Geschichte des Palais Epstein: Vom Ort für private Feiern zum Ort für Regierungsverhandlungen
Rückblick auf die Entwicklungen, die den Ringstraßenbau zum parlamentarischen Gebäude machten
Im Palais Epstein treffen sich zur Zeit die Regierungsverhandler:innen von ÖVP, SPÖ und NEOS. Genauer gesagt in der prunkvollen „Beletage“, dem ersten Stock des über 150 Jahre alten Ringstraßenbaus. Hier lebte einst die Familie Epstein. Bankier Karl Ritter von Epstein hatte das Palais beim Architekten Theophil Hansen, der auch beim Parlament verantwortlich zeichnete, in Auftrag gegeben – 1871 war es unter der Federführung des Baumeisters Otto Wagner fertiggestellt worden.
Gustav Ritter von Epstein und seine Frau Emilie, sowie ihre Kinder Friedrich, Caroline und Margarethe bewohnten die prachtvoll ausgestatteten und reich möblierten Räume im ersten Stock ab 1872. Die drei zentralen Räume an der Ringstraßenfront – der Empfangssaal, der Fest- bzw. Tanzsaal und der Speisesaal – waren der Repräsentation gewidmet.
Wie kam es, dass nun dort, wo einst gefeiert wurde, jüngste Politikgeschichte geschrieben wird? Ein Rückblick darauf, wie das Palais Epstein 1998 zum parlamentarischen Gebäude wurde.
GASGESELLSCHAFT, VERWALTUNGSGERICHTSHOF, NS-REICHSBAUAMT, SOWJETISCHE STADKOMMANDATUR UND STADTSCHULRAT
Nachdem Gustav Ritter von Epstein nach dem Börsenkrach 1873 Bankrott ging, verkaufte er das Palais 1876. Von 1883 bis 1902 fand die Imperial Continental Gas Association (ICGA) im Palais Epstein ein Zuhause. Die ICGA (mit Stammsitz in London) erhielt 1877 als Quasimonopol einen Vertrag über die Gasversorgung Wiens – und zwar bis das erste Wiener Großgaswerk (Gasometer) 1899 in Betrieb ging. In der Folge verließ die ICGA die Stadt Wien und das Palais Epstein.
1902 zog an ihrer Stelle der Verwaltungsgerichtshof ein und 20 Jahre später wieder aus. 1922 folgte der damals neu gegründete Stadtschulrat. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich wurde das Palais Epstein für das deutsche Reichsbauamt beschlagnahmt. 1945 – nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – fungierte das Gebäude zehn Jahre lang als Sitz der sowjetischen Stadtkommandantur. Mit dem Abzug der alliierten Truppen räumten auch die Sowjets das Palais Epstein. Der Stadtschulrat stellte 1955 (wie schon im April 1945) einen Antrag auf Rückgabe des Palais. Nach umfassenden Renovierungsarbeiten wurde es 1958 wieder Sitz des Wiener Stadtschulrates und wurde von ihm bis ins Jahr 2000 genutzt. 1998 kaufte das Gebäude allerdings die Bundesimmobiliengesellschaft. Beinahe wäre es zuvor um 120 Millionen Schilling in den Besitz einer japanischen Bank gelangt.
PLATZPROBLEME IM PARLAMENT
Zu dieser Zeit hatte man im Parlament mit Platzproblemen zu kämpfen. Andreas Khol, damals Abgeordneter der ÖVP, erzählte in einem Interview im Zuge des seit 2015 laufenden Projekts der Parlamentsdirektion „Oral History“, dass man in den 1980er-Jahren als neuer Abgeordneter kein Büro, sondern lediglich ein Postfach geerbt hätte. Freda Meissner-Blau erzählte, wie es war, wenn gar eine neue Fraktion – in ihrem Fall die Grünen – im Parlament einzog. Zu Acht seien sie damals in den „Blauen Salon“ gesteckt worden, dort habe es zwei Tische gegeben, „sonst nichts“.
Als Antwort auf die Platznot sah 1997 Sigurd Bauer – damals Parlaments-Vizedirektor – das Palais Auersperg samt Parkanlage, das zu der Zeit zum Verkauf stand. Dort hätte „man locker ein Bürohaus hinstellen können“. Doch Heinz Fischer, zu der Zeit Nationalratspräsident, „hat sich nicht getraut“, wie Bauer im „Oral History“-Interview sagte. Es wären Nationalratswahlen bevorgestanden, da hätte es „nicht gut ausgeschaut“ ein Palais um 80 Millionen Schilling zu kaufen.
EIN PALAIS FÜR DAS PARLAMENT
Doch dann tat sich eine andere Gelegenheit auf, den Platzmangel mit einem Palais zu trotzen. Bauer erfuhr, dass das Palais Epstein verkauft werden sollte, das war bereits im Ministerrat beschlossen worden. Als Käufer wurde eine japanische Bank gehandelt. Bauer habe einen zweiten Versuch bei Fischer gestartet – diesmal ging es um die Rettung eines historisch belasteten Kulturguts vom Parlamentsarchitekten Theophil Hansen, wie er argumentierte. Fischer sei wieder nicht begeistert gewesen und habe sich erst durch das Zutun von Andreas Khol – zu der Zeit ÖVP-Klubobmann – überzeugen lassen, so Bauer. Auch SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka war mit im Boot. Das Parlament meldete Eigenbedarf beim Palais Epstein an, es wurde von der Tagesordnung im Ministerrat genommen.
Am 19. November 1998 wurde in der Präsidialsitzung des Nationalrats einhellig beschlossen, das Palais für Parlamentszwecke zu nutzen. Diese Entscheidung war allerdings nicht unumstritten.
In einem Interview aus dem Jahr 2017 erzählte Heinz Fischer rückblickend, dass es von anderen Seiten Bestrebungen gegeben hätte, aus dem Palais ein Museum zu machen oder es für die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus zu verwenden. Auch die Medien hätten mitgespielt und gefragt, wozu die Parlamentarier:innen so viel Raum bräuchten.
Am Ende gab es einen Fünf-Parteien-Konsens, das Gebäude für das Parlament zu holen und die Bundesimmobiliengesellschaft zu beauftragen.
Nach einer aufwendigen Restaurierung konnte es ab 2005 für den parlamentarischen Prozess genutzt werden. Heute stehen die Räumlichkeiten des Palais Epstein für die Verwaltungstätigkeit der Parlamentsdirektion, für Abgeordnete und deren Mitarbeiter:innen, für die Demokratiewerkstatt, Veranstaltungen und Konferenzen oder eben Regierungsverhandlungen zur Verfügung. (Schluss) map
HINWEIS: Hier geht´s zur Folge „Die Rettung des Palais Epstein “ des Parlaments-Podcasts „Geschichte(n) aus dem Parlament“.
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