58. Wiener Gemeinderat (4)

Hauptdebatte: Sachliche Genehmigungen für Sonderdotationen des Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds

GRin Margarete Kriz-Zwittkovits (ÖVP) sagte, das Fachkräfte-Angebot sei eine wesentliche Standort-Frage. Die Privatwirtschaft in der Stadt sei unter Druck; 67 Prozent der Wiener Unternehmen seien vom Fachkräftemangel betroffen. Der Bedarf an Fachkräften läge bei 30.000 Personen, daher sei es besonders wichtig mehr Fachkräfte – vor allem in technischen Berufen – auszubilden. Viele Unternehmen würden sich schwertun, Lehrlinge zu rekrutieren und offene Stellen zu besetzten. Gleichzeitig lägen die Arbeitslosenzahlen in Wien höher als im Bundesgebiet, vor allem würde die Langzeit-Arbeitslosigkeit und Jugend-Arbeitslosigkeit in der Stadt stark zunehmen. Zielgruppe für Maßnahmen am Arbeitsmarkt müssten also vor allem junge Menschen sein und insbesondere junge Menschen mit Migrationshintergrund, denen es oft auch an den Grundfähigkeiten fehlte, um überhaupt eine Lehre anfangen zu können, kritisierte Kriz-Zwittkovits. Sie lobte den waff, der gemeinsam mit den Betrieben verstärkt in Programme für die Ausbildung in sogenannte „klimarelevante Berufe“ investieren würde. Ebenso begrüßte sie die Schaffung einer neuen HTL in Wien mit Schwerpunkt Informatik. Es gelte die Lehre zu modernisieren und an die neuen Anforderungen der Wirtschaft und neuen Arbeitswelt anzupassen, sagte Kriz-Zwittkovits. Sie lobte die zahlreichen Ausbildungsbetriebe in Wien, für diese forderte sie Erleichterung, zum Beispiel in Form einer Erstattung von Kommunalsteuern.

GR Prof. Rudolf Kaske (SPÖ) sprach zum Wiener Ausbildungsgeld: Er forderte eine Neupositionierung der Arbeitsmarktpolitik durch die künftige Bundesregierung und eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung des AMS. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Herausforderungen und in Bezug auf den Fachkräftebedarf brauche es eine Ausrichtung auf eine qualifizierende Arbeitsmarktpolitik, so der ehemalige Arbeiterkammer-Präsident. Arbeitslose Menschen müssten „aufqualifiziert“ werden oder ihnen die Möglichkeit auf eine berufliche Neuausrichtung geboten werden, forderte Kaske. Das Arbeitslosengeld reiche nicht zur Überbrückung, das Wiener Ausbildungsgeld sei ein Modell für die Zukunft. Das Wiener Ausbildungsgeld würde es arbeitslosen Menschen ermöglichen, auch länger dauernde Ausbildungen anzugehen oder einen beruflichen Neuanfang in einer anderen Branche zu riskieren. Kaske kritisierte den bundesweiten Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit. Wien hätte einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gelegt. Vor allem junge Menschen mit Fluchterfahrung bräuchten Unterstützung beim Einstieg in die Arbeitswelt, sagte Kaske. In diesem Zusammenhang hob er das Angebot des College 25+ hervor. Ebenso lobte er die Jugendstiftung Wien, die es jungen arbeitslosen Menschen ermöglichen würde, die Phase der Arbeitslosigkeit für eine Ausbildung zu nutzen.

GR Markus Ornig, MBA (NEOS) ortete Reformbedarf bei der Arbeitsmarktpolitik und bei der Behebung des Fachkräftemangels. „Wir müssen ein bisserl mehr am Reform-Hebel ziehen“, sagte Ornig. Es reiche nicht, dass Länder, AMS oder Arbeiterkammer dem Bund ausrichten würden, was er besser machen sollte. Es gelte an den größeren Rädern zu drehen: Unter anderem müssten die Lohn-Nebenkosten gesenkt werden, „damit die Menschen da draußen mehr Spielraum beim Geld haben – und die Unternehmer mehr Spielraum haben, Menschen in Arbeit zu bringen“. Eine Senkung der Lohn-Nebenkosten würden nicht mit einer Reduktion der Sozialleistungen einhergehen, nahm Ornig Kritik an seinem Vorschlag vorweg. Es gelte auch mehr Menschen in die Vollzeitbeschäftigung zu bringen; ein steuerlicher Bonus solle den Umstieg auf die Vollzeit attraktiver machen. Er forderte eine Reform des Arbeitslosengeldes: Es brauche ein degressives Modell und eine Senkung der Zumutbarkeit bei Jobs – es sei Dank „Homeoffice“ inzwischen zumutbar, dass auch Stellen weiter weg vom Wohnort angenommen werden müssten, argumentierte Ornig. Er forderte außerdem höhere Zuverdienstgrenzen zur Pension oder zur Arbeitslosen-Unterstützung, damit Menschen von der sogenannten „Geringfügigkeit“ in Teilzeit- oder idealer Weise Vollzeitanstellungen wechselten. 

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) begrüßte die Sonderdotation für den waff für die Ausbildung von jungen Menschen zu Fachkräften. Allerdings: NEOS in der Koalition mit der SPÖ würde er keine Kurskorrektur zu wirtschaftlich vernünftigem Denken zutrauen, kritisierte Juraczka. Wien müsse als Ballungsraum „Lokomotive“ für die gesamte österreichische Wirtschaft werden; stattdessen hätte Wien die höchsten Arbeitslosenzahlen vor dem Burgenland und Kärnten. Es brauche also bessere Rezepte als bisher gegen die Arbeitslosigkeit. Weiterbildungs-Angebote für Asylberechtigte seien begrüßenswert, allerdings würden zugewanderte Familien in Wien mit Transfer- und Sozialleistungen nach wie vor mehr einstreichen können als mit Arbeit, sagte Juraczka. Er sprach sich gegen eine „soziale Hängematte“ aus, der waff dürfte kein „Akutmediziner für einen kränkelnden Patienten“ sein, sondern müsse zum „Trainer für einen Topperformer“ werden. Wien müsse wieder fit gemacht werden; es brauche ein Umdenken der Stadtregierung in der Sozial-, Migrations- und Integrationspolitik, schloss Juraczka.

GR Ing. Christian Meidlinger (SPÖ) sagte, die Lage in Österreich am Arbeitsmarkt sei schwierig, auch das ausbleibende Wirtschaftswachstum sei der verfehlten Politik der Bundesregierung anzulasten. Die Inflation bleibe weiterhin hoch, die Arbeitslosenzahlen ebenfalls. Arbeitsmarktpolitik sei Bundeskompetenz; im Großen und Ganzen hätte die aktuelle Bundesregierung versagt, so Meidlinger. Wien hingegen sei „Wirtschaftslokomotive“ – „die Zahlen kennen wir ja alle“. Wien würde mit der höchsten Frauen-Beschäftigungs-Quote glänzen, die hohen Einpendler*innen-Zahlen würden belegen, dass „sich hier in Wien gut arbeiten und gutes Geld verdienen lässt“, konterte Meidlinger. Wien läge bei der Wirtschaftsentwicklung besser als der Bundesschnitt, die Zahl der Arbeitsplätze würde steigen, in den vergangenen fünf Jahren seien 60.000 neue Arbeitsplätze dazugekommen, erinnerte Meidlinger. Wien setzte auf die Ausbildung von Fachkräften, und sei als das jüngste Bundesland gut aufgestellt für die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Außerdem würde die Zahl der Lehrbetriebe und in Ausbildung stehender Lehrlinge steigen. Wien würde über die „österreichweit einzigartige Institution des waff“ jungen Menschen Chancen ermöglichen. Er hob die Rekord-Zahl an Lehrlingen bei den Stadtwerken hervor, auch die Stadt hätte die Zahl der Lehrlinge in ihren Reihen erhöht. Daneben seien 3.500 Jugendliche in den Schulen für Gesundheitsberufe oder in einer BAfEP-Ausbildung. Gleichzeit würde ein Betrieb wie der ORF keinen einzigen Lehrling aufnehmen oder ausbilden, kritisierte Meidlinger. Der waff würde auch Betriebe, die Lehrlinge neu aufnehmen, unterstützten, indem das Lehrlingsgehalt teilweise übernommen wird. Ebenso gebe es spezielle Förderungen und Anreize für Betriebe die Lehrlinge in klimarelevanten Berufen ausbilden. Auch Meidlinger lobte das neue Fachkräftezentrum. Er kritisierte die Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten:  Die Vergangenheit hätte gezeigt, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten den Arbeitnehmer*innen „keinen Euro mehr beim Gehalt bringt“, erinnerte Meidlinger. Bei der Debatte gehe es vielmehr um die Kürzung von Leistungen für Arbeitnehmer*innen. Er sparte auch nicht mit Kritik an anderen Arbeitsmarkt-politischen Maßnahmen der Bundesregierung: Es sei unverständlich, dass die Bundesregierung in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und schrumpfender Wirtschaft Mittel für den AMS streichen wolle, kritisierte Meidlinger. Das AMS müsse die hervorragende Arbeit fortsetzen können.

GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) kritisierte den ORF, der zwar „eine Zwangssteuer von jedem Bürger und jeder Bürgerin im Land“ einheben, aber keine Menschen ausbilden würde – diesen Umstand hätte er übrigens von aus der Rede seines Vorredners Meidlinger erfahren. Der Staatsfunk sei eine „Propaganda-Orgel“ kritisierte Guggenbichler, neben einer handverlesenen Zahl an „Großverdienern“ mit Parteinähe arbeiteten die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Medienunternehmen in prekäre Anstellungen. Zurück zum waff: Die Institution werde von allen Parteien im Gemeinderat mitgetragen; allerdings könne der waff „nur Feuerwehr“ spielen. Wien hätte als einziges Bundesland eine Arbeitslosenquote von mehr als 10 Prozent. Der FPÖ-Mandatar kritisierte die hohen Sozialleistungen in Wien – aus seiner Sicht vor allem für ausländische Familien -, die kein Anreiz zum Arbeiten seien und auch dann ausgezahlt würden, wenn Integrationsleistungen wie Deutschkurse nicht besucht würden. (Forts.) ato

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