Grün-Gas-Quote: Bundesrat schickt lückenhaftes Gesetz zurück an den Nationalrat

Einhelliger Einspruch wegen fehlender Kompetenzdeckungsklausel

Die von den Regierungsparteien angestrebte Einführung einer verpflichtenden Grün-Gas-Quote für Gasversorger ist bereits im Nationalrat an der fehlenden Zweidrittelmehrheit gescheitert. Da weder SPÖ noch FPÖ den dafür nötigen Verfassungsbestimmungen ihre Zustimmung erteilten, mussten diese aus dem sogenannten Erneuerbares-Gas-Gesetz gestrichen werden. Heute ist der Bundesrat nun auch in Bezug auf das verbliebene Rumpfgesetz auf die Bremse gestiegen. Die Bundesrät:innen stimmten einhellig dafür, dieses zurück an den Nationalrat zu schicken. Aufgrund der fehlenden Kompetenzdeckungsklausel könne das Gesetz nicht so wie vorgesehen vollzogen werden, wurde der Einspruch begründet.

Den Bundesrat passiert haben hingegen der Made-in-Europe-Bonus für Photovoltaik-Anlagen sowie eine Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz. Diese enthält nähere Bestimmungen in Bezug auf das ab 2025 geltende Einwegpfand für bestimmte Getränkegebinde wie Plastikflaschen und Aludosen.

Als neues Mitglied des Bundesrats wurde Maria Fischer (SPÖ/St) angelobt: Sie hat das Mandat von Elisabeth Grossmann übernommen, die in das Europäische Parlament gewechselt ist.

GRÜN-GAS-QUOTE SOLL AUSSTIEG AUS RUSSISCHEM GAS ERLEICHTERN UND KLIMA SCHÜTZEN

Mit dem einhelligen Einspruch gegen das Erneuerbares-Gas-Gesetz folgte der Bundesrat einer entsprechenden Empfehlung seines Wirtschaftsausschusses, die dieser auf Basis eines Antrags der Koalitionsparteien ausgesprochen hatte. Die Betrauung der E-Control als Regulierungsbehörde sei durch den Entfall der Verfassungsbestimmungen verfassungsrechtlich nicht mehr gedeckt und könne daher in dieser Form nicht in Kraft treten, heißt es unter anderem in der Einspruchsbegründung.

Ziel des Erneuerbares-Gas-Gesetzes ist es, die Abhängigkeit Österreichs von fossilem Erdgas durch im Inland produziertes erneuerbares Gas zu reduzieren und so auch die Versorgungssicherheit zu verbessern. Es enthält in diesem Sinn einen Zielpfad zur schrittweisen Erhöhung der Grün-Gas-Quote, wobei im Plenum des Nationalrats gegenüber dem ursprünglichen Entwurf noch einige Änderungen vorgenommen wurden. So wurde auf Initiative von ÖVP und Grünen nicht nur die Zielquote an erneuerbarem Gas für 2030 von 7,5 Terrawattstunden (TWh) auf 6,5 TWh gesenkt, sondern auch der bei Nichterfüllung der Quote vorgesehene Ausgleichsbetrag. Weiters sind im Gesetz Höchstgrenzen für den Einsatz von Getreide und Mais als Brennstoff zur Erzeugung von Biogas verankert. Ab 2035 sollte die Anrechnung dieser Art von Biogas auf die Grün-Gas-Quote gänzlich entfallen.

SPÖ BEFÜRCHTET KOSTENSTEIGERUNGEN FÜR HAUSHALTE

Die SPÖ hält die vorgenommenen Nachbesserungen allerdings für unzureichend. Ihre Partei teile die Ziele des Gesetzes, der gewählte Weg sei aber der falsche, machte Bundesrätin Bettina Lancaster (SPÖ/OÖ) geltend. Ihrer Meinung nach wäre es sinnvoller, ein Marktprämienmodell – ähnlich wie bei der Ökostromförderung – einzuführen. Die Quotenregelung könnte dazu führen, dass auf der einen Seite „Übergewinne“ produziert würden und auf der anderen Seite hohe Kosten für Konsument:innen und kleine Betriebe entstünden, warnte sie. Zustimmung signalisierte Lancaster zum beantragten Gesetzeseinspruch. Es mache keinen Sinn, einen Gesetzesrumpf „durchzudrücken“, erklärte sie.

ÖVP UND GRÜNE: GESETZ WÜRDE VIELE VORTEILE BRINGEN

Adi Gross (Grüne/V) erwartet sich demgegenüber, „wenn überhaupt“, nur geringfügige Kostenerhöhungen durch verpflichtende Biogas-Quoten. Biogas sei derzeit zwar noch teurer als Gas aus Russland, räumte er ein, es sei aber regional verfügbar und habe auch sonst zahlreiche Vorteile. So bleibe kein Abfall, sondern wertvoller Dünger übrig. Das Teuerste sei, in der Abhängigkeit von fossilem Gas zu bleiben, ist er überzeugt. Schließlich seien Preissteigerungen und enorme Preisschwankungen zu erwarten. Um die Kosten „für den Hochlauf“ zu reduzieren, sind ihm zufolge außerdem zahlreiche Förderungen vorgesehen.

Generell betonte Gross, dass das vorliegende Gesetz nicht nur ein zentraler Baustein für den Ausstieg aus russischem Gas wäre, sondern auch zu mehr Versorgungssicherheit, Planungssicherheit und Klimaschutz beitragen würde. Anders als beim Ökostromgesetz müssten sich Gasversorger aktiv darum bemühen, Grüngas zu besorgen. Auch sieht er eine große Chance für die Landwirtschaft und die lebensmittelverarbeitende Industrie. Man habe viel Arbeit in das Gesetz investiert und mit allen Betroffenen lange Diskussionen geführt, erklärte Gross und bedauerte in diesem Sinn, dass es letztlich zu keinem Konsens mit der SPÖ gekommen sei.

Die niederösterreichische ÖVP-Bundesrätin Viktoria Hutter warf der SPÖ vor, ohne entsprechende Grundlage Angst vor einer Verteuerung der Gaspreise und vor Lebensmittelverschwendung zu schüren. Der FPÖ wiederum gehe es wohl darum, die „russischen Freunde“ zu unterstützen, vermutet sie. Laut Hutter wäre es vor dem Hintergrund des Klimawandels aber wichtig, fossiles Erdgas durch Biogas zu ersetzen. Zudem sei es sinnvoll, dass Geld nicht ins Ausland fließe. Die Bundesrätin erwartet sich von einer Biogas-Quote zudem die Stärkung der heimischen Landwirtschaft.

FPÖ ORTET ZU VIEL IDEOLOGIE UND ZU WENIG „HAUSVERSTAND“

Im Gesetz sei „zu viel Ideologie und zu wenig Ökonomie und Hausverstand vorhanden“, begründete Michael Bernard (FPÖ/NÖ) die Ablehnung des Erneuerbares-Gas-Gesetzes durch die Freiheitlichen. Er sprach zudem von einem „sehr phantasielosen“ Fördermodell mit zu hohen Förderungen. Wie die SPÖ würde er ein Marktprämienmodell für zweckmäßiger halten. Die, die nicht in der Lage seien, erneuerbares Gas zu besorgen oder zu produzieren, würden bestraft. Bernard befürchtet außerdem, dass bestehende Anlagen abgebaut werden müssen. Sein Tiroler Fraktionskollege Christoph Steiner äußerte die Vermutung, dass Umweltministerin Leonore Gewessler den Gaspreis aus ideologischen Gründen absichtlich in die Höhe treiben wolle, und sieht insgesamt einen „Murks“, was die Vorgehensweise betrifft.

NEOS HÄTTEN VERPFLICHTENDE BIOGAS-QUOTE BEFÜRWORTET

Die NEOS hätten dem Gesetzesvorhaben zugestimmt, auch wenn die Quotenregelung nicht die beste Lösung sei, betonte Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W). Ihrer Meinung nach hätte man über ein Versteigerungsmodell nachdenken können. Durch das Gesetz würde aber die Abhängigkeit von russischem Gas verringert, machte die Bundesrätin geltend. Zudem verwies sie auf den Aspekt der Versorgungssicherheit und die Verringerung von CO2-Emissionen. Auch dass Kostenreduktionen in der Produktion an Konsument:innen weitergegeben werden hätten müssen, wertete sie als positiv.

GEWESSLER HOFFT AUF KONSENS IM ZWEITEN ANLAUF

Umweltministerin Leonore Gewessler wertete es als bedauerlich, dass es nicht gelungen sei, das Gesetz „über die Ziellinie zu bringen“. Mit dem Abänderungsantrag im Nationalrat habe man noch „an wesentlichen Schrauben gedreht“, um die Opposition zur Zustimmung zu bewegen, hob sie hervor. So sei man der SPÖ in vielen Punkten entgegenkommen, etwa was einen beschleunigten Ausstieg aus dem Einsatz von Mais und Getreide bei der Biogasproduktion betrifft. Es gebe aber einige Bestandsanlagen, an denen Arbeitsplätze und lokale Wertschöpfung hängen, gab Gewessler zu bedenken. Man müsse den Ausstieg ohne Insolvenzen oder die Gefährdung von Arbeitsplätzen schaffen. Neue Anlagen dürften ohnehin nur Reststoffe verwerten.

Verteidigt wurde von der Ministerin auch die Quotenregelung: Anders als beim Marktprämienmodell würden die Gasversorger in die Pflicht genommen und die Kosten „nicht auf viele umgelegt“. Sie habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass im zweiten Anlauf eine breite Mehrheit für das Gesetz gefunden werden könne, unterstrich sie.

Infolge des Einspruchs des Bundesrats hat der Nationalrat nun die Möglichkeit, das Gesetz zu überarbeiten oder einen Beharrungsbeschluss zu fassen. Letzteres ist allerdings eher unwahrscheinlich, da der Einspruch auf Initiative von ÖVP und Grünen erfolgte. Setzt sich der Nationalrat vor den Wahlen am 29. September nicht mehr mit dem Einspruch auseinander, ist der ursprüngliche Gesetzesbeschluss hinfällig, das heißt, das Gesetz tritt nie in Kraft.

„MADE IN EUROPE“-BONUS FÜR PHOTOVOLTAIK-ANLAGEN

Breite Zustimmung im Bundesrat erhielt die Novelle zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Sie erlaubt es Umweltministerin Leonore Gewessler per Verordnung – im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsminister -, einen Zuschlag von 20 % auf Investitionszuschüsse für größere Photovoltaikanlagen und Stromspeicher festzulegen. Voraussetzung dafür ist, dass die Anlage technische Komponenten europäischen Ursprungs enthält. Gegen das Gesetz stimmten lediglich die NEOS. (Fortsetzung Bundesrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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