Breite Mehrheit im Bundesrat für „drittes“ Pflegepaket
Diplomiertes Pflegepersonal kann künftig auch bestimmte Medikamente verschreiben
Im Nationalrat war die Aufregung vergangene Woche groß, nachdem ÖVP und Grüne kurzfristig einen umfangreichen Abänderungsantrag zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz mit neuen Befugnissen für diplomiertes Pflegepersonal und für Pflegefachassistent:innen sowie Neuerungen im Ausbildungsbereich eingebracht hatten. Man habe nicht einmal Zeit, sich alle Vorschläge bis zur Abstimmung durchzulesen, zeigte sich die Opposition empört. Im Bundesrat hat die FPÖ dem entsprechenden Gesetzespaket nun allerdings ihre Zustimmung erteilt. Gemeinsam mit den Koalitionsparteien sprach sie sich dafür aus, keinen Einspruch gegen den Nationalratsbeschluss zu erheben. Auch weitere Gesetzesvorlagen aus dem Sozialbereich sowie eine Bund-Länder-Vereinbarung haben die Länderkammer – teils einstimmig, teils mehrheitlich – passiert.
Insgesamt hat der Bundesrat heute und gestern 56 Gesetzesbeschlüsse des Nationalrats, fünf Staatsverträge und vier Bund-Länder-Vereinbarungen in Verhandlung genommen. Mit Ausnahme des sogenannten Erneuerbares-Gas-Gesetzes (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 817/2024) sind diese nun alle endgültig auf Schiene.
UNFALLRENTE WIRD AB 2025 NICHT MEHR AUF AUSGLEICHSZULAGE ANGERECHNET
Konkret wird diplomiertes Pflegepersonal ab September 2025 selbstständig Arzneimittel in den Bereichen Nahrungsaufnahme, Körperpflege und Pflegeintervention verschreiben dürfen. In anderen Bereichen wird eine Weiterverschreibung von ärztlich verordneten Medikamenten möglich sein. Zudem werden Sonderausbildungen bzw. Spezialisierungen für den gehobenen Pflegedienst – mit einer längeren Übergangsphase – künftig ausschließlich im tertiären Bildungssektor angesiedelt sein und das Tätigkeitsfeld des gehobenen Pflegedienstes flexibler gestaltet. Das Aufgabengebiet von Pflegefachassistent:innen wird um die Assistenz bei der chirurgischen Wundversorgung und die Verabreichung von Infusionen ohne medikamentöse Wirkstoffe erweitert.
Darüber hinaus sieht das Gesetzespaket vor dem Hintergrund der geplanten Erweiterung des Pflegestipendiums auf Pflegeausbildungen an Fachhochschulen vor, dem AMS künftig weitere 20 Mio. € jährlich aus dem Budget des Sozialministeriums zu überweisen. Weiters werden Versehrtenrenten und andere Geldleistungen der Unfallversicherung wie Versehrtengeld und Betriebsrente ab 1. Jänner 2025 nicht mehr bei der Berechnung der Ausgleichszulage und bei der Sozialhilfe berücksichtigt.
SPÖ KRITISIERT UNKLARE BEGRIFFLICHKEITEN
In der Debatte betonte Bundesrat Christian Fischer (SPÖ/NÖ), dass die SPÖ dem Gesetzespaket ursprünglich zustimmen habe wollen. Durch den im Nationalrat eingebrachten umfangreichen Abänderungsantrag sei ihr das nun aber nicht mehr möglich. Fischer ortet unter anderem unklare Begrifflichkeiten im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Zudem erwartet er Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Bestimmungen in der Praxis. Grundsätzlich warnte Fischer vor privaten Investoren im Pflege- und Gesundheitsbereich. Er befürchtet einen „Ausverkauf“ von Gesundheitseinrichtungen.
Zustimmung zum Gesetzespaket signalisierte hingegen Markus Steinmaurer (FPÖ/OÖ). Er erwartet sich davon nicht zuletzt Verbesserungen für die Pflege zu Hause.
Seitens der Grünen zeigte sich die oberösterreichische Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger davon überzeugt, dass die Neuformulierung und Ausweitung der Kompetenzen des gehobenen Dienstes im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege im Sinne der Patient:innen sei. Johanna Miesenberger (ÖVP/OÖ) wies unter anderem auf die Valorisierung des Angehörigenbonus für pflegende Angehörige im kommenden Jahr und die angestrebte Beschleunigung der Nostrifizierung von ausländischen Pflegeausbildungen hin. Insgesamt erwartet sie sich vom „dritten Pflegepaket“ die Gewinnung zusätzlicher Fachkräfte. Die Neuregelung bei der Unfallrente ist für Miesenberger eine wichtige Maßnahme für sozial Schwächere.
GERINGERE PENSIONSABSCHLÄGE
Laut Sozialminister Johannes Rauch enthält das Gesetzespaket auch eine Maßnahme zugunsten von Pflegekräften, die Schwerarbeit leisten. Für Beschäftigte, die vor Vollendung des 60. Lebensjahrs eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension in Anspruch nehmen, würden die Pensionsabschläge von derzeit 13,8 % auf 9 % gesenkt, sofern innerhalb der letzten 20 Jahre vor dem Stichtag zehn Schwerarbeitsjahre liegen. Das gelte nicht nur, aber auch für Pflegekräfte, sagte er. In diesem Sinn äußerte er sich über die Ablehnung des Gesetzes durch die SPÖ verwundert.
Was die Möglichkeit der Weiterverschreibung von Medikamenten durch diplomierte Pflegekräfte betrifft, machte Rauch geltend, dass diese Forderung aus der Berufsgruppe komme. Der Ärztevorbehalt, den es in mehreren Bereichen gebe, sei „antiquiert“, meinte er. Zudem wies Rauch auf zusätzliche Mittel für die Sozialversicherung hin, was eine Stärkung der Selbstverwaltung bedeute.
MEHR BEFUGNISSE FÜR HEIMHELFER:INNEN
Auch dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2024 mit Dutzenden Detailänderungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts, der Verankerung einer Übergangsbestimmung für Sozialpädagog:innen im Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz und einer Änderung der Bund-Länder-Vereinbarung zum Berufsbild und zur Ausbildung von Sozialbetreuungsberufen legte der Bundesrat keine Steine in den Weg. Heimhelfer:innen, die das Modul „Unterstützung bei der Basisversorgung“ absolviert haben, werden demnach künftig – auf Anweisung von Gesundheitspersonal – auch Blutdruck, Puls und Temperatur messen sowie bei der Kontrolle des Blutzuckers mittels digitaler Geräte und der Verabreichung von ärztlich verordneten Augen-, Nasen- und Ohrentropfen behilflich sein dürfen. Zu diesem Zweck werden die theoretische und die praktische Ausbildung verlängert. Überdies wird das Mindestalter für Fach-Sozialbetreuer:innen und für diplomierte Sozialbetreuer:innen auf 18 Jahre herabgesetzt.
STÄRKUNG DER BEHINDERTENANWALTSCHAFT
Schließlich waren sich die Bundesrät:innen in Bezug auf eine Novelle zum Verbrechensopfergesetz sowie ein Gesetzespaket zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung einig. Mit diesem wird unter anderem die Behindertenanwaltschaft und der Bundesbehindertenbeirat gestärkt und der Österreichische Behindertenrat als Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung finanziell abgesichert. Zudem werden Unternehmen mit mindestens 400 Beschäftigten zur Bestellung eines bzw. einer Barrierefreiheitsbeauftragten verpflichtet. Auch bürokratische Erleichterungen bei der Beantragung eines Behindertenpasses sind Teil des Pakets.
Die Novellierung des Verbrechensopfergesetzes zielt darauf ab, Verfahren über Ansprüche von Opfern zu beschleunigen, um allenfalls bereits vor Abschluss des Strafverfahrens eine Entscheidung treffen zu können. Außerdem werden im Kriegsopferversorgungsgesetz und im Impfschadengesetz Klarstellungen in Bezug auf die Übernahme der Kosten von nichtamtlichen Sachverständigen getroffen.
Keine Mehrheit erhielt ein Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die Schaffung eines Inklusionsfonds nach dem Vorbild des Pflegefonds. Aus dem Fonds könnten Bundesrätin Korinna Schumann zufolge eine gesetzliche Kranken- und Pensionsversicherung für Menschen in Behindertenwerkstätten sowie Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderung finanziert werden. (Schluss Bundesrat) gs
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