaffen die Maßnahmen „Zeit und Luft für die Menschen, die mehr Betreuung brauchen.“ FPÖ-Mandatar Wurm entgegnete, dass am Ende des Tages der Zugang zum AMS nicht mehr gegeben sein werde. „Doch was machen dann die Betreuer:innen? Ist das der erste Schritt zur Auflösung des AMS?“, fragte er.
Staatssekretärin Kraus-Winkler pochte noch einmal darauf, dass es sich um eine „Kann“-Bestimmung handle. Weil dem AMS, neben den vielen analogen Angeboten, die Digitalisierungsmöglichkeit gegeben werden müsse. „Sie brauchen die Entscheidung jetzt, damit das AMS Zeit hat, das zu etablieren und umzusetzen“, so die Staatssekretärin. Sie zeigte sich überzeugt, dass es ein guter Weg sei, beides beizubehalten, aber der Weg in die „digitale Zukunft trotzdem aufbereitet wird“ – auch für die Generationen X, Y und Z, die mit digitalen Anwendungen aufwachsen.
Pia Philippa Beck (Fraktionslos) meldete sich als letzte zu Wort. Sie betonte, dass der Mensch im Vordergrund stehen müsste und man darauf achten sollte, niemanden „zu überfordern“. Zudem führte sie das Thema Datenschutz an, das sie als „offene Flanke beim AMS“ sieht.
Die Regierungsvorlage wurde von FPÖ und SPÖ abgelehnt, nur beim Punkt zur Regelung der Arbeitsstiftungen stimmten die Sozialdemokrat:innen zu. Dafür verlangte Alois Stöger (SPÖ) eine getrennte Abstimmung. (Fortsetzung Nationalrat) map
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