Koalition und Opposition: Hoher Anteil an Gesetzesbeschlüssen im Nationalrat von zumindest drei Fraktionen gemeinsam

Rückblick auf Abstimmungen in den letzten drei Gesetzgebungsperioden

Die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl 2024 und das sogenannte freie Spiel der Kräfte im Nationalrat geben Anlass für eine kurze statistische Rückschau zu den Abstimmungen in den letzten drei Gesetzgebungsperioden. Üblicherweise werden Gesetzesbeschlüsse im Nationalrat zumindest mit den Stimmen der jeweiligen Koalitionsmehrheit gefasst. Fixe Ausnahmen davon sind etwaig erforderliche Zweidrittelmehrheiten für einzelne Materien, für die es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in den letzten drei Perioden zumindest die Stimmen einer der Oppositionsparteien zusätzlich benötigte. In der jüngst vergangenen, der XXVII. Gesetzgebungsperiode (GP), die vom 23. Oktober 2019 bis zum 23. Oktober 2024 dauerte, bildeten ÖVP und Grüne die Koalition. Davor, in der XXVI. GP vom 9. November 2017 bis zum 22. Oktober 2019, übernahmen ÖVP und FPÖ die Regierungsverantwortung. In der XXV. GP vom 29. Oktober 2013 bis 8. November 2017 waren es SPÖ und ÖVP.

Aber wie oft ist insgesamt in diesem Zeitraum ab 2017 zumindest eine dritte Partei bei Gesetzesbeschlüssen mitgegangen? Wie oft waren es mehrere Oppositionsparteien, wie häufig gab es Einstimmigkeit? – Oft, wie sich zeigt. Der Anteil an Gesetzesbeschlüssen im Nationalrat gemeinsam mit zumindest einer dritten Partei lag in den letzten drei Gesetzgebungsperioden zwischen 70 und 84 Prozent.

Grundlegend festzuhalten ist in dieser statistischen Betrachtung, dass aus verschiedensten Gründen das Abstimmungsverhalten nicht zwangsläufig exakt der Position der jeweiligen Fraktion entsprechen muss. So wägen die Abgeordneten etwa bei umfangreicheren Gesetzespaketen die oftmals unterschiedlichsten enthaltenen Regelungen ab. Je nachdem, wie sie die inhaltliche Zustimmung oder Ablehnung zu den einzelnen Aspekten gewichten, wird der Materie dann insgesamt zugestimmt – oder eben nicht. Die Zahlen sagen außerdem nichts über Gewicht und Umfang der einzelnen Gesetzesmaterien aus. Ausgewertet wurden die vorliegenden Daten nur fraktionsbezogen, also ohne die Stimmen der Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.

KOALITION ÖVP UND GRÜNE: 788 VON 933 BESCHLÜSSEN MIT ZUMINDEST EINER OPPOSITIONSPARTEI

Insgesamt 933 Gesetzesbeschlüsse fasste der Nationalrat in der XXVII. Gesetzgebungsperiode vom 23. Oktober 2019 bis zum 23. Oktober 2024, 70 davon mit einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Dabei stimmten bei einer relativ hohen Zahl von 788 Beschlüssen (84,33 %) neben den Koalitionsparteien ÖVP und Grüne zumindest eine der drei Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ oder NEOS ebenso dafür. 285 (30,38 %) Beschlüsse fielen sogar einstimmig aus. Bei 294 Beschlüssen stimmten vier der fünf Fraktionen – und damit neben ÖVP und Grünen zwei Oppositionsparteien – zu. Zu dritt – mit ÖVP, Grünen und einer Oppositionspartei – beschlossen wurden 209 Gesetze.

Lediglich 145 Gesetzesvorlagen (15,67 %) von den 933 wurden allein mit den Stimmen der Koalitionsparteien ÖVP und Grüne beschlossen. Was die Aufteilung der Zahl auf die einzelnen Oppositionsparteien betrifft, war in Summe die SPÖ in der XXVII. Gesetzgebungsperiode bei 604 Beschlüssen dabei, die FPÖ bei 522 und die NEOS bei 526. Üblicherweise stimmen die Klubs in ihrer Gesamtheit ab. In der Corona-Pandemie, die in diese GP fiel, gab es allerdings zu einem dieser Gesetze – dem COVID-19-Impfpflichtgesetz – teils von den Klubs abweichendes Stimmverhalten.

Insgesamt zeigte die XXVII. Gesetzgebungsperiode so viele Gesetzesbeschlüsse wie noch nie (siehe dazu Parlamentskorrespondenz Nr. 938/2024). Ein Fachdossier des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes (RLW) im Parlament beleuchtet dazu auch die Frage, wie sich Gesetzesinitiativen in der XXVII. GP verändert haben.

142 VON 207 GESETZEN MIT OPPOSITIONSPARTEI BEI ÖVP-FPÖ-KOALITION

In der – vergleichsweise – kürzeren XXVI. Gesetzgebungsperiode vom 9. November 2017 bis 22. Oktober 2019 mit der Koalition aus ÖVP und FPÖ fasste der Nationalrat in Summe 207 Gesetzesbeschlüsse, 16 davon mit einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Die Anzahl der lediglich von ÖVP und FPÖ gefassten Beschlüsse lag hier exakt wie die Zahl der einstimmigen Beschlüsse bei 57 (27,5 %). Zumindest eine der Oppositionsparteien – also SPÖ, NEOS oder Liste Pilz bzw. JETZT – hatten hier bei 142 Beschlüssen (70 %) mit der ÖVP-FPÖ-Koalition mitgestimmt. Dazu kamen im freien Spiel der Kräfte acht Beschlüsse mit wechselnden Mehrheiten ohne ÖVP oder FPÖ.

392 VON 468 BESCHLÜSSEN MIT DRITTER PARTEI BEI SPÖ-ÖVP-KOALITION

In der XXV. Gesetzgebungsperiode vom 29. Oktober 2013 bis 8. November 2017 bestand die Koalition aus SPÖ und ÖVP. Zusammen mit FPÖ, Grünen, Team Stronach und NEOS waren erstmals sechs gewählte Fraktionen im Nationalrat vertreten. In diesem Zeitraum fasste der Nationalrat 468 Gesetzesbeschlüsse, davon 34 mit einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Lediglich bei 70 (knapp 15 %) der Beschlüsse war es hier die alleinige Mehrheit von SPÖ und ÖVP. Bei 392 Gesetzen (knapp 84 %) war zumindest eine der vier Oppositionsparteien dabei. Sechs Beschlüsse wurden im freien Spiel der Kräfte ohne die Stimmen der ÖVP gefasst. Einstimmigkeit gab es in dieser Gesetzgebungsperiode bei 130 Gesetzesvorlagen (knapp 28 %). (Schluss) mbu

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