“Liliane Lijn. Arise Alive“ eröffnet Mitte November im mumok
Die Künstlerin verbindet das Kosmische mit dem Persönlichen und Mythologie mit High-Tech, um weiblichen Archetypen eine zeitgenössische Gestalt zu verleihen
_LILIAN LIJN. ARISE ALIVE_ IST DIE BISLANG UMFASSENDSTE INSTITUTIONELLE EINZELPRÄSENTATION DER 1939 IN NEW YORK GEBORENEN UND SEIT 1966 IN LONDON LEBENDEN KÜNSTLERIN. LIJN ARBEITET SEIT ÜBER SECHS JAHRZEHNTEN AN DEN SCHNITTSTELLEN VON BILDENDER KUNST, SPRACHE UND WISSENSCHAFT UND HAT EIN UMFANGREICHES WERK GESCHAFFEN, DAS SKULPTUREN UND INSTALLATIONEN, COLLAGEN UND MALEREIEN, VIDEOS UND PERFORMANCES UMFASST. DIE AUSSTELLUNG PRÄSENTIERT DIE WICHTIGSTEN STATIONEN DIESES KATEGORIENSPRENGENDEN WERKS VON DEN SPÄTEN 1950ER-JAHREN BIS HEUTE.
Lijns multimediale Praxis nimmt in der kinetischen Kunst der späten 1950er-Jahre sowie in der Auseinandersetzung mit surrealistischem Gedankengut, antiken Mythologien und fernöstlichen Religionen ihren Ausgangspunkt. Bereits in ihren frühesten Arbeiten zeigt sich ein bis heute anhaltendes Interesse an unkonventionellen künstlerischen Materialien: 1961 entstehen erste Werke aus Plexiglas, in denen Lijn mit Reflexion, Bewegung und Licht experimentiert. „Elektrische Lichter blinken auf Plexiglas-Konstruktionen und erzeugen ein Gewirr von transparenten Schatten“, schreibt der amerikanische Dichter John Ashbery 1963 über eine Ausstellung Lijns in Paris. Ebenfalls dort zu sehen sind „Zylinder, die sich zu schnell drehen, als dass man die darauf gedruckten Worte lesen könnte“. Den Sprachexperimenten der Beat-Poeten verwandt, versetzt Lijn mit diesen sogenannten _Poem Machines_ Worte maschinell in Bewegung, um sie von ihren fixen Bedeutungen zu befreien. Die Arbeiten markieren den Beginn ihrer bis heute andauernden Auseinandersetzung mit Sprache, mit der Idee des gesprochenen Wortes als Schwingung und damit Energie: „The main concern of my work has been and is ‚energy transfer‘“.
Lijns Arbeiten gründen oft in Alltagsbeobachtungen – das Verhalten von Wassertropfen auf einer Glasscheibe; die Einsicht, dass Buchstaben aus Linien bestehen – und lassen sich als Versuchsanordnungen verstehen, um den Prinzipien unseres Kosmos auf den Grund zu gehen. Wie die Titel ihrer Arbeiten demonstrieren – _Cosmic Flares I_ (1966), _Act As Atom _(1967-68), _E=mc3_ (1968) – betrachtet sie Technologie und Wissenschaft dabei von Beginn an als Verbündete, um in Regionen jenseits des Sichtbaren vorzudringen, und versteht dies auch als ein feministisches Projekt: Die Dematerialisierung von Sprache und Körper, ihre Übersetzung in Vibration, Licht oder Klang, bedeuteten für die Künstlerin einen Angriff auf patriarchale Strukturen sowie auf die Reduktion der Frau auf ihren Körper. „I was interested in dematerialization – in the idea of losing the body. And that was related in a way to being a woman“.
Vor diesem Hintergrund lässt sich auch Lijns 1983 publiziertes Buch _Crossing Map_ verorten, an dem die Künstlerin über fünfzehn Jahre lang arbeitete und das den multimedialen Skulpturen der 1980er-Jahre den Weg bereitete. Auf der Suche nach neuen Formaten und Ausdrucksformen beginnt Lijn in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre einen Text zu produzieren, dessen finale Fassung sich als Hybrid aus Science-Fiction, Autobiografie und ökofeministischem Manifest beschreiben lässt. Dieses Sprachkunstwerk, das sie auch öffentlich performte, handelt von der spirituellen Reise einer Künstlerin, die ihren materiellen Körper überwindet.
Parallel dazu wendet Lijn sich in der bildenden Kunst der menschlichen Figur zu, um die Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf den Körper zu reflektieren. Unter Verwendung von Staubwedeln, Kunstfasern, optischen Prismen und Lasern entstehen futuristische weibliche ‚Gottheiten‘, die teils Maschine, teils Tier, teils Pflanze zu sein scheinen. Einen Höhepunkt und das buchstäbliche Zentrum der Ausstellung im mumok markiert die Konfrontation von _Lady of the Wild Things_ (1983) und _Woman of War_ (1986), die Lijn erstmals im Rahmen der Biennale Venedig präsentierte und die seinerzeit treffend als „goddesses of the Space Age“ (Göttinnen des Weltraumzeitalters) bezeichnet wurden. Zwischen den beiden überlebensgroßen computergesteuerten Figuren entfaltet sich ein sechsminütiger Dialog, der Gesang, 250 LED-Lichter, Laser und künstlichen Rauch involviert. In Lijns unter dem Begriff „Cosmic Dramas“ verhandelten interaktiven Skulpturen, zu denen sie sich nicht zuletzt von den Anlagen der modernen Energieindustrie inspirieren ließ, verbinden sich das Kosmische mit dem Persönlichen und Mythologie mit High-Tech, um weiblichen Archetypen eine zeitgenössische Gestalt zu verleihen.
Liliane Lijn wurde 1939 in New York geboren und ist seit den 1960er-Jahren als Künstlerin international tätig. Ihre Werke befinden sich in Sammlungen wie der Tate Modern, dem British Museum und dem Victoria and Albert Museum in London sowie dem Musée de la Ville de Paris und dem Kunstmuseum Bern.
Ausgewählte Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen:
mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
Mag. Katharina Murschetz (Leitung)
Telefon: +43-1-52500-1400
Mag. Katharina Kober
Telefon: +43-1-52500-1309
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