Krieg Aller gegen Alle? – Ausstellung „Die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg“ wurde im Parlament eröffnet

Historische Photographien, Dokumente und Karten werden in der Säulenhalle präsentiert

„Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre die Mir durch Gottes Gnaden noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren“, schreibt Kaiser Franz Joseph I am 28. Juli 1914. Doch: „Im Rate der Vorsehung ward es anders beschlossen.“ Der Erste Weltkrieg forderte die Leben von 9,5 Millionen Soldaten und 6,5 Millionen Zivilist:innen, mehr als 21 Millionen blieben als Kriegsinvalide zurück.

Das Kriegsmanifest, aus dem diese Zeilen stammen, ist eines von vielen Exponaten, die im Rahmen der Ausstellung „Die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg“ im Parlament präsentiert werden. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka lud gestern anlässlich von 110 Jahren Kriegsbeginn zur Ausstellungseröffnung. Gezeigt werden Photographien, Dokumente und Karten aus dem Heeresgeschichtlichen Museum, dem Österreichischen Staatsarchiv, der Parlamentsbibliothek und dem Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Die Exponate illustrieren die schweren militärischen Verluste, die zunehmende Ernährungskatastrophe für die Zivilbevölkerung, die innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten sowie die außenpolitische Niederlage mit dem Ende der Habsburgermonarchie in Folge des „Kriegs Aller gegen Alle“, wie es der badische Gesandte in Berlin formulierte. Nach Eröffnungsworten des Nationalratspräsidenten hielt der ehemalige Vizepräsident der ÖAW Universitätsprofessor Arnold Suppan einen Vortrag zu der von ihm kuratierten Ausstellung.

NATIONALRATSPRÄSIDENT SOBOTKA ZEIGT GEGENWARTSBEZÜGE AUF

Der Erste Weltkrieg habe nicht nur in seiner Historizität eine wesentliche Bedeutung für das Parlament, führte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in seinen einleitenden Worten aus, sondern weise auch auf mehreren Ebenen Aktualitätsbezüge auf. So stellte die damalige Umwälzung der alten Ordnung und die daraus resultierenden demokratischen Entwicklungen einen „Wendepunkt“ dar. Noch heute sei es notwendig die Errungenschaften jener Zeit gegen ein „Amalgam“ aus Gefahren für die Demokratie zu verteidigen, erklärte Sobotka und nannte etwa Verschwörungserzählungen oder „alten und neuen Antisemitismus“.

Doch auch die gegenwärtigen geopolitischen Verwerfungen erinnerten an die damaligen machtpolitischen Mechanismen. Neben Russland und China hob Sobotka den Konflikt im Nahen Osten und die darin entscheidenden Einflussnahmen von Groß- und Regionalmächten hervor. Der Angriff der Hamas auf Israel sei auch ein „kalkulierter“ Angriff auf „unsere Lebensart“ und die demokratische Ordnung zu verstehen.

Sich mit Themen wie dem Ersten Weltkrieg zu befassen, könne also auch zur Stärkung der Demokratie beitragen, konstatierte Sobotka. Dies sei neben anderen Maßnahmen zur Demokratieförderung notwendig, um dieses „kostbare Gut“ auch für die nächsten Generationen zu bewahren.

UNIVERSITÄTSPROFESSOR SUPPAN ÜBER DEN WEG IN DIE „URKATASTROPHE“

Universitätsprofessor Arnold Suppan beleuchtete in seinem Vortrag die politischen und ökonomischen Hintergründe, den Verlauf und die Auswirkungen des Kriegsgeschehens, nicht zuletzt auf die Zivilbevölkerung. Vom tödlichen Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie ausgehend, zeichnete er die europäische „Kettenreaktion“ an Mobilmachungen, Ultimaten und Kriegserklärungen nach, die dazu führte, dass sich binnen zwei Wochen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich mit Russland, Frankreich und Großbritannien im Kriegszustand befand. Am Höhepunkt des Krieges seien rund 90 % der Weltbevölkerung darin involviert gewesen, wie Suppan ausführte. Am Ende stand die Niederlage und der Untergang der Monarchie. Unter den 9,5 Millionen Gefallenen des Weltkriegs waren etwa 1,2 Millionen habsburgische Soldaten.

Laut Suppan habe bei der Kriegserklärung des Kaisers an Serbien am 28. Juli 2024 kaum jemand mit den verheerenden Dimensionen gerechnet, die dieser Konflikt annehmen würde – im öffentlichen Bewusstsein sei die „Abrechnung“ mit Serbien vorrangig gewesen. Angestachelt von „Zeitungen, Ministern und Generälen“ habe auch niemand den Zerfall der Habsburgermonarchie antizipieren können. Schließlich seien sich auch die Militärs erst später der Schrecken bewusst geworden, die die neuen Formen der Kriegsführung unter Masseneinsatz moderner Waffensysteme gebracht hätten. Suppan sprach von einer „seltsamen Mischung aus patriotischer Begeisterung, Ängsten und Unwissenheit“, die in die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts geführt habe. (Schluss) wit

HINWEIS: Fotos von dieser Ausstellung finden Sie im Webportal des Parlaments.

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