60. Wiener Gemeinderat (8)
Dringliche Anfrage
Die Sitzung wurde um 16 Uhr für die Dringliche Anfrage der Grünen an den Herrn amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke, Peter Hanke, betreffend „Wahrnehmung der Eigentümer:inneninteressen der Stadt Wien: Ungereimtheiten beim U-Bahn-Bau“ unterbrochen.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE) begründete die Dringliche Anfrage damit, dass die Ausfälle und Verzögerungen bei den Wiener Linien derzeit „viele Menschen“ in Wien betreffen würden, wie aktuell auch die Teilsperre der U1, die aufgrund eines Brandes nicht in vollem Umfang fahren könne. Generell seien, so Margulies die Probleme bei den U-Bahn-Linien oder Straßenbahnen in der letzten Zeit unübersehbar. Das bedeute für die Bevölkerung immer einen „Einschnitt in ihrer Mobilität“, sagte der Gemeinderat. Dieser Umstand habe dazu geführt, dass vermehrt Menschen wieder auf das Auto umgestiegen seien, behauptete er – und das sei nicht wünschenswert. Margulies betonte auch die Notwendigkeit, das Verkehrsnetz regelmäßig auf Hochwasserschutz und Sicherheit zu überprüfen und die Kommunikation mit der Bevölkerung transparenter zu gestalten. Finanziell seien die Wiener Linien eine der größten Ausgaben im Budget der Stadt, mit einem Betriebskostenzuschuss, der auf 806 Mio. Euro im Jahr 2023 gestiegen sei – ein Zuwachs von 136 Prozent in den letzten fünf Jahren. Zudem kritisierte er, dass 131 Mio. Euro für andere Zwecke verwendet wurden, ohne eine klare Erklärung, ob es sich dabei um eine Fehlbudgetierung handle.
Margulies stellte auch die Ausschreibungspraxis für den U-Bahn-Bau infrage. Die Entscheidung für eine zweite Ausschreibung habe möglicherweise keine Kostensenkung gebracht, sondern nur Verzögerungen verursacht. Er forderte, dass die Stadt aus diesen Erfahrungen lernt und öffentliche Bauprojekte besser auf wirtschaftliche Zyklen abstimmt, um sie in wirtschaftlich schwierigen Zeiten effizienter zu nutzen. Der grüne Mandatar forderte eine Neuverhandlung des Finanzausgleichs, bei der Wien zusätzliche zwei Milliarden Euro benötige. Margulies betonte, dass Wien in einigen Bereichen effizienter arbeiten müsse, um mit alternativen Ansätzen dieselben Ziele zu erreichen. „Es lohnt sich, darüber nachzudenken“, so Margulies. Zugleich kritisierte er die NEOS, die seiner Ansicht nach ebenfalls Schwierigkeiten im Umgang mit finanziellen Ressourcen hätten. Er forderte, die Stadt müsse der Wiener Bevölkerung klare Perspektiven bieten: “Wann können neue U-Bahn-Linien in Betrieb genommen werden? Wann fahren bestehende Linien wieder regelmäßig und ohne Störungen? Und wann werden die aktuellen Baustellen abgeschlossen?” Margulies appellierte an die Verantwortlichen, diese Fragen transparent zu beantworten, um das Vertrauen der Wiener*innen zurückzugewinnen.
Zu Beginn seiner Anfrage-Beantwortung richtete Stadtrat Hanke jener U-Bahn-Fahrerin, die gestern beim Brand des U-Bahn-Waggons auf der Linie U1 so rasch reagierte, seinen Dank aus. Generell, so Hanke, gebe es in Wien eine hohe Zufriedenheit der Wiener Bevölkerung mit den Öffis. „Acht von zehn Wienerinnen bzw. Wienern sind sehr zufrieden“ zitierte Hanke eine Umfrage. Man müsse jedoch immer dazulernen und das System weiter verbessern, mahnte Hanke.
In seiner Anfragebeantwortung ging Stadtrat Peter Hanke insbesondere auf die Verzögerungen und Mehrkosten, die bei den Arbeiten für die neue U2-Linie aufgetreten sind, ein. Hanke hob hervor, dass diese Probleme vor allem auf unerwartete bauliche Herausforderungen und globale Entwicklungen zurückzuführen seien. Das Großprojekt solle nicht nur zur Erreichung der Klimaziele beitragen, sondern auch die Lebensqualität der Wiener Bevölkerung sichern. „Damit Wien die lebenswerteste Stadt der Welt bleibt, muss das Öffi-Netz mitwachsen“, betonte Hanke den Weg des konsequenten Ausbaus für den CO2-freien Verkehr. Dabei könne man den Vergleich mit jeder anderen Stadt wagen, sagte Hanke. Er hob hervor, dass das Projekt durch die Reduktion des Autoverkehrs jährlich bis zu 75.000 Tonnen CO₂ einsparen könnte. Zugleich werde die Leistungsfähigkeit der Wiener Öffis nachhaltig gestärkt: Nach Fertigstellung der derzeit „hochkomplexen Baustellen“ könnten jährlich bis zu 300 Millionen zusätzliche Fahrgäste die Wiener Linien nutzen. Der Stadtrat stellte in Aussicht, dass die neuen U-Bahn-Linien deutlich kürzere Reisezeiten ermöglichen würden. So soll die Strecke vom Elterleinplatz zum Karlsplatz künftig in etwa elf Minuten zurückgelegt werden können, was einer Halbierung der heutigen Fahrzeit entspreche. Ähnliches gelte für die Verbindung zwischen Neubaugasse und Schottentor, die auf vier Minuten verkürzt werde. Hanke wies auch auf die konjunkturellen Effekte des Projekts hin: Rund 30.000 Arbeitsplätze werden durch den Ausbau geschaffen oder gesichert, was nicht nur der Bauwirtschaft, sondern auch zahlreichen Zulieferbetrieben zugutekomme. „Wir sind damit ein wichtiger Faktor für die heimische Wirtschaft und ein konjunktureller Impulsgeber“, sagte der Stadtrat. Hanke appellierte an die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, um die Herausforderungen des Projekts zu meistern. „Große Aufgaben können wir nur gemeinsam bewältigen“, so Hanke. Dazu zähle vor allem die „transparente Information“ der Öffentlichkeit.
Hanke nutzte dabei die Gelegenheit, um einige „Missverständnisse“ im Zusammenhang mit dem Projekt richtigzustellen. So sei etwa die Behauptung, die Fertigstellung der U5 bis Frankhplatz habe sich auf 2028 verschoben, „schlichtweg falsch“. „Die Wiener Linien haben deutlich kommuniziert, dass die U5 weiterhin bis 2026 planmäßig fertiggestellt wird“, stellte der Stadtrat klar. Stadtrat Peter Hanke berichtete, dass es regelmäßige Kommunikationsroutinen gebe, die bei Bedarf durch themenspezifische Besprechungstermine ergänzt würden. Darüber hinaus pflege die Stadt Wien als Eigentümerin der Wiener Stadtwerke eine enge und direkte Kommunikation mit dem Konzern. Hanke führte aus, dass etwa einmal im Monat ein Jour Fixe mit der Geschäftsführung der Wiener Stadtwerke und ihm stattfinde. Im Rahmen dieser Routine werde die Geschäftsführung der Wiener Stadtwerke ihrerseits von der Geschäftsführung der Wiener Linien informiert. Zudem stehe auch sein Büro im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten in regelmäßigem Austausch mit den Wiener Stadtwerken und ihren Tochtergesellschaften, einschließlich der Wiener Linien. Auch den regelmäßigen Lenkungsausschuss zwischen Bund und Land erwähnte Hanke.
Zur aktuellen Entwicklung des Projekts erklärte Hanke deshalb auch, dass die Fertigstellung der ersten Baustufe weiterhin planmäßig verlaufe: Die U5 solle bis 2026 bis zum Frankhplatz und die U2 bis 2030 bis zum Matzleinsdorfer Platz führen. Die zweite Baustufe, die Verlängerung der U5 bis Hernals und der U2 bis Wienerberg, sei zwischen 2032 und 2035 zu erwarten. In Bezug auf die Kosten unterstrich Hanke, dass das Projekt inflationsbereinigt im Kostenrahmen bleibe, trotz erheblicher Preissteigerungen bei Baukosten, Energie und Rohstoffen seit 2020. Diese hätten jedoch zu einem zusätzlichen Finanzierungsbedarf von rund 300 Millionen Euro für die erste Baustufe geführt. Eine externe Prüfung habe diese Steigerung für „plausibel“ befunden, behauptete der Finanzstadtrat. Laut Hanke befinde sich die Stadt Wien mit dem Bund in Verhandlungen über eine mögliche Kostenteilung. Eine endgültige Klärung stehe jedoch noch aus.
Ein weiteres Thema war der Wassereinbruch bei der Baustelle Pilgramgasse infolge des außergewöhnlichen Hochwassers im heurigen September. Hanke betonte, dass im Vorfeld alle erforderlichen Schutzmaßnahmen ergriffen worden seien, und kündigte eine abschließende Evaluierung der entstandenen Schäden an. Gespräche mit dem Bund über eine mögliche Unterstützung durch den Katastrophenfonds würden derzeit laufen. Wie Hanke weiter berichtete, seien bei den Bauarbeiten zur neuen U2-Linie zahlreiche unvorhergesehene Hindernisse aufgetreten, die zu erheblichen Verzögerungen geführt haben. Besonders betroffen sei die Station Rathaus, wo unerwartete Erdbewegungen zu Schäden an den Bahnsteigtüren führten. Diese mussten repariert werden, was zusätzliche Zeit und Kosten erforderte. Auch am Bauwerk selbst hätten sich unerwartete Herausforderungen ergeben. Eine „Wasserlinse mit 100.000 Litern Wasser“ habe umfangreiche Sicherungsmaßnahmen notwendig gemacht, darunter der Bau von Brunnen und das Abpumpen der Wassermassen. Weitere Schwierigkeiten traten an der Universitätsstraße auf, wo ein nicht dokumentierter, 50 Meter langer Kanal in sechs Metern Tiefe abgetragen werden musste, bevor die eigentlichen Arbeiten fortgesetzt werden konnten. Hanke nannte diesen Bereich eine „bauliche Engstelle“, da auch der bestehende U2-Tunnel umfangreich gesichert werden musste. An der Station Reinprechtsdorfer Straße habe sich der Wiener Untergrund als unberechenbar erwiesen. Bewegungen im Erdreich hätten zusätzliche Stahlbetonquerträger sowie den Bau von Ulmenstollen erforderlich gemacht, um das Schachtbauwerk zu stabilisieren. Solche unvorhergesehenen Herausforderungen hätten den Bauablauf erheblich verzögert und erschwert. Erst nach Abschluss aller Sicherungsmaßnahmen konnten die Gleise auf der Strecke wieder durchgängig verlegt und die technische Ausstattung für den U-Bahn-Betrieb installiert werden. „Die Komplexität des Projekts ist höher als ursprünglich erwartet“, erklärte Hanke in Bezug auch auf die Installation von neuer Software, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass der Betrieb zwischen Schottentor und Karlsplatz im Herbst 2024 wiederaufgenommen werden könne.
Hanke stellte klar, dass die Verantwortung für die entstandenen Mehrkosten noch geprüft werde. Globale und geopolitische Ereignisse hätten hier zu teils immensen Preissteigerungen geführt. Ob sie von Versicherungen gedeckt, auf Baufirmen umgelegt oder von der Stadt Wien getragen werden müssten, sei derzeit ungewiss. „Die Klärung des Sachverhalts ist entscheidend“, betonte er. Er wies darauf hin, dass die finalen Mehrkosten erst mit Abschluss des Projekts bekannt sein würden. Eine „externe begleitende Kontrolle“ habe jedoch bestätigt, dass externe Faktoren wie Inflation und gestiegene Energiepreise wesentliche Treiber der Mehrkosten seien. Auch die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt wurden thematisiert. Laut Hanke bleibt das Defizit im Ergebnishaushalt 2024 bei prognostizierten 2,381 Milliarden Euro, könne sich aber durch die Nachzieheffekte der Inflation und sinkende Einnahmen noch verändern. Für 2025 rechne man mit einem erhöhten Defizit von 2,714 Milliarden Euro aufgrund reduzierter Ertragsanteile durch geänderte Bundesprognosen. Ein weiterer Punkt war der sogenannte Investitionskostenzuschuss (BKZ), der für 2024 ursprünglich auf 697 Millionen Euro angesetzt war. Hanke berichtete, dass ein Minderbedarf von 100 Millionen Euro erwartet werde. Dieses Geld werde jedoch nicht als „stille Reserve“ für den U-Bahn-Bau genutzt, sondern teilweise für andere Investitionen der Wiener Linien umgeschichtet. Das hänge von mehreren Faktoren ab, sagte Hanke. Dennoch zeigte sich Hanke optimistisch, dass es weder 2024 noch 2025 Überschreitungsanträge für den U-Bahn-Bau geben werde. Er betonte, dass die Stadt in enger Abstimmung mit den Wiener Linien an einer Anpassung der Zeit- und Kostenpläne arbeite, um das Projekt im Rahmen des Budgets zu halten.
Stadtrat Hanke appellierte abschließend an alle politischen Akteure, das Projekt weiterhin konstruktiv zu begleiten zu unterstützen. Die U-Bahn-Erweiterung sei ein „essentielles Infrastrukturprojekt“ für die Zukunft eines lebenswerten Wiens und erfordere trotz der Herausforderungen einen gemeinsamen Einsatz. Er wolle unterstreichen, dass die Stadt Wien weiterhin bemüht sei, die U-Bahn-Bauarbeiten im geplanten Rahmen abzuschließen, „auch wenn die Rahmenbedingungen komplexer geworden sind“. (Forts.) kri
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