Schwierige Bedingungen für neue Antibiotika
Neue Anreizmodelle sind entscheidend, um die Entwicklung von antimikrobiellen Wirkstoffen zu fördern und die Verfügbarkeit von Antibiotika sicherzustellen. Ohne diese droht der Verlust wertvoller Expertise.
Die Gefahr ist groß und wird als „stille Pandemie“ bezeichnet: die zunehmende Widerstandsfähigkeit von Bakterien gegen Antibiotika. Wenn keine neuen Medikamente entwickelt werden und sich die Resistenzen weiter ausbreiten, könnte dies bis 2050 39 Millionen Menschen das Leben kosten. Dass auch der richtige und sparsame Einsatz von Antibiotika wesentlich ist, um die Ausbreitung resistenter Bakterien möglichst zu vermeiden, steht im Fokus der World Antimicrobial Resistance Awareness Week (WAAW), die von heute bis zum 24. November dauert.
„Jede und jeder, die oder der mit Antibiotika zu tun hat, muss wissen, wie diese Medikamente richtig angewendet und richtig entsorgt werden. Genauso wichtig ist, dass sie möglichst sparsam und gezielt zum Einsatz kommen, denn all diese Faktoren begünstigen Resistenzen und machen die Behandlung von bakteriellen Infektionen immer schwieriger“, kommentiert Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, den Schwerpunkt der Aktionswoche. So tragen die falsche Einnahme, das zu frühe Absetzen oder auch die Entsorgung von Antibiotika über die Toilette oder den Abfluss nachweislich dazu bei, dass immer mehr Bakterien gegen diese wichtigen Medikamente immun werden.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie rechnet vor, dass bis 2050 weltweit 39 Millionen Todesfälle auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführen sein könnten. Es werden also dringend Antibiotika benötigt, und zwar solche, die gegen bisherige Erreger auch in Zukunft wirksam sind und weitere, mit denen auch neuartige Erreger bekämpft werden können. Hier zeigen sich aber mehrere Schwierigkeiten: Einerseits ist ihre Entwicklung enorm schwierig und teuer. Andererseits dürfen sie nach ihrer Zulassung nur sparsam eingesetzt werden. Dazu sagt Herzog: „Unternehmen, die sich hier engagieren, benötigen deshalb Schützenhilfe. Konkret geht es um ein intelligentes System von Anreizen, das Erfolge in den verschiedenen Entwicklungsstadien von der Grundlagenforschung über die teure Phase der klinischen Entwicklung bis hin zur Zulassung und Markteinführung honoriert.“
In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, Unternehmen bei der Entwicklung neuer Antibiotika nicht nur durch Subventionen oder Steuererleichterungen zu unterstützen, sondern auch Anreize zu schaffen, die über die Phase der Erforschung und Zulassung neuer Medikamente hinausgehen. „So wäre es beispielsweise wichtig, Anreize zu schaffen, die erfolgreiche antimikrobielle Entwicklungen auf der Grundlage der Fähigkeit des Produkts, einen ungedeckten Bedarf zu decken, belohnen. Und zwar in einer Höhe, die weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung ermöglicht. Das würde den forschenden Unternehmen mehr Planungssicherheit geben“, sagt Herzog.
Die EU schlägt hier im Rahmen der EU-Pharma-Gesetzgebung beispielsweise einen übertragbaren „Transferable Exclusivity Voucher“ (TEV) vor: Bringt ein Unternehmen ein neues Antibiotikum auf den Markt, so hätte es mit diesem Gutschein die Möglichkeit, ein anderes, bestehendes Medikament aus seinem Portfolio länger vor einer Nachahmung zu schützen, indem dessen Patentschutz ausgedehnt wird. Dieser Anreiz wird jedoch in der Form, wie er derzeit in der EU-Gesetzgebung vorgesehen ist, kritisch gesehen. Während die einen höhere finanzielle Belastungen für die Gesundheitssysteme befürchten, ist der Gutschein aus Sicht der Industrie zu restriktiv und wenig zielführend. Er würde, so Herzog, die Forschungspipeline nicht wie gewünscht befeuern.
Dass es aber gezielter Anreize bedarf, zeigt der Umstand, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen aus der Entwicklung neuer Antibiotika-Kandidaten zurückgezogen haben. Selbst einige, die ein Projekt bis zur Zulassung gebracht hatten, mussten aufgeben, weil die notwendigen Umsätze fehlten. Dazu Herzog: „Das zeigt, dass die Anreize hoch und auch zielführend genug sein müssen, um den Innovatoren wirklich unter die Arme zu greifen. Sonst wird die ohnehin bescheidene Pipeline antimikrobieller Wirkstoffe weiter ausgedünnt. Die Folge wäre ein Brain-Drain und der unwiederbringliche Verlust von Know-how in der Antibiotikaentwicklung.“
Der Verbandsvertreter warnt eindringlich: „Heute ein effizientes System wirksamer Anreize zu schaffen, kostet garantiert weniger als die Behandlung von Antibiotikaresistenzen – solange wir sie dann überhaupt noch bekämpfen können.“
Über die PHARMIG: Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder (Stand November 2024), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.
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