Kontroverse Debatte über Haushaltsentwicklung im Budgetausschuss
Finanzministerium geht von einem Defizit in der Höhe von 20,9 Mrd. € aus, FPÖ fordert Kassasturz
Aufgrund der aktuellen innenpolitischen Situation fand der von Finanzminister Magnus Brunner vorgelegte September-Bericht über die Entwicklung des Bundeshaushalts heute im Budgetausschuss deutlich mehr Beachtung als üblich. Zudem befindet sich die österreichische Wirtschaft heuer das zweite Jahr in Folge in einer Rezession. Während das Finanzministerium für 2024 nun mit einem Maastricht-Defizit in der Höhe von 3,3 % des BIP (statt 2,7 %) rechnet, befürchtet der Fiskalrat sogar eine Verschlechterung auf 3,9 %.
Angesichts der unterschiedlichen Einschätzungen des Ressorts und der einzelnen Wirtschaftsforschungsinstitute wäre es umso dringender, einen Kassasturz zu machen und das Parlament umfassend zu informieren, forderte unter anderem FPÖ-Mandatar Hubert Fuchs. Kai Jan Krainer (SPÖ) erinnerte hingegen daran, dass sich vor allem seine Partei und auch die NEOS für einen Kassasturz vor der Wahl eingesetzt hätten; die Freiheitlichen jedoch nicht.
Bei seinem letzten Auftritt im Budgetausschuss machte Brunner, der bald als designierter EU-Kommissar für innere Angelegenheiten und Migration nach Brüssel wechseln wird, geltend, dass die Erstellung von Prognosen nicht so trivial sei. Es handle sich dabei um einen normierten Prozess, der immer der gleiche sei, egal, ob Wahlen stattfinden oder nicht. Eine frühere BMF-Prognose vor der Wahl wäre aufgrund noch nicht vorhandener Daten der Statistik Austria nicht möglich gewesen. Ein Vertreter des Ressorts ging zudem davon aus, dass das Defizit in der Höhe von 20,9 Mrd. Ꞓ halten werde, da voraussichtlich nicht alle budgetierten Auszahlungen schlagend werden.
Ausgangspunkt der Debatte waren nicht nur zwei Berichte des Finanzressorts, sondern auch der vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport erstellte Bericht zur Wirkungsorientierung 2023. Alle drei Materien wurden dem Unterausschuss zum Budgetvollzug zugewiesen.
MONATSBERICHT SEPTEMBER WEIST VORLÄUFIGES DEFIZIT IN DER HÖHE VON 15,4 MRD. Ꞓ AUS
Im Konkreten beläuft sich laut Bericht der Nettofinanzierungssaldo (Defizit) des Bundes per Ende September 2024 auf 15,4 Mrd. Ꞓ. Das ist um 7,9 Mrd. Ꞓ schlechter als im gleichen Zeitraum des Vorjahres (3/BA). Als Hauptgründe dafür werden höhere Zahlungen im Rahmen des Finanzausgleichs (2,6 Mrd. Ꞓ), konjunktur- und demografiebedingte Effekte (1,7 Mrd. Ꞓ), inflationsbedingt höhere Auszahlungen für das Bundespersonal und Landeslehrer (1,2 Mrd. Ꞓ) sowie zusätzliche Kosten wie etwa für den Klimabonus und die „grüne Transformation“ (3,3 Mrd. Ꞓ) angeführt. Positiv wirkten sich hingegen die gesunkenen Ausgaben für Krisenmaßnahmen aus (-1 Mrd. Ꞓ).
Die Gesamtausgaben bis Ende September 2024 lagen bei 87,4 Mrd. Ꞓ, das sind 10,1 Mrd. Ꞓ mehr als im Vorjahr. Die Einnahmen stiegen um 2,2 Mrd. Ꞓ auf 72 Mrd. Ꞓ, wobei 1,8 Mrd. Ꞓ mehr aus öffentlichen Abgaben kamen.
Laut der Prognose des Finanzministeriums von Ende September wird der Maastricht-Saldo mit -3,3 % des BIP um 0,6 % schlechter liegen als zum Zeitpunkt der Budgeterstellung erwartet. Die Schuldenquote werde durch das niedrigere nominelle BIP um 2,9 % auf 79,3 % des BIP steigen.
KRAINER KANN ANTEIL DER LÄNDER UND GEMEINDEN AM DEFIZIT NICHT NACHVOLLZIEHEN
Was die angepasste Prognose angeht, so zweifelte Kai Jan Krainer (SPÖ) daran, dass die Auszahlungen für die Hochwasserschäden so relevant seien, da sie nur rund 0,1 % des Defizits ausmachen würden. Im Besonderen interessierte er sich dafür, welchen Anteil die Länder und Gemeinden an der Defizitentwicklung haben. Nachdem er die Zahlen des BMF, das von einem Anteil von 0,1 % ausgeht, nicht nachvollziehen könne, forderte er eine genaue Aufstellung der internen Einschätzungen in diesem Bereich für den Zeitraum Juni 2023 bis Oktober 2024 ein.
FPÖ POCHT AUF UMFASSENDE INFORMATION DER AUSSCHUSSMITGLIEDER
Man habe den Medien entnommen, dass im Zuge der Sondierungsgespräche eine Expertengruppe zum Budget eingerichtet wurde, erklärte Abgeordneter Hubert Fuchs (FPÖ). Er frage sich, ob die Vertreter:innen von SPÖ und NEOS nun einen Informationsvorsprung gegenüber den Ausschussmitgliedern haben.
Gerhard Kaniak (FPÖ) verwies auf Aussagen von Brunner bzw. von Mitarbeiter:innen des Finanzministeriums im Budgetausschuss im September, wonach das Budgetdefizit von 2,7 % annähernd gehalten werden könne. Sein Fraktionskollege Arnold Schiefer war der Auffassung, dass es aufgrund vorhandener Daten durchaus möglich gewesen wäre, die Budgetdefizit-Prognose früher zu revidieren. Im Gegensatz zu Brunner vertrat er auch die Ansicht, dass das Ministerium nicht verpflichtet wäre, Wifo-Prognosen zu verwenden.
BRUNNER: ZAHLEN DES FINANZMINISTERIUMS WAREN IMMER DIE GENAUESTEN
Der Finanzminister gab noch einmal zu bedenken, dass der Budgeterstellungsprozess streng normiert sei und dass dafür immer auch die Mitwirkung aller Ressorts erforderlich sei. Das Parlament werde auch in regelmäßigen Berichten über den aktuellen Stand informiert. Aufgrund der konjunkturellen Rahmenbedingungen und zusätzlicher Ausgaben wie etwa für den Klimabonus oder die Zahlungen im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe mussten die Prognosen nach unten revidiert werden, stellte Brunner fest.
Grundsätzlich seien die Zahlen des Finanzministeriums aber immer die genauesten gewesen, so Brunner, was auch Fiskalrats-Chef Badelt einmal gesagt habe. Man habe zudem bei der Budgeterstellung einen konservativen Ansatz gewählt, währenddessen die Wirtschaftsforschungsinstitute zunächst optimistischer gewesen seien. Nachdem die Herbstprognose der Europäischen Kommission noch nicht veröffentlicht wurde, müsse der neue Fiskalstrukturplan durch die neue Bundesregierung vorgelegt werden, merkte der Minister an.
Bezüglich einer Frage der Abgeordneten Elisabeth Götze (Grüne) führte Brunner aus, dass die Expertengruppe Datenmaterial zur Einschätzung der budgetären Situation erhalten habe. Es würden jedoch keine Mitarbeiter:innen des Finanzministeriums an den Beratungen teilnehmen.
Eine Vertreterin des Finanzministeriums teilte FPÖ-Mandatar Fuchs zudem mit, dass der angesprochenen Expertengruppe keine andere Zahlen zur Verfügung stünden als den Abgeordneten. Was den von Karin Doppelbauer (NEOS) thematisierten Zukunftsfonds betrifft, so würden derzeit noch keine genauen Daten zur Mittelverwendung vorliegen. Diese gäbe es erst bei der Evaluierung im August 2028. Genaueres wisse man schon bezüglich des vierten Gemeindehilfspakets, nach dem sich Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ) erkundigt hat. Per Stand Ende September seien bereits 650 Mio. Ꞓ ausbezahlt worden; rund 350 Mio. Ꞓ seien daher noch offen.
Die Leiterin des Parlamentarischen Budgetdienstes, Kristina Fuchs, informierte darüber, dass sie von der von der FPÖ angesprochenen Budgetexpertengruppe eingeladen wurde. Sie habe am ersten Termin teilgenommen und dort die von ihrem Dienst erstellten Szenarien im Zusammenhang mit der Einhaltung der neuen EU-Fiskalregeln präsentiert.
1,64 MRD. Ꞓ KOSTENÜBERSCHREITUNGEN IM 3. QUARTAL
Ebenfalls dem Unterausschuss zugewiesen wurde der Bericht über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen. Die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energie sowie die Anhebung des Klimabonus-Sockelbetrages auf 145 Ꞓ stellten mit 1,37 Mrd. Ꞓ dabei den größten Anteil dar. Insgesamt wurden im dritten Quartal 2024 Mittelverwendungsüberschreitungen im Ausmaß von 1,64 Mrd. Ꞓ verzeichnet. Weiters verweist der entsprechende Bericht des Finanzressorts auf Vorbelastungen in der Höhe von 567,8 Mio. Ꞓ hin, wobei 154,2 Mio. Ꞓ für den Handwerkerbonus (für die Jahre 2025 und 2026) sowie 298,4 Mio. Ꞓ für militärische Angelegenheiten ausgewiesen werden(1/BA).
Dem Ausschuss lag auch der Bericht zur Wirkungsorientierung 2023 (2/BA) vor, der vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) veröffentlicht wurde. Er ermöglicht einen Blick auf den Grad der Erreichung von Wirkungszielen, die im Bundesvoranschlag festgelegt wurden. Besondere Beachtung findet dabei die Frage der Gleichstellung, was durch einen eigenen ergänzenden Bericht zum Ausdruck kommt. Im Jahr 2023 seien 73 von 120 Wirkungszielen (61 %) überplanmäßig oder zur Gänze erreicht worden, so der Bericht aus dem Jahr 2023. Bei weiteren 32 Zielen sei die geplante Wirkung überwiegend eingetreten, bei 14 Wirkungszielen seien die Ziele nicht oder nur teilweise erreicht worden. Von den insgesamt 36 Gleichstellungszielen seien 23 (64 %) zur Gänze (oder sogar darüber hinaus) erreicht worden. (Schluss Budgetausschuss) sue
HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.
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