35. Wiener Landtag (1)

Die 35. Sitzung des Wiener Landtags in der laufenden Wahlperiode begann heute um 10 Uhr. Debattiert wurde auf Verlangen der Wiener FPÖ zum Thema „Landeshauptmann Ludwig zertrümmert den Sozialstaat – Mindestsicherungswahnsinn auf Kosten des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystems!“. Wie bei jedem Landtag auf Verlangen entfielen Fragestunde und Aktuelle Stunde. 

Vor Aufnahme der Debatte wurde eine Trauerminute für den kürzlich verstorbenen Johann „Hans“ Sevcik, der zwischen 1975 und 1994 für die SPÖ Mitglied des Wiener Gemeinderats und Landtags war, abgehalten. Sevcik verstarb im Alter von 86 Jahren. 

Zur Begründung der Einberufung der Sitzung trat StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) als Erstredner vor den Landtag. Er bezog sich auf die medial bekannt gewordene Familie, „dazu hat es eine riesige Anzahl von Rückmeldungen aus der Bevölkerung gegeben.“ Es bleibe bei der betreffenden Familie nicht bei der Mindestsicherung von 4.600 netto, dazu würden noch Familienbeihilfe, Schulstartgelt, Klimabonus, Befreiung des ORF-Beitrags und Ermäßigung bei Öffi-Tickets kommen. „Diese Familie bekommt also im Monat rund 6.000 Euro netto fürs Nichtstun. Wie erklären Sie das der arbeitenden Bevölkerung?“, fragte Nepp in Richtung Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ). Dabei sei dieses Beispiel ist kein Einzelfall, auch der Rechnungshof habe bereits 2017 Auszahlungen in Wien „bekrittelt“, denn es drohe eine „Kostenlawine“ für die Stadt. „Es geht uns nicht um Neid, nicht um Österreicher gegen Nicht-Österreicher – es geht uns um Fairness“, so Nepp. Eine solche Summe könne nicht im Sinne der SPÖ sein, die immer gesagt habe, sie wolle die arbeitende Bevölkerung entlasten. Der Sozialstaat beruht auf Steuern, „mit diesem Geld soll aber vernünftig umgangen werden. Der Sozialstaat wurde von Ihnen, Bürgermeister Ludwig, zertrümmert, weil sie das Geld für syrische Familien aufwenden. Das ist absurd und nicht gerecht“, meinte Nepp. Ein Interview mit Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) habe gezeigt, wie weltfremd dieser agiere. Nach dessen Aussage sei es wie im Mittelalter, wenn Gewand innerhalb der Familie weitergegeben werde. „In meiner Familie ist das nicht so, hier sieht man, wie abgehoben Hacker ist. Deshalb braucht es auch einen Misstrauensantrag gegen ihn“, kündigte Nepp an. Auch das Argument, dass diese Menschen ohne Mindestsicherung in die Kriminalität abrutschen würden, sei nach Nepps Meinung absurd und die Zahlungen von „modernem Schutzgeld“: „Solche Erpresser müssen gehen, die brauchen wir hier nicht, auch nicht zum Arbeiten.“ Gegen dieses „ungerechte System“ werde es weiter vehementen Widerstand seitens der FPÖ geben, bis Gerechtigkeit herrsche, so Nepp.

LAbg. Mag. (FH) Jörg Konrad (NEOS) sagte, eine sachliche Debatte „mit einer auf Krawall gebürsteten FPÖ“ sei unmöglich. Manchmal müsste man sich als Gedankenspiel wünschen, dass die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen würde und sich mit Gesetzen und Vorschriften auseinandersetzen würde. Doch dieser Gedanke vergehe einem, wenn man auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ im Bund zurückblicke. „Denn damals wurden die Grundlagen für die heutigen Probleme gelegt, mit dem Sozialhilfegrundgesetz wurde ein österreichweiter Fleckerlteppich für jedes Bundesland geschaffen“, so Konrad. Die Reform habe das Sozialhilfesystem extrem komplex gemacht, die Unterschiede zwischen den Ländern seien weder sachlich gerechtfertigt noch human, was auch die Aufhebung mancher Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof gezeigt habe. Zu dieser Situation habe auch geführt, dass es in Österreich insgesamt ein Sozialsystem mit einem „Wildwuchs“ an Regelungen und Ansprüchen gebe. Der grundsätzliche Fehler sei es, dass neben der Sozialhilfe auch Familientransfers ausbezahlt werden. Es brauche deswegen eine Reform hin zu einem österreichweit einheitlichen System. Konkret brauche es eine zentrale Stelle für die Abwicklung der Auszahlungen, etwa durch das AMS. Dazu brachte Konrad einen Antrag ein. „Wenn man Probleme lösen möchte, braucht es ganz konkrete Konzepte wie Umstieg auf mehr Sachleistungen bei Kindern, eine Wohnsitzauflage für drei Jahre mit gleichzeitiger Stärkung von Integrationsmaßnahmen oder die Stärkung von Erwerbsanreizen“, verlangte Konrad. Die Verantwortung liege auf Bundesebene, das sei in Konrads Augen eine der Hauptaufgaben der kommenden Bundesregierung. NEOS habe mit dem Konzept des „Bürgergelds“ bereits einen diesbezüglichen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, so Konrad.

StRin Mag. Judith Pühringer (GRÜNE) meinte, die Mindestsicherung sei dazu da, um ein würdevolles Leben aller Menschen und Kinder in Wien abzusichern, die in einer Notlage seien. Es drehe sich bei dieser Mindestsicherungsdebatte um Menschen, die krank sind, die nicht arbeiten können, um Kinder und um Bezieher*innen von Mindestpensionen. Knapp drei Viertel der Bezieher*innen in Wien seien sogenannte „Aufstocker“, die zu wenig verdienen oder zu wenig Pension bekommen, um mit dem eigenen Einkommen das Leben bestreiten zu können. „Mit solchen Debatten, wie von der FPÖ geführt, werden arme Menschen noch stärker beschämt und stigmatisiert“, so Pühringer. Krankheit und Armut könne jeden treffen, egal ob hier aufgewachsen oder vor dem Krieg hierher geflüchtet. Aber auch Menschen, die arbeiten, können von Armut betroffen sein. Deshalb sei die Mindestsicherung ein Akt der Solidarität, ein überlebensnotwendiges Netz, das sich durch sozialen Ausgleich und Achtung, statt Almosen und Beschämung auszeichne. Eine Nivellierung nach unten etwa durch Staffelung bei Mehr-Kind-Familien sei abzulehnen. Die Reform des Sozialhilfegesetzes durch ÖVP und FPÖ habe eine völlig falsche Logik mit Höchst- statt Mindestsätzen geschaffen. „Das Hintreten auf die Allerschwächsten von oben herab darf nicht zum System werden“, verlangte Pühringer. Es sei hoch an der Zeit, dass Kinder aus der Mindestsicherung gelöst würden und eine Kindersicherung eingeführt werde. Es müsse auch der Zugang zu einer psychischen Grundversorgung für Kinder garantiert werden. „Auf jeden Fall brauche es Rechte und nicht um Almosen, der FPÖ wird es sicher nicht gelingen, einen Keil zwischen die Wiener und Wienerinnen zu treiben“, schloss Pühringer. 

LAbg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) meinte, dass der Titel der heutigen Landtagssitzung sei nach ihrer Ansicht nicht ganz vollständig, er müsse um Sicherheit, Leistung und Fairness in Wien ergänzt werden. Denn 70 Prozent aller Mindestsicherungsausgaben in Österreich würden in Wien ausbezahlt werden, und das bei einem Bevölkerungsanteil von 21 Prozent. Der Anteil der Ausgaben habe sich in den letzten Jahren verdoppelt – auch aufgrund der „schieren Masse an Zuwanderung“. Diese sei zu groß, denn die Zahlen in diesem Bereich würden eine „eindeutige Sprache“ sprechen: Mehr als 80 Prozent aller subsidiär Schutzberechtigten in Österreich würden in Wien leben und mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher*innen seien Drittstaatsangehörige. Auch die Logik bei der Ausgestaltung der Auszahlung fehle: „Warum wird bei den Kindern nicht gestaffelt oder bei Wohngemeinschaften der Betrag nicht reduziert, warum erhalten subsidiär Schutzberechtigte mehr Geld als nötig ist – das ist nicht logisch, nicht fair und nicht sozial.“ Die beiden Systeme Arbeitseinkommen und Sozialleistung müssten in eine vernünftige Balance gebracht werden, etwa durch Staffelungen bei Mehr-Kind-Familien, Abschaffung der Auszahlung der Mindestsicherung bei subsidiär Schutzberechtigten, Kürzungen bei Wohngemeinschaften und sofortige Umsetzung des Sozialhilfegrundsatzgesetzes verlangte Hungerländer. (Forts.) nic

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