Liebe am Lebensende: Hospizenquete im NÖ Landhaus in St. Pölten
Teschl-Hofmeister, Königsberger-Ludwig: Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase erfordert tiefe menschliche Zuwendung
Die vom Landesverband Hospiz NÖ initiierte und jährlich stattfindende Hospizenquete stand heuer ganz im Zeichen des tief berührenden Themas „Liebe am Lebensende“. Nationale und internationale Expertinnen und Experten kamen in St. Pölten im NÖ Landhaus zusammen und beleuchteten aus verschiedenen Blickwinkeln, wie Liebe in der letzten Lebensphase erfahren, gelebt und begleitet werden kann.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister, die den umfassenden Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Niederösterreich hervorhob und betonte: „Die heutige Enquete zielt darauf ab, einen Diskurs über ‚Liebe am Ende des Lebens‘ zu eröffnen sowie neue Blickwinkel auf die palliative Begleitung zuzulassen und weiter zu reflektieren.“ Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig unterstrich in ihren Grußworten: „Die Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase erfordert nicht nur medizinische und pflegerische Kompetenzen, sondern eine tiefe menschliche Zuwendung. Deshalb ist es unsere Aufgabe, über die Grenzen der Gesundheitsversorgung hinauszudenken und die sozialen und emotionalen Bedürfnisse stärker in den Fokus zu rücken.“
„Liebe am Lebensende“ bewegt uns alle – sei es in der Rolle der Betroffenen, der Angehörigen oder der professionellen Begleitung. Im Mittelpunkt der Hospizenquete standen Themen wie Bindungen, Beziehungen, Achtsamkeit und der Umgang mit Liebe in Zeiten schwerer, lebensbedrohender und lebensverkürzender Erkrankungen. „Es geht uns vor allem um die Frage, wie Liebe in einem Abschnitt des Lebens zum Ausdruck kommen kann, der von tiefer Verletzlichkeit geprägt ist“, so Klaudia Atzmüller, Vorsitzende Landesverband Hospiz NÖ.
Professor Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg/Deutschland, widmete sich gleich zu Beginn dem Thema „Liebe als Basis einer humanen Medizin und einer Ethik der Sorge“. Er betonte, dass eine rein technische Orientierung im medizinischen Handeln nicht ausreicht, sondern die Liebe die heilsamste Grundhaltung ist, um Menschen in Lebenskrisen zu unterstützen. Franz Schmatz, Psychotherapeut und Theologe aus Krems, sprach im Anschluss über die Entwicklung der Herzensbildung. Grundlage dafür sind eine stärkende Selbstliebe, die Fähigkeit zur Ruhe und zum Innehalten sowie die Offenheit für achtsame, liebevolle Begegnungen. So kann am Ende die Liebe das Leben und den Tod ans Licht bringen. Mag. Martina Mondl, Klinische- und Gesundheitspsychologin am Universitätsklinikum Krems, berichtete über die erfolgreiche Einführung einer sexualpsychologischen Sprechstunde für onkologische Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige am Universitätsklinikum Krems. Ziel ist es, durch gezielte Aufklärung Ängste zu mindern, alternative Formen von Intimität und Zärtlichkeit in den Fokus zu rücken und eine offene Kommunikation innerhalb von Paarbeziehungen zu fördern.
Am Nachmittag beleuchtete Bardia Monshi, Klinischer- und Gesundheitspsychologe aus Wien, in seinem Vortrag „Wer liebt, der lebt“ die vitalpsychologischen Zusammenhänge zwischen Leben, Lieben und Sterben. Er betonte, dass das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit eine der größten Herausforderungen des menschlichen Daseins darstellt. Obwohl diese Erkenntnis oft schmerzhaft ist, kann sie gleichzeitig als Quelle für Lebensfreude und Liebe dienen. Tilli Egger, Radioonkologin Psychoonkologin und Psychotherapeutin aus Wien, sprach über die Bedeutung des „Blicks der Liebe“ in Hospiz und Palliative Care. Der liebevolle Blick auf den Menschen findet dabei stets im gegenwärtigen Moment statt und erfordert eine bewusste Wahrnehmung. Danach befasste sich Gudrun Kreye, Ärztliche Leiterin der Palliativeinheit der Abteilung für Innere Medizin 2 am Universitätsklinikum Krems, mit der oft übersehenen, jedoch bedeutenden Rolle der Sexualität bei lebensverkürzender beziehungsweise lebensbedrohender Erkrankung. Die damit verbundenen Tabus führen dazu, dass viele ihre Zuneigung und Intimität nicht offen ausleben können. Krankenhausaufenthalte, mangelnde Privatsphäre, körperliche Einschränkungen und gesellschaftliche Normen erschweren die Wahrnehmung dieser Bedürfnisse zusätzlich.
Uschi Pechlaner, Bereichsleitung Trauernde nach Tod der Lebenspartnerin beziehungsweise des Lebenspartners bei der Nicolaidis YoungWings Stiftung in München/Deutschland, machte auf die enge Verbindung zwischen Trauerarbeit und Beziehungsarbeit aufmerksam. Der Trauerprozess nach dem Verlust einer Lebenspartnerin oder eines Lebenspartners ist nicht nur von der Auseinandersetzung mit dem Verlust geprägt, sondern auch von der Gestaltung einer fortbestehenden inneren Beziehung zu dieser Person. Dabei stellte sie die Frage, wie Liebe im Weiterleben Ausdruck finden kann, insbesondere, wenn Schuld, Scham oder der Beginn einer neuen Beziehung eine Rolle spielen. Dr. Gerald Gatterer, Klinischer -& Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Gerontologe und Leiter des Instituts für Alternsforschung an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, befasste sich abschließend mit den Herausforderungen, die eine Demenzerkrankung für eine Beziehung darstellt. Er erklärte, dass sich durch die Erkrankung sowohl der betroffene Mensch als auch die Beziehung selbst verändert, aber gerade diese Verschiebung der Rollen eine Chance beinhaltet, die Beziehung neu zu gestalten.
„Wir freuen uns sehr über das große Interesse an unserer Hospizenquete“, resümierte Petra Kozisnik, Geschäftsführerin Landesverband Hospiz NÖ, die auch betonte: „Die vielfältigen Beiträge und Perspektiven haben sichtbar gemacht, wie zentral die Liebe – in all ihren Formen – insbesondere in der letzten Lebensphase ist. Sie prägt nicht nur das Miteinander zwischen den Betroffenen und ihren Angehörigen, sondern auch die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft mit dem Sterben und dem Tod umgehen. Liebe ist dabei nicht nur eine emotionale Ressource, sondern auch eine ethische Haltung, in der Hospiz und Palliative Care immer im Vordergrund stehen sollte.“
Der Landesverband Hospiz NÖ wurde 2001 als gemeinnütziger Verein mit Sitz in Mödling gegründet. Als Dachorganisation ist der Landesverband Hospiz NÖ mit allen Hospiz- und Palliative Care Angeboten und Initiativen in Niederösterreich eng verbunden und fungiert als Botschafter für einen guten und würdevollen Umgang mit dem Leben und dem Sterben. Kernkompetenzen sind die kontinuierliche Qualitätsentwicklung in der niederösterreichischen Hospiz- und Palliativversorgung sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Gesundheitsversorgung für Hospiz und Palliative Care. Wesentlich ist es, sicherzustellen, dass alle Menschen – unabhängig von sozioökonomischem Hintergrund – Zugang zu qualitativ hochwertiger Hospiz- und Palliative Care bekommen.
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