#MehralseinKreuzerl: Ein Sitz im Parlament

Wie die Sitzordnung im Nationalrat entsteht Wie die Sitzordnung im Nationalrat entsteht

Bei der Wahl am 29. September geht es um einen Sitz im Parlament. Aber wie wird der Sitzplatz der einzelnen Abgeordneten eigentlich vergeben? Wer bestimmt, wer in der ersten Reihe sitzt? Und wo im Halbrund werden Parteien platziert, die neu in den Nationalrat einziehen? Die Parlamentskorrespondenz gibt im Rahmen von #MehralseinKreuzerl Antworten auf diese Fragen.

VEREINBARUNGSSACHE STATT GESETZESTEXT

Die Geschäftsordnung des Nationalrats (konkret § 9) regelt, dass jede:r Abgeordnete, dessen bzw. deren Wahlschein in der Parlamentsdirektion hinterlegt ist, für die Dauer der jeweiligen Gesetzgebungsperiode „Sitz und Stimme“ im Nationalrat hat, solange er oder sie das Mandat nicht verliert. „Darüber hinaus wurden keine gesetzlichen Regelungen zur Sitzplatzverteilung getroffen“, erklärt Julia Dörfel aus dem Nationalratsdienst, der in der Parlamentsdirektion für das Thema zuständig ist.

In der Praxis einigt man sich in der Präsidialkonferenz auf die Verteilung der Sektoren unter den Parteien. Das Gremium, dem neben den drei Nationalratspräsident:innen auch die Klubvorsitzenden aller im Nationalrat vertretenen Parteien angehören, legt also fest, welche Partei wo im Halbrund platziert wird. Dementsprechend kann es von Legislaturperiode zu Legislaturperiode zu Veränderungen kommen, wie auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt.

SEKTOREN DER PARTEIEN WANDERN

Aktuell sitzen im Nationalrat die 40 Abgeordneten der SPÖ ganz links im Halbkreis. Daneben sind die 26 Grünen sowie die 15 NEOS-Mandatar:innen platziert. Direkt anschließend haben die 30 FPÖ-Mitglieder ihre Sitzplätze. Ganz rechts im Plenum sitzen die 71 Abgeordneten der ÖVP. Die Abgeordnete ohne Klubzugehörigkeit Philippa Beck sitzt in der letzten Reihe ganz links.

In der 25. Gesetzgebungsperiode (2013-2017) saßen NEOS und Grüne noch anders herum: Die Grünen waren damals direkt neben den Freiheitlichen platziert, links von ihnen folgten die NEOS. Noch weiter links, neben der SPÖ, waren die Plätze des Team Stronach.

Wieder anders – weil auch hier Vereinbarungssache – ist die Sitzordnung übrigens im Bundesrat. Dort ist zwar ebenfalls die SPÖ-Fraktion ganz links platziert, gefolgt von NEOS und Grünen. Ganz rechts außen sitzt im Unterschied zum Nationalrat aber die FPÖ. Die ÖVP-Bundesrät:innen sitzen zwischen Grünen und Freiheitlichen mittig im Halbrund.

DIE BELIEBTE ERSTE REIHE

Traditionell heiß umkämpft ist die erste Reihe. In der aktuellen 27. Gesetzgebungsperiode sind die 17 Plätze der ersten Reihe anteilig an die Parteien nach ihrer Stimmenstärke vergeben: Die ÖVP besetzt 7, die SPÖ 4, die FPÖ 3, die Grünen 2 und die NEOS einen Platz ganz vorne.

In der vorigen Legislaturperiode (2017-2019) waren hingegen nicht alle Klubs in der ersten Reihe vertreten. Im Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg standen 15 Plätze ganz vorne zur Verfügung. Die ÖVP besetzte davon 6, die SPÖ 5 und die FPÖ 4. Die NEOS waren in den Reihen zwei bis fünf untergebracht. Die Abgeordneten der Liste JETZT saßen dahinter in der fünften und sechsten Reihe.

Welche:r Mandatar:in auf welchem Platz sitzt, legen die Klubs innerhalb der ihnen zugeteilten Sektoren selbst fest. Auch hier gibt es kein fixes Regelwerk. „Man kann aber davon ausgehen, dass die Klubobleute in der ersten Reihe sitzen bzw. in der vordersten Reihe, die einem Klub zur Verfügung steht“, sagt Julia Dörfel. Ebenfalls weiter vorne platziert sind in der Regel die Ordner:innen der Klubs oder länger dienende Abgeordnete. Wenn ein Mandatar oder eine Mandatarin das Parlament während einer laufenden Gesetzgebungsperiode verlässt, erhält der oder die Nachfolger:in meist nicht denselben Platz. Die Klubs ändern dann meist die Sitzordnung, es wird nachgerückt und der oder die Neue nimmt weiter hinten Platz. Daher rührt auch der ursprünglich aus dem britischen Unterhaus stammende Begriff „Backbencher“ – oder eben „Hinterbänkler“.

PLATZIERUNG VON NEUEN PARTEIEN UND REGIERUNGSMITGLIEDERN

Neu in den Nationalrat einziehen könnten nach der Wahl am 29. September auch Parteien, die bisher nicht im Parlament vertreten waren. Welchen Sektor diese neuen Klubs erhalten, entscheidet ebenfalls die Präsidialkonferenz. Sie berät vor der konstituierenden Sitzung des Nationalrats über den Sitzplan und andere Dinge, die für den Beginn einer Legislaturperiode wichtig sind. Im Amt ist da noch die „alte“ Besetzung. Vertreter:innen neu eingezogener Parteien werden aber in die Entscheidung mit eingebunden. Nicht Teil des Gremiums sind Abgeordnete ohne Klub. Ihnen wird von der Präsidiale ein Sitzplatz zugewiesen.

Eine Entscheidung, die traditionell nicht vom Parlament selbst getroffen wird, ist die Sitzplatzverteilung auf der Regierungsbank. Welche Ministerin und welcher Minister wo sitzt, legt der Ministerratsdienst fest.

FORSCHUNG BEFASST SICH MIT SITZORDNUNG

Welchen Einfluss der Sitzplatz auf das Verhalten von Abgeordneten hat, beschäftigt übrigens auch die Wissenschaft. Nada Ragheb, Maria Schreiner und Julia Leitner von der Universität Innsbruck haben untersucht, inwiefern das Redeverhalten der einzelnen Abgeordneten mit der Reihe ihres Sitzes im Nationalrat zusammenhängt. Ihre Analyse der Stenographischen Protokolle der Nationalratssitzungen von Beginn der 27. Gesetzgebungsperiode im Oktober 2019 bis Dezember 2023 zeigte: Abgeordnete, die weiter vorne sitzen, kommen auf mehr Redezeit als die „Hinterbänkler“. Mit ansteigender Sitzreihe nimmt die Redezeit tendenziell ab.

Es gibt allerdings weitere Faktoren, die die Länge der Reden beeinflussen. So zeigte sich in der Analyse, dass Klubvorsitzende und Ausschussvorsitzende länger am Redner:innenpult stehen als andere Abgeordnete. Minimal positiv auf die Redezeit wirkte sich auch die Amtsdauer der Mandatar:innen aus. „Die Sitzreihe ist nicht der Haupteinflussfaktor auf das Redeverhalten der Abgeordneten, aber wir haben dennoch einen signifikanten Effekt der Reihe gefunden“, erläutert Nada Ragheb. Die Wissenschafterinnen sehen Potenzial für mehr Forschung zum Thema. Denn bisher gebe es kaum Untersuchungen darüber, wie sich der Sitzplatz auf die Aktivität von Abgeordneten auswirkt, so Maria Schreiner.

BÜROVERGABE: REGELUNGEN IN DER HAUSORDNUNG

Abgesehen von ihrem Sitzplatz im Plenum steht den Abgeordneten auch ein Büro im Parlament bzw. in einem der angrenzenden Gebäude zu. Aber wie wird entschieden, wer welches Büro bekommt? „Der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrates hat über die Zuteilung von Räumen der Parlamentsgebäude zur längerfristigen Nutzung und die Dauer der Zuteilung zu entscheiden“, ist dazu in § 4 Abs. 1 der Hausordnung des Parlaments geregelt. Welcher Klub wieviel Bürofläche erhält, hängt von der Stimmenstärke ab.

Den parlamentarischen Klubs werden Räume grundsätzlich für die Dauer einer Gesetzgebungsperiode zugeteilt. Wenn am Beginn einer neuen Legislaturperiode neue Stärkeverhältnisse vorherrschen, verteilt der oder die Nationalratspräsident:in die Räumlichkeiten – nach Rücksprache mit der Präsidialkonferenz – neu. (Schluss) kar

HINWEIS: Mehr Informationen zum Wahljahr 2024 finden Sie unter www.parlament.gv.at/mehralseinkreuzerl. Den aktuellen Sitzplan im Nationalrat und im Bundesrat finden Sie im Bereich „Recherchieren“ im Webportal des Parlaments.

Die Präsentation des Forschungsprojekts „Speech and spatial dynamics in the Austrian Parliament“ sowie eine Nachschau vom Tag der Parlamentsforschung 2024 finden Sie in den Fachinfos des Parlaments.

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