62. Wiener Gemeinderat (4)
Frühzeitige Auflösung des Gemeinderats vor Ablauf der Wahlperiode
StRin Mag. Judith Pühringer (GRÜNE) sprach zu Beginn über die momentane politische Lage mit dem Populisten Donald Trump in den USA, dem kommenden selbsternannten „Volkskanzler“ Herbert Kickl in Österreich und einer ÖVP, „die gerade historische Schuld auf sich lädt. Ebenso wie die Wiener ÖVP mit dem Obmann Karl Mahrer, der alle Wahlversprechen gebrochen hat und einem Kanzler Kickl die Räuberleiter ins Amt macht – das ist verantwortungslos und beschämend.“ Die Menschen würden sich berechtigte Sorgen um fundamentale Rechte machen: Um den Sozialstaat, um die Demokratie, um die Meinungs- und Pressefreiheit, um die Menschen- und Frauenrechte sowie um den Klimaschutz. Die vorzeitige Auflösung des Wiener Gemeinderats würde sich nicht nach Stabilität und Sicherheit – wie von Bürgermeister Michael Ludwig versprochen – anfühlen, sagte Pühringer. Die NEOS würden von stürmischen Zeiten sprechen, doch genau sie hätten im Bund einen Sturm entfacht – „jetzt ist es unglaubwürdig, dass sie Wien sturmsicher machen wollen“, kritisierte die Stadträtin. „Hören Sie damit auf, von Reformen zu reden, in Wien hat es keine Bildungsreform gegeben“, sagte Pühringer in Richtung Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr. Ebenfalls kritisiert wurden die Pläne, dass die Zuverdienstgrenzen für Arbeitslose gestrichen werden sollen. Auch der Umweltschutz sei mit der Streichung von Förderungen und der Abschaffung des Klimabonus betroffen – „das zeigt: Umweltschutz und Klimaschutz nehmen Sie nicht ernst, das ist Ihnen einfach egal“. Wirkliche Stabilität sei es, bis zum Ende der Legislaturperiode weiterzuarbeiten, die noch offenen „Baustellen“ abzuschließen, wie etwa das „explodierende“ Budgetdefizit oder das fehlende Klimagesetz. Mit dem Beschluss zu Neuwahlen biete sich aber die Chance, schneller in einem grünen Wien anzukommen. Die Wiener Grünen seien bereit und würden in Wien für Frauenrechte, Feminismus, freies und selbstbestimmtes Leben, gleiche Rechte für alle Kinder, beste Schulen, günstiges und grünes Wohnen und fürs Klima kämpfen. Rot-Pink biete mit einer Klimapolitik ohne Änderungen im Verkehr oder einer Bildungspolitik ohne echte Reformen kein Gegenmodell in diesen herausfordernden Zeiten, schloss Pühringer.
StR Karl Mahrer (ÖVP) sagte, dass die SPÖ in Wien Politik nach „Gutsherrenart“ betreiben würde und kritisierte die Art und Weise der Bekanntgabe der vorgezogenen Wahlen. Die Begründung der Vorverlegung habe gezeigt, dass es der SPÖ Wien nur um Machtkalkül und politische Vorteile gehe. Wien werde so in ein Wahlchaos gestürzt, „mit einer Begründung, die keiner versteht“. Die „links-außen SPÖ“ sei gescheitert und stehe am Ende, meinte Mahrer, der mit SPÖ-Bundesvorsitzenden Andreas Babler den Schuldigen für das „Chaos im Bund“ ortete. Die Wiener SPÖ sei in den entscheidenden Tagen der Bundesverhandlungen nicht „sichtbar und hörbar“ gewesen und schaffe mit Blau-Schwarz im Bund ein Drohszenario, das es noch gar nicht gebe, und würde sich trotzdem zum Retter aufspielen. „Es ist ein billiges Manöver. Anstatt weiterzuarbeiten, geht es Ihnen nur um Machterhaltung und Parteitaktik“, sagte Mahrer in Richtung Wiener Sozialdemokratie. Wien habe sich zum Kriminalitätszentrum entwickelt, doch die ÖVP werde mit konkreten Vorschlägen wie einem Sicherheitsplan für Wien dagegen steuern, kündigte Mahrer an. Die Wiener Bevölkerung würde nicht verstehen, dass Zugewanderte und abgelehnte Asylsuchende so viele Sozialleistungen bekommen würden. „Die verfehlte Integrationspolitik müssen letztlich alle Wienerinnen und Wiener ausbaden“, meinte Mahrer. Er bekenne sich „ganz klar zur Heimat, zur Kultur und den Menschenrechten – Wien soll ja Wien bleiben“. In den vergangenen Jahren sei seitens der Regierungsparteien zu oft weggeschaut worden, jetzt sei die Wiener Koalition zum „Stillstand ohne Visionen“ gekommen. Dass die jetzige Koalition nach der Wahl weiterarbeiten werde, würde die Wiener Bevölkerung verhindern, vermutete Mahrer, der einen ÖVP-Kampagnenstart für heute ankündigte. Über die NEOS meinte Mahrer, dass diese Partei sich zu einem „Anhängsel und einer Vorfeldorganisation“ der SPÖ entwickelt hätte. „Jede Stimme für die NEOS ist eine verlorene Stimme, denn die Pinken haben alle bürgerlichen Werte über Bord geworfen“, rief Mahrer alle bürgerlichen Wähler*innen auf, die ÖVP zu wählen. Seine Zustimmung zu vorgezogenen Neuwahlen liege darin begründet, dass der 27. April die Chance zur frühzeitigen Veränderung „der links-linken Politik der vergangenen 24 Jahre“ bieten würde.
GR Mag. Josef Taucher (SPÖ) bezeichnete den gemeinsamen Neuwahlantrag als starkes Zeichen der Demokratie und der Zusammenarbeit im Gemeinderat. Es sei klar, dass bis zum Wahltag intensiv weitergearbeitet werde. Wahrscheinlich würden noch ein zusätzlicher Gemeinderat und ein zusätzlicher Landtag vor dem 27. April abgehalten werden, kündigte Taucher an. Ihm sei es wichtig, dass für eine soziale und umweltfreundliche Stadt weitergearbeitet werde – „das ist die Handschrift der Fortschrittskoalition“. Die Wiener Koalition würde mit einem kurzen, bündigen und konzentrierten Wahlkampf Verantwortung zeigen. Wien sei „natürlich“ das Gegenmodell zum Bund, denn Wien sei eine soziale und transparente Stadt ohne Verfolgung von freien Medien, sagte Taucher. Von der Koalition seien von 800 Projekten bereits 94 Prozent umgesetzt worden oder derzeit in Umsetzung, die restlichen Vorhaben wie etwa das Klimagesetz würden noch gemeinsam umgesetzt werden, kündigte Taucher an, der die angekündigten Gebührenerhöhungen im Bund kritisierte und als Beispiele die Ausstellung eines neuen Reisepasses oder die Streichung des Klimabonus, die die österreichische Bevölkerung massiv belasten würde, nannte. Wien hingegen würde in die Klimawende, in den Schulausbau, den Ausbau von Lehrlingsstellen und Arbeitsplätzen investieren und damit ein gutes Leben für alle Wienerinnen und Wiener ermöglichen, schloss Taucher.
GR Maximilian Krauss, MA (FPÖ) zählte zu Beginn die Wahlerfolge der FPÖ bei den EU-Wahlen, im Bund und in der Steiermark im vergangenen Jahr auf. Auch Krauss empfand es als gut, dass heute die vorzeitigen Neuwahlen beschlossen werden. Doch für ihn – Krauss – sei es auch eine Flucht der Stadtregierung aus der Verantwortung bei der Neuverschuldung in Wien. Am vergangenen Donnerstag habe es von Seiten des Bürgermeisters noch die Versicherung gegeben, dass es keine vorgezogenen Neuwahlen gebe, am Freitagvormittag sei bereits die Ankündigung von Neuwahlen online gegangen. „Bei solchen Unwahrheiten hat man jedes Recht verspielt, sich auf Fairness im Wahlkampf zu berufen oder von anderen Parteien etwas einzufordern“, sagte Krauss in Richtung Regierung. Die Bilanz der vergangenen viereinhalb Jahre rot-pinke Koalition sei für ihn „erschütternd“: Enorme Probleme im Gesundheitsbereich, fehlende Infrastruktur für die wachsende Stadt, Misere im Bildungsbereich, Geld sei „zum Fenster hinausgeworfen“ worden, Menschen würden „unkontrolliert nach Wien gelockt“.
StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) meinte, er habe den Eindruck, dass sich die SPÖ gegen die Vokabel „Auflösung“ im Antrag sträube. Für ihn stärke das das Empfinden, dass es sich bei der Vorverlegung um eine Hauruckaktion handle und Rot-Pink am Ende sei. Die kommende Wahl sei „sehr, sehr wichtig“ für alle Wiener*innen, denn das Programm von Blau-Schwarz im Bund sei schlecht für die Lebensqualität in der Stadt. So sei das Klimaticket in den einzelnen Bundesländern gefährdet, und für alle, die mit Öffis unterwegs sind, werde das Leben teurer. Mit dem Aus der Förderung für den Heizungstausch würden nicht nur die Heizkosten für viele Menschen hoch bleiben und die fossile Abhängigkeit weiter bestehen, sondern auch 5.000 Jobs in diesem Segment gefährdet werden. Auch das ÖVP-Versprechen, dass es keine neuen Steuern geben werde, sei mit dem Aus für den Klimabonus gebrochen worden. Die „Zerstörung“ des Ausbaus von PV-Anlagen werde das Ziel, bis 2023 100 Prozent an erneuerbarer Energie zu erzeugen, verhindern. Blau-Schwarz drehe beim Klima- und Umweltschutz das Rad der Zeit zurück, so Kraus. Wien sei als Stadt ein Gegenmodell für den Bund, weil sie vielfältig und weltoffen sei, „aber die rot-pinke Stadtregierung ist kein Gegenpol“. Denn es brauche Mut und nicht nur ein Weiter-wie-Bisher. Im Verkehrssektor reiche es nicht, dass Radwege und Öffis ausgebaut würden, überall müsse sich die Stadt „auf die Hinterbeine stellen“. Erst die stark gestiegenen Förderungen des Bundes unter grüner Regierungsbeteiligung hätten den massiven Ausbau von Radwegen in Wien ermöglicht – „wer stellt sich künftig gegen den Bund auf die Hinterbeine im Kampf um diese Gelder?“, fragte Kraus. Für Kraus gehe es bei der kommenden Wahl um die Frage, welche Partei und welches Konzept damit gestärkt werde. (Forts.) nic
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