„Quantenjubiläum“: ÖAW-Institute in Innsbruck und Wien werden 20

Präsident Faßmann: „ÖAW hat wesentlich dazu beigetragen, Österreich zum Land der Quanten zu machen.“

Die österreichische Quantenforschung befindet sich seit Jahren auf der Überholspur. Dass heimische Quantenforscher:innen weltweit zur Avantgarde des Fachs zählen, hat auch mit der herausragenden Infrastruktur im Land zu tun. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) betreibt in Innsbruck und Wien quantenphysikalische Grundlagenforschung, die nun ein rundes Jubiläum begeht: Vor 20 Jahren wurde das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) gegründet, in enger Anbindung an die Universitäten in Innsbruck und Wien. Seitdem erforscht man die Grundlagen der Quantenphysik und denkt sie weiter bis zur Anwendung. 

„Österreich hat eine weltweit führende Rolle in der Quantenforschung eingenommen. Das hat der Nobelpreis an Anton Zeilinger deutlich gemacht“, sagt ÖAW-Präsident Heinz Faßmann: „Eine solche Spitzenposition in der internationalen Forschung fällt nicht vom Himmel. Zeilinger genauso wie seine Innsbrucker Kollegen Rainer Blatt, Hans Briegel, Rudolf Grimm und Peter Zoller haben über Jahrzehnte Herausragendes in der theoretischen und experimentellen Physik geleistet. Und sie haben als Lehrer die nächste Generation der österreichischen Quantenforschung mitaufgebaut. Wichtig für diesen Erfolgskurs war und ist ein exzellenter Ort, an dem die besten Köpfe mit der besten Infrastruktur die besten Ideen entwickeln können. Unsere Akademie-Institute sind so ein Ort. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, Österreich zu einem Land der Quanten zu machen.“

PIONIERE DER ÖSTERREICHISCHEN QUANTENPHYSIK

Ein Blick zurück: Anton Zeilinger war es, der 1997 in der Fachzeitschrift Nature eine Arbeit über die erste Teleportation eines Teilchens veröffentlicht hatte. Weitere Weltrekorde in der Quantenverschränkung folgten. In Innsbruck wurden erste Grundlagen für den Quantencomputer gelegt. 

Peter Zoller machte mit seinem Kollegen Ignacio Cirac 1995 erstmals den Vorschlag zur Realisierung eines Quantencomputers mittels Ionen in Paul-Fallen, Rainer Blatt konstruierte im Labor die Grundbausteine eines solchen Computers. Rudolf Grimm wiederum realisierte 2003 das weltweit erste Bose-Einstein-Kondensat aus Cäsiumatomen, was neue Einblicke in die quantenmechanischen Eigenschaften von Atomen ermöglichte. Das Gründungsteam der wissenschaftlichen Instituts-Direktoren wurde verstärkt durch Hans Briegel, der mit der Idee für Quantenrepeater die Basis für ein zukünftiges Quanten-Internet legte. 

NÄCHSTE GENERATION BLICKT IN DIE ZUKUNFT

Heute wird in Innsbruck und Wien weiter Pionierarbeit an der Weltspitze geleistet – mittlerweile in elf Forschungsgruppen, Schulter an Schulter mit den nächsten Generationen der Quantenphysik. Die Forschung kreist aktuell um die offenen Fragen des Fachs, von neuen Quantenzuständen der Materie bis hin zu den philosophischen Grundlagen der Quantenphänomene, die oftmals dem Alltagsverständnis widersprechen. Am ÖAW-Institut in Wien wurde kürzlich ein neuer Forschungsschwerpunkt zur Quantenphysik von Gravitation und Raumzeit etabliert, um die Schnittstelle zu Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und der Rolle von Raum und Zeit in der Quantentheorie zu untersuchen. Denn: Bis heute ist unbekannt, ob die Gesetze der Quantenphysik auch für die Schwerkraft gelten. 

In Innsbruck arbeitet man daran, die Grenzen des Verständnisses in der Quantenoptik, Quantensimulation und Quanteninformation zu erweitern, was bereits zu bedeutenden Forschungsergebnissen geführt hat, etwa der Identifizierung exotischer supersolider Materiezustände oder der Kontrolle von sogenannten Vielteilchen-Dunkelzuständen. „Die Synergie zwischen Theorie und direktem Experiment ist ein besonderes Markenzeichen unseres Forschungsansatzes. Innerhalb unseres Instituts fördern wir kollaborative Strukturen und den Austausch von Ideen zwischen den Gruppen, wodurch eine sehr lebendige und effektive Forschungsumgebung entsteht“, sagt Francesca Ferlaino, die seit 2014 dem Institut als Wissenschaftsdirektorin angehört. 

Dass der wissenschaftliche Weg der ÖAW-Institute vielversprechend ist, zeigen nationale und internationale Auszeichnungen, wie die Beteiligung am Exzellenzcluster des Wissenschaftsfonds FWF oder die Grants des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) an IQOQI-Forscher:innen wie zum Beispiel zuletzt an Francesca Ferlaino, Oriol Romero-Isart, Markus Aspelmeyer, Gerhard Kirchmair und Hannes Pichler.

ERFOLGSFAKTOR “OUT-OF-THE-BOX”-DENKEN

„Wir haben eine Atmosphäre geschaffen, in der unkonventionelles Denken explizit erlaubt ist und gefördert wird. Es ist wichtig, ‚Out-of-the-box‘ zu denken“, sagt Markus Aspelmeyer, geschäftsführender Direktor am IQOQI Wien. „Ein wesentlicher Faktor dabei ist für uns die Nachwuchsarbeit. Wir unterstützen mehrere Juniorgruppen, die bis zu fünf Jahre unabhängig bei uns forschen und von dem einzigartigen Umfeld für ihre zukünftige Karriere profitieren.“ Zwei Beispiele dafür: Marcus Huber vom IQOQI Wien leitet inzwischen das Atominstitut der TU Wien, Oriol Romero-Isart vom IQOQI Innsbruck ist Direktor des ICFO in Barcelona geworden, eines der führenden Quantenforschungseinrichtungen Spaniens. 

„Das IQOQI hat in den vergangenen Jahren international große Sichtbarkeit erlangt und wurde zum Vorbild für viele ähnliche Institute in der ganzen Welt. Als Aushängeschild der österreichischen Quantenforschung bietet es nicht nur ideale Bedingungen für die Grundlagenforschung in diesem zukunftsweisenden Gebiet, es zieht auch viele herausragende Köpfe an, als Studierende, Gastforschende und Mitarbeiter:innen. Das ist ein ganz wichtiger Faktor des Erfolges“, sagt Rudolf Grimm, derzeit geschäftsführender Direktor des IQOQI Innsbruck.

HOHES WIRTSCHAFTSPOTENTIAL

Quantenphysik steckt heute längst nicht mehr in den Kinderschuhen der Grundlagenforschung sondern in vielen Anwendungen wie Lasern, Magnetresonanztomographen, GPS oder Handys. „Und davon profitieren wir alle“, sagt Gerhard Kirchmair, ab September geschäftsführender Direktor des IQOQI Innsbruck. „Mit der aktuellen Forschung schaffen wir die Grundlagen für neuartige Quanten-Technologien.“

Diese Grundlagen-Arbeit übersetzt sich zunehmend in neue wirtschaftliche Anwendungen. Mehrere Start-Ups und Spin-Offs sind aus der Quantenforschung an der ÖAW hervorgegangen, darunter ParityQC, qtlabs und Alpine Quantum Technologies (AQT). ParityQC ist das erste und einzige Quantenarchitektur-Unternehmen der Welt im Bereich Quantencomputing, qtlabs kümmert sich um die technische Umsetzung von Quantenverschlüsselung und AQT hat den aktuell leistungsstärksten Quantencomputer Europas entwickelt.

„Dass aus ‚blue-sky research‘ völlig neue Technologien entstehen, ist immer wieder atemberaubend zu sehen. Gleichzeitig erlauben uns diese Entwicklungen, bislang unzugängliche Forschungsfragen zu adressieren“, sagt Caslav Brukner, wissenschaftlicher Direktor am IQOQI Wien. „Unsere Forschung widmet sich den fundamentalsten Fragestellungen der modernen Physik – und könnte eines Tages wieder Ausgangspunkt für die nächste Quantenrevolution sein.“ 

BUNTES JUBILÄUMSPROGRAMM

Die zahlreichen Erfolge werden zum runden Jubiläum gemeinsam mit der Fachwelt und der Öffentlichkeit gefeiert. Die beiden ÖAW-Institute veranstalten eine Sommerschule, zwei Konferenzen und bei einem Tag der Offenen Tür am 20. September können Besucher:innen das IQOQI Innsbruck kennenlernen.

Phuong Duong
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E-Mail: phuong.duong@oeaw.ac.at
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