Schönborn-Festmesse im Zeichen von Dank, Rechenschaft und Hoffnung
Wiener Erzbischof bei Dankfeier im Stephansdom: „Mein größter Wunsch: Das gegenseitige Wohlwollen soll nie verloren gehen, auch wenn wir Konflikte haben“
Im Zeichen tiefer Dankbarkeit, nachdenklicher Rechenschaft und gläubiger Hoffnung hat Kardinal Christoph Schönborn am Samstag den Dankgottesdienst der Erzdiözese Wien angesichts der nahenden Emeritierung rund um seinen 80. Geburtstag am 22. Jänner gefeiert. Bei der Festmesse im Beisein der Spitzen von Staat, Kirchen und Religionen im Stephansdom richtete der Kardinal in seiner Predigt „einen dankbaren Blick auf unser Land, auf Österreich“, aber auch auf die „tieferen Quellen der Hoffnung“ anhand der biblischen Texte der Feier. „Ohne das gute, gelebte Miteinander hätte ich nie meinen Dienst tun, mein Amt aktiv ausüben können, aus dem ich mich nun bald verabschiede“, sagte der Kardinal rückblickend auf seine fast 30 Jahre als Wiener Erzbischof.
Einmal mehr plädierte der Kardinal eindringlich für ein „Gelingen des gesellschaftlichen Miteinanders von Eingesessenen und Dazugekommenen“, das „entscheidend für unsere Zukunft“ sei. Auf seine persönliche Lebensgeschichte als Flüchtlingskind verweisend, sagte der Kardinal: „Ein Herz für Flüchtlinge zu haben, gehört zur Menschlichkeit. Es kann auch unser Schicksal werden.“ Und an anderer Stelle betonte der Wiener Erzbischof: „Mitgefühl ist das, was erst eine Gesellschaft menschlich macht. Unbarmherzigkeit vergiftet die Gesellschaft und uns selbst.“ Am Ende der Predigt sagte der Kardinal eindringlich: „Mein größter Wunsch: Das gegenseitige Wohlwollen soll nie verloren gehen, auch wenn wir Konflikte haben.“
Ehrliche Bilanz
„Ich empfinde heute besonders schmerzlich den Kontrast zwischen dem freudigen Fest des Dankes, das wir feiern, und dem großen Abschied, den in unserem Land so viele Menschen meist stillschweigend von der Kirche vollziehen, allein 2023 waren es 85.000“, sagte der Kardinal eingangs in seiner betont nachdenklichen Predigt, in der er eine „ehrliche Bilanz“ ziehen wolle. Auch er selbst schulde Gott gegenüber Rechenschaft über seinen Dienst. Nüchtern diagnostizierte Schönborn: „Wir nähern uns einem weit verbreiteten religiösen Analphabetismus“, der aber auch eine Chance für ein neues Suchen nach Sinn und ein Entdecken des Glaubens sein könne.
Trotz der zahlreichen Kirchenaustritte sei es dennoch „seltsam“, dass sich zwei Drittel der Bevölkerung „wünschen, dass Österreich weiter ein christliches Land bleibt. Wie soll das alles zusammengehen?“ Und Schönborn weiter: Was bedeutet es, dass ganz Österreich, die Menschen dieses Landes, den Dom nach dem Krieg – trotz allgemeiner Armut – in so schneller Zeit wieder aufgebaut haben, fast gleich schnell, wie ganz Frankreich, das säkulare Land, seine vom Brand schwer betroffene Notre-Dame wieder aufgebaut hat? Was zeigt sich da an Hoffnung, an Lebendigkeit?“
Gutes Miteinander der Religionen
Vor diesem Hintergrund empfahl der Wiener Erzbischof eine Grundhaltung der Dankbarkeit: „Danken wir, dass wir in Frieden leben dürfen. Es ist keine Selbstverständlichkeit.“ In einem weiteren Teil der Predigt betonte er: „Dankbar bin ich, dass in Österreich ein so gutes Miteinander der Religionen herrscht. Auch das ist nicht selbstverständlich.“ Es sei die Frucht ständigen Bemühens um gegenseitige Achtung und Wertschätzung. „Es ist auch das Ergebnis einer außerordentlich guten Religionsgesetzgebung.“
Eine neuere Studie des ORF über Religion in Österreich habe ein „überraschendes und erfreuliches Ergebnis“ gezeigt, sagte Schönborn: „ein neues, stärkeres religiöses Interesse bei der jungen Generation“. „Ganz überraschend ist es nicht, wenn wir ernst nehmen, dass in jedem Menschenherzen die Suche nach Sinn und Erfüllung lebt“, so der Kardinal, der davon sprach, „Glauben als einen persönlichen Weg zu entdecken“. Davon berichte immer wieder die Bibel, erinnerte Schönborn unter Verweis auf das Tagesevangelium von der Berufung des Levi, und auch er könne aufgrund seiner Lebensgeschichte bezeugen: Der Ruf Jesu Christi „Folge mir nach“ habe bis heute sein Leben bestimmt. Und er sei überzeugt: „Das ist die unerschöpfliche Ressource, aus der der Glaube sich in allen Generationen neu und frisch erweist. Sonst wäre er längst erloschen, an seinen Traditionen und Institutionen erstarrt, erstickt.“
„Unverbesserlich hoffnungsvoll“
Ein Glauben in der Nachfolge Jesu Christ führe auch immer in eine Gemeinschaft, hielt der Kardinal fest. Zum Wesen der Kirche gehöre von Anfang an, dass sie nie homogen sei, sondern sehr unterschiedliche Gruppe umfasse. Schönborn: „In den 70 Jahren meines bewussten Lebens in der Kirche habe ich eine große Bandbreite erlebt, das spannende, oft spannungsreiche Miteinander großer Unterschiede. Ich habe – vielleicht anders als andere – die Kirche als große Weite erlebt.“
Zum christlichen Glaube gehöre aber auch das Wissen darum, dass „Jesu nicht gekommen ist, um Gerechte zu rufen, sondern Sündern“. Jesus habe nicht moralisiert und nicht gerichtet. „Die Sünde benennen zu können, ohne zu verurteilen und zu richten, das ist wohl die tiefste Quelle der Hoffnung“, sagte der Kardinal und in diesem Sinn sei er „unverbesserlich hoffnungsvoll“ auch im Blick auf die von ihm vor Gott geforderte Rechenschaft.
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