Nationalratsabgeordnete schicken E-Impfpass in den Vollbetrieb
Medikamente: Regelungen gegen Engpässe beschlossen und Rotes Kreuz darf Arzneimittel ausgeben
Die Sicherung der Versorgung mit Medikamenten stand auf der heutigen Tagesordnung im Nationalrat. In einem von den Koalitionsparteien vorgelegten Gesetzesantrag ging es um die Verlängerung des von der Regierung gewährten Infrastruktursicherungsbeitrags für Arzneimittel-Großhändler bis 2025 und darum, rechtlich zu verankert, dass das Rote Kreuz Medikamente an „bedürftige Personen“ abgeben darf. Der Antrag fand mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie von SPÖ und NEOS eine breite Mehrheit. Außerdem standen Änderungen im Medizinproduktegesetz zur Debatte. Es handelte sich dabei um EU-Vorgaben hinsichtlich Engpässen bei Produkten, bei denen noch Regelungslücken auf nationaler Ebene bestanden. Die NEOS unterstützten die Regierungsvorlage. Außerdem wurde mit einer Novelle des Gesundheitstelematikgesetzes der Vollbetrieb des E-Impfpasses verabschiedet sowie die Anbindung der Rettungsdienste und der Hotline 1450 an ELGA – ohne die Stimmen der FPÖ.
VERSORGUNGSSICHERHEIT: ANPASSUNG AN EU-VORGABEN UND -VERORDNUNGEN
Ralph Schallmeiner (Grüne) bezeichnete die Änderung im Medizinproduktegesetz als „mäßig spannend“, da es sich nur um Anpassungen technischer Art an EU-Vorgaben und -Verordnungen handle. Im Konkreten werden Regelungslücken „im Bereich der weiteren Bereitstellung auf dem Markt von bereits in Betrieb genommenen“ Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika geschlossen. Angesichts der Berichte von Angehörigen der Gesundheitsberufe über unmittelbar drohende Engpässe bei bestimmten medizinischen Produkten sei es dringend erforderlich, die Gültigkeit von Bescheinigungen und den Übergangszeitraum für das rechtmäßige Inverkehrbringen zu verlängern, heißt es in den Gesetzeserläuterungen.
Da hakte Gerhard Kaniak (FPÖ) ein. Diese Richtlinien seien schon vor Jahren in der EU beschlossen worden, die Bundesregierung sei bisher säumig gewesen. Man stehe vor dem Problem, dass viele Produkte die Weiterzertifizierung oder Neuzertifizierung nicht bekommen würden, weil nun die zuständigen Stellen überfordert seien. Bei der jetzigen Regierungsvorlage handle es sich um „Übergangsbestimmungen, die nicht vollständig durchdacht“ seien, begründete Kaniak, warum die Freiheitlichen nicht zustimmten. Auch die Sozialdemokrat:innen unterstützten den Vorschlag von Grünen und ÖVP nicht. Die Bestimmungen seien sehr weit gefasst, noch immer könnten Engpässe entstehen. SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum stieß sich vor allem an unklaren Definitionen im Gesetzestext. So sei etwa zu lesen, dass Medizinprodukte nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn daraus „kein unannehmbares Risiko“ für Personen entstehe. Was als „unannehmbares Risiko“ gelte, sei nicht klar definiert. Nussbaum zeigte sich überzeugt, dass die Versorgungssicherheit in Österreich und der EU verbessert werde, wenn Konzerne, die hier verkaufen wollen, zum Teil auch hier produzieren sollten.
Minister Johannes Rauch räumte ein, dass die EU-Mitgliedsstaaten in großer Abhängigkeit von einzelnen Herstellern und Wirkstoffen aus Südostasien seien, deshalb gebe es die Bestrebungen, in der EU einen Rahmen zu schaffen, um die Versorgung zu sichern, die man auch unterstütze.
UNTERSTÜTZUNGSZAHLUNGEN FÜR ARZNEIMITTEL-GROSSHÄNDLER
Der nächste Tagesordnungspunkt war für Ralph Schallmeiner „spannender“. Weil bestimmte Medikamente aus Rentabilitätsgründen knapp werden könnten, soll der 2023 beschlossene Infrastruktursicherungsbeitrag für Arzneimittel-Großhändler bis 2025 verlängert werden. Damit werde garantiert, dass die Produkte bei Bedarf da seien und es „halbwegs kostendeckend“ für die Großhändler sei, so der Grünen-Nationalratsabgeordnete. Die Bundesregierung setze nur Ad-hoc-Schritte, kritisierte FPÖ-Abgeordneter Kaniak, dabei brauche es eine strukturelle Veränderung. Man habe eine Wirkstoffbevorratung von Großhändlern, niemand hätte sich überlegt, wie man die Wirkstoffpulver zur Anwendung bringen soll. „Man muss sie portionieren und gebrauchsfertig machen“, betonte Kaniak. Das könnte man nur auf Ebene von Apotheken oder Krankenanstalten machen. Obwohl das Problem richtig identifiziert sei – nämlich die mangelhafte Bevorratung im Inland -, sei die Lösung ungenügend. Er sprach sich für eine nochmalige Überarbeitung aus und brachte einen Rückverweisungsantrag zum Gesundheitsausschuss ein. Auch NEOS-Abgeordneter Loacker übte Kritik. Das Problem werde damit nicht gelöst. Weil die Sozialversicherung besonders wenig für Medikamente bezahle, sei Österreich kein attraktiver Kunde für diejenigen, die Medikamente über den Großhandel verteilen. Wenn man dann das Medikament nicht mehr zur Verfügung stelle, fehle es den Patient:innen. Mit dem Strukturbeitrag hantle man sich nur um ein Jahr weiter, so Loackers Urteil. Martina Diesner-Wais (ÖVP) betonte hingegen, dass der Beitrag eine gute Sache sei, da sich gezeigt habe, dass Arzneimittel mit geringeren Preisen am schnellsten ausgehen würden.
KOSTENLOSE MEDIKAMENTENAUSGABE DURCH ROTES KREUZ
Im selben Gesetzesantrag findet sich die rechtliche Absicherung der unentgeltlichen Medikamentenausgabe durch das Rote Kreuz und seiner Zweigvereine für humanitäre Zwecke an Bedürftige. Auch Rezeptpflichtige Medikamente sind von der Regelung umfasst, wenn ein entsprechendes Rezept vorgelegt werde. Obwohl über Parteigrenzen hinweg Einigkeit bestand, dass Menschen ohne Versicherungsschutz mit Arzneimitteln versorgt werden müssen, gab es Kritik am Regierungsvorschlag. Schon vor der Debatte brachten Grüne und ÖVP einen Abänderungsantrag ein, um etwaige kritische Punkte auszuräumen. So führte Alexandra Tanda (ÖVP) aus, dass den Bedenken der Apotheken begegnet werde, wonach der Apothekenvorbehalt ausgehebelt werde und irgendwann auch Medikamente in Kaufhäusern erhältlich sein würden. Das Rote Kreuz solle die notwendigen Vorräte nur zur kostenfreien Versorgung Bedürftiger halten dürfen. Bezogen werden dürfe von Herstellern und Großhändlern, Medikamentenspenden dürften angenommen werden. Außerdem enthielt der Abänderungsantrag die Bestimmung, dass ein Konsiliarapotheker vierteljährlich die Qualität des Arzneimittelvorrats überprüft. 25.000 Menschen seien in Österreich ohne Versicherungsschutz, erklärte ÖVP-Abgeordnete Martina Diesner-Wais, es handle sich um Geflüchtete, Studierende, Obdachlose, Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen und Kinder.
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde eine Lücke geschlossen, führte Minister Rauch aus. Die Abgabe von Medikamenten durch das Rote Kreuz oder dort ehrenamtlich tätige Ärzt:innen sei bisher illegal oder im Graubereich gewesen. „Menschen standen mit einem Fuß im Kriminal“, so der Minister.
NEOS-Abgeordneter Loacker kritisierte, dass im Antrag von der Abgabe von Medikamenten an „Bedürftige“ die Rede sei, jedoch nicht enthalten sei, wer bedürftig sei. Davon, dass es Personen ohne Sozialversicherung seien, sei nichts zu lesen. Außerdem prangerte er an, dass auch andere soziale Einrichtungen und Organisationen in diesem Bereich tätig seien, aber das Rote Kreuz hier „das Monopol“ bekomme. „Warum? Weil es eine ÖVP-Teilorganisation ist“, zeigte sich Loacker überzeugt. Auch FPÖ-Mandatar Kaniak sprach von Lobbying. Man schaffe eine Regelung, die klar einem anderen Gesetz widerspreche. Es würden Ausnahmebereiche geschaffen werden, die mehr Unsicherheit herstellten, als auflösten. Mario Lindner (SPÖ) hingegen begrüßte, dass die jahrzehntelange Praxis nun gesetzlich geregelt werde. Für ihn gab allerdings Anlass für Kritik, dass es keine Begutachtung gegeben hätte. Nun gebe es massive verfassungsrechtliche Bedenken seitens der Apothekerkammer.
Am Ende stimmten NEOS sowie SPÖ dem Gesetz zur Verlängerung des Infrasturkturbeitrags und der Medikamentenabgabe samt Abänderungsantrag zu. Die Freiheitlichen gingen nicht mit. Ihr Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuss wurde abgelehnt.
E-IMPFPASS WIRD AUSGEBAUT
Eine weitere Neuerung in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung wird kommen: der E-Impfpass. ÖVP und Grüne legten eine umfassende Novelle des Gesundheitstelematikgesetzes vor, die den Vollbetrieb des elektronischen Impfpasses (E-Impfpass) sowie die Anbindung der Rettungsdienste und der Hotline 1450 an ELGA regeln soll. Ralph Schallmeiner (Grüne) fasste zusammen, dass es darum gehe, den E-Impfpass zum zentralen Planungstool für die Gesundheitsentwicklung im Land auszubauen und Organisationen Zugriff auf die Gesundheitsdaten zu geben. „In anderen Ländern ist das schon längst gang und gebe“, betonte er.
Ein wesentlicher Bestandteil des E-Impfpasses ist das zentrale Impfregister, das der elektronischen Dokumentation aller durchgeführten Impfungen sowie von impfrelevanten Informationen dient. Zugriff darauf soll laut Regierungsvorlage nur eine bestimmte Gruppe von Behörden, Organisationen und Berufsgruppen haben.
Schwere Kritik kam von den Freiheitlichen. „Wir sehen die Entwicklung, dass jeder Mensch seine Gesundheitsdaten abgeben muss und zum gläsernen Bürger wird“, so FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm. Fraktionskollege Gerhard Kaniak stieß sich auch daran, dass die Datensammlung von der Verantwortlichkeit von ELGA an jene des Gesundheitsministeriums übertragen werde. „Das hat hier nichts verloren, daher werden wir nicht zustimmen“, betonte er. Anders als bei ELGA gebe es auch keine Möglichkeit, sich vom E-Impfpass abzumelden, führte Wurm ins Treffen. Er ist sich sicher, dass auch die E-Card ein Schlüssel zu allen Daten sei. Gesundheitsdaten seien dort gespeichert und sichtbar, das werde in den kommenden Jahren noch ausgebaut, meinte Wurm. Minister Rauch entgegnete, dass man der Kritik der Datenschutzbehörde folge und Verbesserungen schaffe. Auf den Vorwurf von FPÖ-Mandatar Gerald Hauser, dass die Daten über den Europäischen Gesundheitsdatenraum direkt an die WHO weitergeleitet würden, antwortete Rauch, dass man sich von ELGA abmelden könne und das auch im Europäischen Gesundheitsdatenraum tun könne.
Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) betonte, dass sie sich nicht von ELGA abmelden werde, „es ist eine große Errungenschaft „. Wie SPÖ-Abgeordneter Rudolf Silvan, hält sie für einen großen Fortschritt, wenn in Notfällen Rettungsorganisationen und ihre Ärzt:innen Zugriff haben auf die Gesundheitsdaten – und etwa sehen, welche Medikamente man nehme. Die nunmehrige Novelle des Gesundheitstelematikgesetzes ist für Fiona Fiedler (NEOS) „wieder ein Schritt in die richtige Richtung“. Es sei bereits die 12. Änderung des Gesetzes seit 2020. „Wir könnten aber einmal einen großen Wurf machen“, hielt die NEOS-Nationalrätin fest. Sie erinnerte daran, dass die NEOS schon vor zwei Jahren gefordert hätten, was jetzt umgesetzt werde – die nachträgliche Eintragung von Impfungen.
Auch zu dieser Gesetzesänderung brachten ÖVP und Grüne einen Abänderungsantrag ein – damit würden noch einige „redaktionelle Versehen“ bereinigt, so Ralph Schallmeiner (Grüne). Nachdem über die Regierungsinitiative abgestimmt wurde, die nur von der FPÖ abgelehnt wurde, kam es zur Abstimmung über einen Entschließungsantrag der SPÖ. Die Sozialdemokrat:innen forderten die Regierung auf, Telemedizin in der Kinderambulanz am steirischen Landeskrankenhaus Stolzalpe voranzutreiben. Der Antrag wurde nicht angenommen. (Fortsetzung Nationalrat) map
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