Mehr Volksbegehren, aber geringere Erfolgsquote
Analyse des Parlaments zeigt veränderte Nutzung seit 2018
Früher war ein Behördengang nötig, seit 2018 können Volksbegehren online unterstützt werden. Wie sich das auf die Nutzung dieses direktdemokratischen Instruments ausgewirkt hat, zeigt eine Analyse des Parlaments. Der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst hat für ein Fachdossier Daten von 1964 bis zum Abschluss der 27. Gesetzgebungsperiode 2024 ausgewertet.
ONLINE-UNTERSTÜTZUNG FÜHRTE ZU MEHR VOLKSBEGEHREN
Seit 1964 versuchen Bürger:innen, mittels Volksbegehren Anliegen ins Parlament zu bringen. Um das zu erreichen, braucht es mindestens 100.000 Unterschriften bzw. Unterstützungserklärungen oder die Unterstützung von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Bundesländer. Musste man früher persönlich in ein Eintragungslokal der eigenen Gemeinde gehen, um ein Volksbegehren zu unterstützen, ist dies seit 2018 auch online möglich – mittels ID-Austria. Mit der Reform wurde eine weitere Erleichterung eingeführt: Volksbegehren können nun in jeder Gemeindebehörde unabhängig vom Wohnsitz unterschrieben werden.
Der Effekt: Es gibt wesentlich mehr Volksbegehren als früher. Von den insgesamt 106 Volksbegehren der zweiten Republik wurden 39 zwischen 1964 und 2017 eingebracht. Seit 2018 waren es 67. Allein im Jahr 2023 konnten 19 Volksbegehren in der Eintragungswoche unterschrieben werden – und damit in einem Jahr fast halb so viele wie in den ersten fünf Jahrzehnten.
Verändert hat sich auch das Verhalten der Unterstützenden: Bis 2017 unterzeichneten die allermeisten Personen ein Volksbegehren erst in der Eintragungswoche. Seit 2018 hat sich das gedreht: Die Mehrheit spricht sich bereits in der Unterstützungsphase davor für ein Volksbegehren aus – und das überwiegend online (76,9 %). Über beide Phasen hinweg wird die Mehrheit der Unterschriften und Unterstützungserklärungen (54 %) online abgegeben.
ERFOLGSQUOTE SEIT 2018 DEUTLICH NIEDRIGER
Aber sind Volksbegehren auch erfolgreicher, seit man sie online unterstützen kann? In absoluten Zahlen, ja. Seit 2018 übersprangen 46 Volksbegehren die Hürde der 100.000 Unterschriften. Von 1964 bis 2017 waren 35 Volksbegehren erfolgreich. Im Verhältnis zu den eingebrachten Volksbegehren zeigt sich aber ein anderes Bild. Die Erfolgsquote lag vor Einführung der Online-Unterstützung bei knapp 90 % (35 der 39 Initiativen schafften es in den Nationalrat). Seit 2018 lag die Erfolgsquote nur noch bei knapp 69 %.
Nur ein Volksbegehren schaffte es seitdem in die Top 10 der erfolgreichsten Initiativen. Das Volksbegehren „Dont smoke“ erreichte mit insgesamt 881.692 Unterstützungserklärungen und Unterschriften den sechsten Rang. Alle anderen Top-10-Plätze belegen Volksbegehren, die noch persönlich unterzeichnet werden mussten.
Weniger intensiv ist in den vergangenen Jahren auch die Auseinandersetzung mit den Anliegen im Nationalrat gewesen. Vor 2018 wurden Volksbegehren in der Regel mehrmals in einem Ausschuss beraten, häufig folgten Entschließungsanträge. In sechs Fällen setzten die Abgeordneten sogar einen eigenen Ausschuss für die Vorberatung eines Volksbegehrens ein. Nur zwölf der 35 Volksbegehren zwischen 1964 und 2017 wurden lediglich einmal im Ausschuss und im Plenum beraten. Seit 2018 war das bei 36 der 46 Volksbegehren der Fall. Zu sechs Volksbegehren gab es Entschließungen. Besonderer Ausschuss zur Vorberatung wurde keiner eingesetzt.
„GESCHÄFTSMODELL“ VOLKSBEGEHREN?
In der politischen Debatte über die Entwicklung von Volksbegehren äußerten Kritiker:innen zuletzt verstärkt die Vermutung, dass einige Initiator:innen Volksbegehren als Geschäftsmodell nutzen würden. Denn pro Volksbegehren lassen sich aufgrund der fünffachen Kostenrückerstattung der Gebühren derzeit 13.686 Ꞓ verdienen.
Tatsächlich zeigt die Analyse, dass seit 2018 immer häufiger einzelne Gruppen von Initiator:innen hinter den Volksbegehren stehen, die verschiedene Volksbegehren zu den gleichen oder ähnlichen Themen einbringen. In der Eintragungswoche im März 2024 stammten etwa acht von 14 Volksbegehren von denselben beiden Bevollmächtigten. Bis 2017 stammten Volksbegehren dagegen primär von Gewerkschaften, Parteien oder zivilgesellschaftlichen Akteur:innen.
Verändert haben sich auch die Inhalte der Volksbegehren. Enthielten diese früher oft Forderungskataloge oder konkrete Gesetzestexte, sind neuere Volksbegehren oft allgemeiner formuliert. Neu ist auch, dass Initiator:innen zwei Volksbegehren mit gegensätzlichem Standpunkt zu einem Thema einbringen (etwa „Smoke – JA“ und „Smoke – NEIN“ aus dem Jahr 2020). Seit 2021 kreisten viele Initiativen um besonders polarisierende Themen wie die Corona-Pandemie, eine Impfpflicht und die österreichische Neutralität. (Schluss) kar
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