Erste Sitzung des neu gewählten Nationalrats gibt Startschuss für XXVIII. Gesetzgebungsperiode

73 neue Abgeordnete, gesunkener Frauenanteil, neue Sitzordnung

Die Angelobung der 183 Abgeordneten stellte heute den Auftakt der konstituierenden Sitzung des Nationalrats dar. Damit wird 25 Tage nach den Wahlen auch der Startschuss für die 28. Gesetzgebungsperiode (GP) gegeben. Auch wenn wieder fünf Fraktionen im Parlament vertreten sind, so bietet sich doch ein ganz anderes Bild. Erstmals in der Zweiten Republik ist die FPÖ die stimmenstärkste Partei, sie bildet mit 57 Mandatar:innen nun auch den größten Klub im Hohen Haus.

Insgesamt ziehen 73 neue Volksvertreter:innen ins Parlament ein, was einem Anteil von fast 40 % entspricht. Darin enthalten sind aber auch Personen, die bisher im Bundesrat waren, nach Unterbrechungen wieder in das Parlament zurückkehren oder dazwischen Ministerämter übernommen haben. Als „echte“ Neulinge, die erstmals in den Nationalrat ziehen, können somit 61 Mandatar:innen gewertet werden (33,33 %).

Zu Änderungen kommt es auch bei der Sitzordnung sowie beim Frauenanteil, der im Vergleich zur letzten Gesetzgebungsperiode von 39,34 % auf 36,07 % gesunken ist. 66 von 183 Abgeordneten sind nunmehr Frauen.

FEIERLICHE ERÖFFNUNG MIT ZAHLREICHEN EHRENGÄSTEN

Eröffnet wurde die feierlich gestaltete Konstitutierung vom noch amtierenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, der bis zur Wahl des neuen Präsidiums die Leitung der Sitzung inne hat. In Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und zahlreichen Ehrengästen wurden zunächst die Bundeshymne und die Europahymne intoniert, bevor die Abgeordneten durch die Gelöbnisformel ihr Bekenntnis zu Republik und Verfassung ablegten. Auf der Regierungsbank nahmen Außenminister Alexander Schallenberg, Wirtschaftsminister Martin Kocher, Gesundheitsminister Johannes Rauch, Bildungsminister Martin Polaschek und Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler Platz.

Wie schon bei früheren Angelobungen konnte man auch heute die fraktionelle Zugehörigkeit der Abgeordneten deutlich erkennen. Während sich die FPÖ-Mandatar:innen mit rot-weiß-roten Schleifen mit Edelweißanhängern zeigten, trugen die ÖVP-Abgeordneten weiße Rosen am Revers. Mit den traditionellen roten Nelken ausgestattet waren die Vertreter:innen der SPÖ, die NEOS schmückten sich mit ihrem pinken Partei-Logo in Form einer Sprechblase. Die Grünen hatten als Zeichen der Vielfalt verschiedene grüne Pflanzentöpfe auf ihren Pulten aufgestellt.

ERNEUT FÜNF PARTEIEN, FPÖ ERSTMALS STÄRKSTE FRAKTION

Wie schon in der vergangenen Gesetzgebungsperiode sind auch in der 28. Gesetzgebungsperiode wieder fünf Parteien vertreten. Dieses Mal ist aber die FPÖ als stärkste politische Kraft aus den Wahlen hervorgegangen und konnte ihre Mandate somit von 31 auf 57 fast verdoppeln. Danach kam die ÖVP mit 51 Mandaten zu liegen, was einem Minus von 20 Mandaten entspricht. Die SPÖ gewinnt trotz leichter prozentueller Stimmenverluste ein Mandat dazu und hat nun 41. Die NEOS konnten die Grünen überholen und liegen nun nach einem Zuwachs von drei Mandaten bei insgesamt 18. Auch die zweite Regierungspartei, die Grünen, verzeichnete schwere Verluste und muss in Hinkunft auf mehr als ein Drittel (-10) ihrer Abgeordneten verzichten. Ihr Klub umfasst nun 16 Mandatar:innen.

Mit Blick auf den Gesetzgebungsprozess lässt sich damit sagen, dass für das Erreichen einer einfachen Mehrheit im Nationalrat, also 92 Stimmen, folgende Kombinationen möglich bzw. erforderlich sind: FPÖ/ÖVP (108), FPÖ/SPÖ (98) oder ÖVP/SPÖ (92). Da keine Partei über mehr als Drittel der Stimmen verfügt, kann auch keine Fraktion mehr Verfassungsgesetze verhindern. Diese Möglichkeit hatte in der letzten Legislaturperiode noch die ÖVP, da sie über 71 Mandate verfügt hat.

RUND 40 % NEUE ABGEORDNETE, EINIGE BEKANNTE GESICHTER

Aufgrund der deutlichen Verschiebung der Kräfteverhältnisse, mussten viele Abgeordnete ihre Schreibtische räumen. Einige von ihnen hörten auch aus freien Stücken auf. Vor allem die bisherigen Regierungsparteien verloren große Teile ihrer Klubs.

Die Auswertung der heute im Parlament eingelangten Wahlscheine ergibt, dass in der nächsten Legislaturperiode insgesamt 73 neue Personen (39,9 %) in den Sitzreihen des Plenarsaales Platz nehmen werden. Damit wurde ein höherer Wert erreicht als 2019, wo es 55 Neuzugänge gegeben hat, aber ein niedrigerer als 2017 (85 neue Abgeordnete).

Bei den Neuen wird man aber auch einige bekannte Gesichter entdecken, zumal etwa elf Regierungsmitglieder von ÖVP und Grünen für die jeweiligen Fraktionen als Abgeordnete angelobt werden. Nicht mehr aus der Regierungsriege dabei sein werden Martin Kocher, Alexander Schallenberg, Martin Polaschek und Johannes Rauch.

Mit dem jüngsten Mandatar, dem 24-jährigen Sebastian Schwaighofer, kann heuer die FPÖ aufwarten, während für die ÖVP mit der 70-jährigen Elisabeth Scheucher-Pichler die an Lebensjahren älteste Abgeordnete erneut in das Parlament einzieht. Das generelle Durchschnittsalter beträgt rund 48 Jahre.

Die erfahrenste Abgeordnete wird im neuen Plenum Doris Bures von der SPÖ sein, die – mit Unterbrechungen während ihrer Ministertätigkeit – seit fast 27 Jahren dem Hohen Haus angehört. Erstmals angelobt wurde sie 1990. Spitzenreiter in Bezug auf eine durchgehende Tätigkeit im Hohen Haus ist ÖVP-Mandatar Peter Haubner, der seit fast 23 Jahren kontinuierlich im Nationalrat sitzt.

SINKENDER FRAUENANTEIL: 66 DER ABGEORDNETEN SIND WEIBLICH

Der Frauenanteil ist im Vergleich zu Beginn der letzten Gesetzgebungsperiode von 39,34 % (72 weibliche Abgeordnete) bzw. zuletzt 41 % (75 weibliche Abgeordnete) auf 36,07 % gesunken: 66 von 183 Mandatar:innen sind nunmehr Frauen. Auch wenn es sich dabei um den zweithöchsten Frauenanteil seit 1945 handelt, so kam es doch erstmals seit 2008 zu einem Rückgang.

Die höchste Quote weisen abermals die Grünen mit 56,25 % (9 von 16 Abgeordneten) auf, den niedrigsten – wie auch schon bisher – die Freiheitlichen mit 22,8 % (13 von 57 Abgeordneten). Bei der ÖVP sind 19 von 51 Mandatar:innen weiblich (37,25 %), bei der SPÖ 17 von 41 (41,46 %) und bei den NEOS 8 von 18 (44,44 %). Der im Juli 2019 vom Nationalrat im Zuge der Änderung des Klubfinanzierungsgesetzes beschlossene Bonus von 3 %, der bei Überschreitung eines Frauenanteils von 40 % der Mandatar:innen schlagend wird, kommt somit der SPÖ, den NEOS und den Grünen zugute.

BREITE PALETTE AN BERUFEN, 50 % AKADEMIKERANTEIL

Von ihren Berufen her kommen die Abgeordneten aus sehr unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. Auffällig ist zum Beispiel, dass die FPÖ nicht nur viele Jurist:innen, sondern auch die meisten Polizei- und Justizwachebeamt:innen entsendet (insgesamt sechs Abgeordnete), während die ÖVP bei den Bürgermeister:innen (sieben Abgeordnete), den Selbständigen und Vertreter:innen aus der Landwirtschaft vorne liegt. Auch bei der SPÖ gibt es einige Bürgermeister:innen, viele Angestellte und etliche Personen aus dem Gewerkschaftssektor. Ein hoher Anteil an Unternehmer:innen findet sich bei den NEOS, während bei den Grünen mit Jakob Schwarz sogar ein Atmosphärenphysiker angelobt wird.

Überdurchschnittlich hoch ist bei allen Fraktionen der Anteil an Akademiker:innen, der insgesamt rund 50 % beträgt. Ganz vorne rangieren dabei die Grünen (69 %) und NEOS (67 %), gefolgt von FPÖ und ÖVP mit rund 49 % sowie der SPÖ mit einem Anteil von 39 %.

VORZUGSSTIMMEN: SPITZENREITER KICKL, GUTES ERGEBNIS FÜR GEWESSLER UND „REGIONALKAISER“

Nicht nur bei den Mandaten, sondern auch bei den Vorzugsstimmen liegen die Freiheitlichen voran. So erzielte FPÖ-Chef Herbert Kickl bei der Nationalratswahl am 29. September mit 85.542 Stimmen das beste Ergebnis auf Bundesebene. Besonders gut schnitt er dabei in Niederösterreich, gefolgt von Wien, der Steiermark und Oberösterreich ab. Auf den nächsten Plätzen rangieren Karl Nehammer (60.402), Andreas Babler (46.440), Leonore Gewessler (31.244) und Beate Meinl-Reisinger (15.880). Gewessler, die deutlich vor dem Spitzenkandidaten der Grünen Werner Kogler (7.569) zu liegen kam, erreichte mit ihrem guten Ergebnis sogar die für eine Vorreihung auf Bundesebene erforderliche Hürde von 7 % der Stimmen.

Grundsätzlich ist die Abgabe von Vorzugsstimmen auf drei Ebenen möglich (Regionalpartei-, Landespartei- und Bundesparteiliste), wobei unterschiedliche Quoten für eine verpflichtende Umreihung festgelegt sind. Zum Beispiel sind im ersten Ermittlungsverfahren (Regionalwahlkreis) mindestens 14 % der auf eine Partei entfallenden Stimmen erforderlich.

Dies ist etwa dem bisherigen Bundesrat Christoph Steiner, der auf der FPÖ-Bundesliste nur auf Platz 77 gereiht war, gelungen. Im Regionalwahlkreis Innsbruck-Land unterstützten ihn 11.878 Personen von insgesamt 43.140 freiheitlichen Wähler:innen. Sogar auf der Bundesliste erhielt er 9.385 Stimmen, was ihm den zweiten Platz auf der freiheitlichen Liste nach FPÖ-Chef Kickl einbrachte. Ein Grundmandat gewonnen hätte auch die freiheitliche Landeshauptmann-Stellvertreterin in Salzburg Marlene Svazek, die dieses jedoch nicht angenommen hat.

Weitere „Regionalkaiser“ sind Norbert Hofer (12.258, Burgenland Süd), Georg Strasser (11.818, Mostviertel) und Josef Hechenberger (10.182, Unterland) von der ÖVP, die freiheitlichen Politiker Manfred Haimbuchner (11.154, Hausruckviertel) und Hannes Amesbauer (9.018, Obersteiermark) oder SPÖ-Kandidat Maximilian Köllner (8.073, Burgenland Nord). Bei den weiblichen Kandidat:innen stach vor allem Claudia Plakolm von der ÖVP heraus, die auf Regionalebene im Wahlkreis Mühlviertel 12.062 Stimmen erhielt.

EINIGE PROMINENTE NEUZUGÄNGE, MANCHE KEHREN WIEDER

Nach der heutigen Angelobung wird man sich an viele neue Namen gewöhnen müssen, wobei es bei der FPÖ mit 31 von 57 Mandatar:innen die mit Abstand meisten Neuzugänge gibt. Neben einigen „Rückkehrern“ wie zum Beispiel Walter Rosenkranz, Gernot Darmann, Wendelin Mölzer oder Markus Tschank finden sich auch bekannte Personen wie die ehemalige Vizepräsidentin der Oesterreichischen Nationalbank Barbara Kolm, der frühere ÖBB-Aufsichtsratschef Arnold Schiefer oder die beiden Moderatorinnen von FPÖ-TV Lisa Schuch-Gubik und Marie-Christine Giuliani-Sterrer.

Neben acht Regierungsmitgliedern ziehen drei Frauen und drei Männer für die ÖVP neu in den Nationalrat ein. So etwa der oberösterreichische Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer oder die ehemalige Behindertensportlerin Heike Eder, die bisher das Land Vorarlberg im Bundesrat vertreten hat.

Besonders viel verändert hat sich bei der SPÖ, wo etwa die Hälfte des Klubs neu ausgetauscht wurde. Ebenfalls aus dem Bundesrat wechselt Parteichef Andreas Babler in den Nationalrat, die Gewerkschaftsvertreter:innen Barbara Teiber und Reinhold Binder sowie der ehemalige Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer werden erstmals im Parlament politische Mandate einnehmen.

Bei den NEOS wird unter anderem der Medienmanager und Parteimitbegründer Veit Dengler die Fraktion verstärken. Nach Wien übersiedeln auch die NEOS-Klubchefs aus Tirol und Vorarlberg Dominik Oberhofer und Johannes Gasser. Die Grünen bilden in Hinkunft mit 16 Abgeordneten den kleinsten Klub, der nur die Regierungsmitglieder Werner Kogler, Leonore Gewessler und Alma Zadić als Neuzugänge auf der Liste der Abgeordneten zu verzeichnen hat.

Nicht mehr ins Parlament geschafft hat es die Abgeordnete Philippa Beck, die in der letzten Legislaturperiode keinem Klub angehörte.

Neu gemischt werden die Karten dann wieder nach einer Regierungsbildung. Dann können Kandidat:innen, die es bisher noch nicht in den Nationalrat geschafft haben, auf die Plätze jener Abgeordneten nachrücken, die Ministerämter annehmen.

NEUE SITZVERTEILUNG

Die neue Gesetzgebungsperiode bringt nicht nur geänderte Stärkeverhältnisse im Nationalrat, sondern auch eine neue Sitzordnung. In der letzten Präsidiale unter dem Vorsitz von Wolfgang Sobotka sprachen sich alle Fraktionen außer den Freiheitlichen dafür aus, dass die FPÖ, die zahleiche Mandate hinzugewonnen hat, mit der ÖVP Platz tauscht und damit vom Rednerpult aus gesehen ganz nach rechts außen rückt. Bei den anderen Klubs bleibt alles gleich. Ganz links sitzt die SPÖ, neben ihr die Grünen und die NEOS. In der ersten Reihe gibt es in Hinkunft nur mehr 16 Sitze statt wie bisher 17.

SERVICECENTER BRINGT LICHT IN DEN PARLAMENTARISCHEN DSCHUNGEL

Um sich im parlamentarischen Dschungel leichter zurechtzufinden, konnten sich die Neo-Abgeordneten schon gestern an die Mitarbeiter:innen des im Parlament eingerichteten Service Centers wenden, das den Mandatar:innen in den ersten Tagen rund um die Konstituierung bei der Erledigung der ersten administrativen Schritte unter die Arme greift. Angeboten werden nicht nur Orientierungsführungen durch das Parlamentsgebäude, sondern in weiterer Folge auch Briefings, bei denen kompakte Informationen zu den umfassenden Serviceleistungen der Parlamentsdirektion präsentiert werden. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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