Zum Holocaust-Gedenktag: „Ihr Kampf – Irene Harand gegen Hitler“ und „Hitlers Jünger und Gottes Hirten“ in „kreuz und quer“
Am 28. Jänner ab 22.35 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON
Sie war eine beeindruckende Frau, die unter großem persönlichen Einsatz versuchte, Österreich vor Adolf Hitler zu warnen und ihre Mitmenschen gegen die Nazi-Bedrohung zu mobilisieren. Das Leben der Irene Harand, 1900 in Wien geboren, steht im Fokus der Dokumentation „Ihr Kampf – Irene Harand gegen Hitler“, die „kreuz und quer“ im Rahmen des ORF-Schwerpunkts zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (Details unter presse.ORF.at) am Dienstag, dem 28. Jänner 2025, um 22.35 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON zeigt. Danach spannt Eva Maria Kaiser in „kreuz und quer: Hitlers Jünger und Gottes Hirten“ (23.30 Uhr) einen Bogen vom Frühjahr 1938 bis in die Nachkriegszeit und zeigt anhand einzelner Schicksale die große Bandbreite, innerhalb der die Kirche auf den NS-Terror reagierte und den Weg in die Nachkriegszeit beschritt.
„Ihr Kampf – Irene Harand gegen Hitler“ – Ein Film von Andreas Gruber
Irene Harand wird am 7. September 1900 in Wien geboren und wächst wohlbehütet in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. In den Zwischenkriegsjahren hat sich die junge Frau zu einer eleganten Erscheinung im Wiener Bürgertum entwickelt. Dabei steckt sie voller Widersprüche: Sie ist konservativ katholisch, zugleich überzeugte Kosmopolitin und Frauenrechtlerin mit einem erstaunlichen internationalen Netzwerk. Vor allem aber ist sie eine Antiideologin und ausgesprochen politische Kämpfernatur, wie ihr Lebensweg zeigen wird. Das Jahr 1926 wird zum Wendepunkt: Die Begegnung mit dem jüdischen Rechtsanwalt Moriz Zalman prägt Irene Harand und ihr politisches Engagement auf entscheidende Weise. Sie beginnt, sich gegen den erstarkenden Antisemitismus zu engagieren. Ihre Kampfansage aber gilt schließlich Adolf Hitler ganz persönlich. Ihr großes Ziel: die Welt vor Hitler warnen, zumindest aber Österreich retten.
Der Film über Irene Harand und ihren politischen Kampf lässt unter anderem Historiker zu Wort kommen, die ihr Leben und Wirken beleuchten. Um der 1975 in New York verstorbenen Protagonistin eine Stimme zu geben, bedient sich die Dokumentation eines besonderen Kunstgriffs: In einem fiktional inszenierten Fernsehinterview („New York 1962“) erzählt Irene Harand – eindringlich verkörpert von Julia Stemberger – mit authentischen Zitaten nicht nur von ihrem Kampf und den dramatischen Ereignissen in ihrem Leben. Sie gewährt durch diese besondere Art des Erzählens auch Einblicke in ihre Gefühlswelt und ihre Motive.
„Niemand musste ein Prophet sein, um zu sehen, was da auf uns hereinbrach. Ich war im Gegenteil schockiert, wie offensichtlich alles war und wie wenige darauf reagiert haben“, sagt Irene Harand (Julia Stemberger) in der Dokumentation. Hitler habe ja alles angekündigt in seinem Buch „Mein Kampf“. Irene Harand verfasst tatsächlich eine eigene Streitschrift als „Antwort an Hitler“, in der sie dessen politische Ideen präzise analysiert und vor dem Nationalsozialismus warnt. All das aus der Überzeugung heraus, dass der Wahnsinn verhindert werden kann: „Die Frage muss doch sein: Wäre es möglich gewesen, Hitler und alles, was er über die Welt brachte, zu verhindern? (…) Ich bin der festen Überzeugung, es wäre möglich gewesen“, sagt sie rückblickend.
Sämtliche in dem fiktionalen Interview verwendeten Texte basieren auf Zitaten von Irene Harand. Auf diese Weise gelingt das eindringliche Porträt einer beeindruckenden Frau, die es wagt, sich mit Streitschriften, einer eigenen Tageszeitung und einer politischen Bewegung ganz offen gegen Adolf Hitler und die Nazis zu stellen. Am Ende bleibt ihr nur die Flucht, die ihr mit unglaublichem Glück gelingt. Nach Österreich kehrt sie spät und nur als Besucherin zurück.
„Hitlers Jünger und Gottes Hirten“ – Ein Film von Eva Maria Kaiser
Die katholischen Bischöfe Österreichs hatten den Nationalsozialismus zunächst abgelehnt und in Hirtenworten bekämpft, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen beugten sie sich jedoch der Macht des Faktischen. Mit ihrem „Ja“ zur Volksabstimmung am 10. April 1938 segneten die Bischöfe den „Anschluss“ Österreichs an Deutschland ab, während die ersten Priester und Laien bereits in Konzentrationslagern gefangen waren. Auch wenn die Kirche in der Folge heftig unter dem Terror durch das NS-Regime zu leiden hatte: Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit machten sich die Bischöfe für ehemalige Nationalsozialisten stark.
Burgschauspieler Peter Matić und Martin Schwab rezitieren aus Dokumenten der österreichischen Kirchenarchive. Im bemerkenswerten Ambiente der Zacherlfabrik, einer historischen Fabrikshalle in Wien, kommen unterschiedlichste Protagonisten zu Wort. Kriegsverbrecher und Opportunisten, ehemalige KZ-Priester und Bischöfe – ihnen allen leihen Matić und Schwab ihre Stimme und lassen so deren Sicht der Dinge lebendig werden:
Der Lagerarzt des KZ Loiblpass, Sigbert Ramsauer, wurde 1947 von einem britischen Militärgericht wegen Tötung von Häftlingen zu lebenslanger Haft verurteilt. Während die Diözese Gurk eine Intervention für seine Begnadigung zunächst ablehnte, fand Ramsauer später in der Erzdiözese Salzburg ein offenes Ohr. Der ehemalige KZ-Priester Franz Mayr traf nach seiner Rückkehr aus Dachau in der Pfarre auf seine früheren Denunzianten. Diese konnten sich rasch in die Nachkriegsgesellschaft integrieren, der Pfarrer hingegen zerbrach an den Folgen von Haft und Kränkung. Beinahe skurril mutet das Schicksal von Johannes Hollnsteiner an: Der Augustiner Chorherr, Geliebter von Alma Mahler und Beichtvater von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, war als einer von wenigen Menschen sowohl in einem KZ der Nazis als auch in einem Internierungslager der Alliierten inhaftiert. Dabei legte gerade er eine große Wendigkeit an den Tag, wenn es galt, sich neuen Zeitumständen anzupassen.
Und die Bischöfe? Sie sprachen nach dem Krieg einer unbedingten „Befriedung“ der Gesellschaft das Wort. Ehemalige Nationalsozialisten wurden mit offenen Armen wieder in die Kirche aufgenommen, ehemaligen KZ-Priestern blieb lange Zeit eine kirchliche Ehrung verwehrt. Versöhnungsbereitschaft ist eine Grundbotschaft des Christentums. Doch darf sie auf dem Rücken der Opfer stattfinden? Eva Maria Kaiser zeichnet ein differenziertes Bild der österreichischen Nachkriegsgesellschaft und geht den kirchen- und gesellschaftspolitischen Motiven der katholischen Bischöfe in ihrem Umgang mit Nazis und Ex-Nazis auf den Grund.
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