Podiumsdiskussion: Lösungswege zu Handysicherstellung im Spannungsfeld mit Grundrechten

Neuer Initiativantrag soll diese Woche im Nationalrat eingebracht werden

Zum Thema Handysicherstellung stand gestern Abend im Parlament das Spannungsfeld zwischen strafrechtlicher Aufklärungsarbeit und grundrechtlichen Vorgaben im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion in Kooperation mit dem Österreichischen Juristentag. Der Verfassungsgerichtshof hatte Ende 2023 mit seiner Entscheidung die geltenden Bestimmungen im Hinblick auf Grundrechtseingriffe für verfassungswidrig erklärt. Daher ist spätestens für Anfang Jänner 2025 eine Neukonzeption der Materie erforderlich.

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz eröffnete die Diskussionsveranstaltung. Einleitende Worte kamen außerdem von Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung sowie in Vertretung von Justizministerin Alma Zadić von Fritz Zeder, Sektionschef im Justizministerium und von Marcella Prunbauer-Glaser, Präsidentin des Österreichischen Juristentages. Zur Veranstaltung begrüßte eingangs der Generalsekretär des Österreichischen Juristentages, Günther Winsauer.

ROSENKRANZ: GEBALLTES WISSEN ZUNUTZE MACHEN

„Als Jurist bin ich gespannt, was heute zutage kommen wird“, zeigte sich Nationalratspräsident Rosenkranz in seinen Eröffnungsworten interessiert. Bei der Podiumsdiskussion sei jedenfalls „geballtes Wissen“ aus den verschiedenen Einheiten der Gewaltenteilung vertreten, das es gelte, sich zunutze zu machen. Diese Art von Veranstaltungen, insbesondere den Justizbereich betreffend, deren Inhalte Abgeordneten zu Gute kommen könnten, seien im Parlament „immer willkommen“, hielt Rosenkranz fest.

EDTSTADLER: INTENSIVE GESPRÄCHE FÜR NEUEN INITIATIVANTRAG

Verfassungsministerin Edtstadler zufolge würden nach wie vor zur Neuregelung von Datensicherstellungen intensive Gespräche laufen, um im Hinblick auf die verbleibende Zeit bis Jahresende schon diese Woche im Nationalrat einen Initiativantrag einbringen zu können. Sie habe seit Jahren darauf hingewiesen, dass sich die betreffenden Regelungen hinsichtlich des Fortschritts der Digitalisierung nicht auf der Höhe der Zeit befinden würden. Die Neuregelungen in Umsetzung des Erkenntnisses des VfGH müssten sowohl im Einklang mit den Grundrechten stehen, als auch eine effektive Strafverfolgung ermöglichen, hielt Edtstadler fest. So sollte etwa die Beschlagnahme in Zukunft im Regelfall nicht ohne richterliche Bewilligung erfolgen. Es brauche aber etwa auch eine Regelung bei Gefahr im Verzug.

ZADIĆ: NEUEN ENTWURF NOCH HEUER VERABSCHIEDEN

Sektionschef Zeder trug das Statement der Justizministerin vor, für die er die Vertretung übernahm. So sei die Zeit seit der Begutachtung des ersten Entwurfs im Sommer intensiv genutzt worden, um den vorgebrachten Bedenken Rechnung zu tragen und um eine gute Abwägung zwischen strafrechtlicher Verfolgung und Grundrechten zu treffen. Der neue Entwurf sollte „praxistauglich und grundrechtskonform“ gestaltet werden und sollte demnächst eingebracht werden, damit er noch heuer verabschiedet werden könne, kündigte Zeder für Zadić an. Zwischenzeitlich sei ein Erlass veröffentlicht worden, um eine einheitliche Rechtsanwendung in diesem Bereich sicherzustellen. Dieser stelle aber eine Übergangsregelung dar und sei kein Ersatz für eine gesetzliche Neuregelung.

PRUNBAUER-GLASER: NICHTENTSCHEIDUNG HÄTTE „NOCH NIE DAGEWESENE KONSEQUENZEN IN DER STRAFVERFOLGUNG“

Novellierungsbedarf sei schon vor dem VfGH-Urteil aufgezeigt worden, so Prunbauer-Glaser. Überraschend sei es, dass bis heute eine Neukonzeption der Thematik ausstehe. Zumal die Frist bis Ende des Jahres nunmehr denkbar knapp sei – im parlamentarischen Prozess ebenso wie für Planungen und Vorbereitungen. Sie hoffe, dass in der Diskussion auch Inhalte zu den tatsächlich geplanten Regelungen erörtert würden. Eine „Nichtentscheidung“ des Gesetzgebers rechtzeitig vor Ablauf des Jahres hätte jedenfalls aus ihrer Sicht „noch nie dagewesene Konsequenzen in der Strafverfolgung“.

PODIUMSDISKUSSION: ZUGÄNGE VON JURIST:INNEN AUS UNTERSCHIEDLICHEN BLICKWINKELN

In der Podiumsdiskussion brachte etwa Susanne Reindl-Krauskopf, Vorständin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, die Dringlichkeit der Neuregelung der Materie auf den Punkt: „Es freuen sich sonst am 1. Jänner die Falschen“. In den Details zu den Neuregelungen sprach sich etwa Lisa Pühringer vom Innenministerium dafür aus, im Hinblick auf punktuelle Daten wie etwa aus Überwachungsvideos beim bisherigen Regime zu bleiben. Für solche punktuellen Daten gebe es aus ihrer Sicht im Zusammenhang mit der Sicherstellung große Unterschiede hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit etwa zu umfassenden Handydaten.

Erste Staatsanwältin Cornelia Koller von der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sprach von einem „worst case“, wenn in der Sicherstellung ab Jänner eine Gesetzeslücke eintreten würde. Ihr seien zwei Punkte in den Neuregelungen wichtig – der punktuelle Zugriff auf Daten und die Regelungen zu Gefahr im Verzug. Beim punktuellen Zugriff brachte sie etwa das Beispiel, dass es möglich sein müsse, eine einzelne Ambulanzkarte oder ein einzelnes Bild einer Überwachungskamera sicherzustellen. Diese Regelung habe für die Praxis große Relevanz.

Stephan Faulhammer von der Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter hob positiv hervor, dass in der Ausarbeitung des neuen Entwurfs mittlerweile Interessenvertretungen eingebunden seien und Wünsche aus der Praxis berücksichtigt würden. Inhaltlich sprach er sich dafür aus, bei der Datenauswertung dabei zu bleiben, dass die Staatsanwaltschaft auf die Aufbereitung Einfluss nehmen könne und involviert sei. Bei Gericht gebe es nicht die Ressourcen dafür – zudem sei es wichtig, in diesem Punkt als Ermittler:in eingebunden zu sein. Faulhammer plädierte außerdem dafür, jetzt die Neuregelungen zur Sicherstellung durchzuführen und andere Teile des Pakets zur Strafprozeßordnung später genauer anzuschauen.

Michael Rohregger, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien, sieht insgesamt durch die technologischen Entwicklungen die Abwägung zwischen den Zielen des Strafprozesses und den Grundrechtseingriffen „massiv aus dem Ruder gelaufen“. Die Ermittlungsmaßnahmen seien zu belastend geworden, der Grundrechtseingriff zu intensiv. Es gelte, dieses Verhältnis neu zu kalibrieren und die Verhältnismäßigkeit gesetzlich näher zu regeln. Was die drängende Zeit für Neuregelungen betrifft, könne er sich vorstellen, dass man vorerst die bisherigen Regelungen, allerdings mit Ausnahme der elektronischen Daten, in Kraft setzen könnte. Ein weiterer Diskussionspunkt war etwa auch, wie der Umgang mit Zufallsfunden bei Daten künftig geregelt werden sollte.

Fritz Zeder vom Justizministerium, der bereits eingangs die Vertretung für Justizministerin Zadić übernommen hatte, erörterte grundsätzlich, dass es ab Jänner durch die Aufhebung des VfGH keine gesetzliche Grundlage für Sicherstellungen mehr gebe. Eine Neuregelung müsse daher allein schon rechnerisch, wenn man die verbleibenden Plenarsitzungen von Nationalrat und Bundesrat bis Jahresende einrechne, diese Woche im Nationalrat eingebracht werden. Inhaltlich sei jedenfalls eine richterliche Genehmigung für die Beschlagnahme und etwa eine Beschränkung auf notwendige Daten sowie eine überprüfbare Vorgangsweise und eine Information an Betroffene verlangt. Dazu komme eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der weitere Präzisierungen festlege.

NEUER ENTWURF ALS MITTELWEG ZWISCHEN POSITIONEN

Was die unterschiedlichen Blickwinkel betreffe, sei es die Aufgabe der Legist:innen, zwischen den Positionen einen Mittelweg zu finden. Zeder meinte, der neue Entwurf werde vielen Bedenken aus dem Justizbereich Rechnung tragen. Das betreffe etwa Regelungen nach Eingriffsintensität und Dringlichkeit, bei Gefahr im Verzug, für punktuelle Daten, oder auch jene Inhaber:innen von Daten, die ohnehin kooperationsbereit seien. Sichergestellt werden soll ihm zufolge jedenfalls, dass die inhaltliche Auswertung der Daten darauf beschränkt werde, was gerichtlich bewilligt werde. Was die Rechte Betroffener anbelangt, würden diese beispielsweise eigene Suchparameter beantragen und in das für sie relevante Suchergebnis Einsicht nehmen können. Auch den Rechtsschutzbeauftragten soll ihm zufolge eine eigene Rolle eingeräumt sowie eine Nichtigkeitssanktion eingeführt werden.

DOSSI ZU ARBEITSAUFTRAG AN GESETZGEBUNG

Einen Punkt habe er in der Diskussionsrunde als Konsens wahrgenommen, fasste Parlamentsdirektor Harald Dossi in seinen Abschlussworten zusammen. Und zwar, dass das Schlimmste wäre, wenn heuer zu dem Thema keine neue gesetzliche Grundlage mehr zustande komme. Das stelle wohl entsprechend Motivation und Arbeitsauftrag für alle Beteiligten dar. Die derzeitige Konstellation in der Gesetzgebung als „freies Spiel der Kräfte“ sei dabei sehr außergewöhnlich, meinte Dossi im Hinblick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen. Alle Beteiligten würden wissen, dass auch nach Einbringen einer Vorlage noch im Ausschuss oder in Zweiter Lesung Instrumente zur Verfügung stehen, um Änderungen an Entwürfen vorzunehmen. Er könne seinen Kernauftrag als Leiter der Parlamentsdirektion nicht ganz verleugnen und plädiere dafür, diese Instrumente sorgsam in Anspruch zu nehmen.

Inhaltliche Veranstaltungen wie etwa jene des Juristenverbandes zu aktuellen rechtspolitischen Themen würden aus seiner Sicht jedenfalls eine weitere Garantie für qualitätsvolle und parlamentarisch gute Arbeit darstellen, hielt der Parlamentsdirektor fest.

Die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm Andreas Koller, stellvertretender Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. (Schluss) mbu

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