Schallenberg gibt sich in der Länderkammer zuversichtlich
Debatte über Auswirkungen einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung anlässlich der Erklärung des Bundeskanzlers
Nachdem Bundeskanzler Alexander Schallenberg bereits im Nationalrat anlässlich seines Amtsantritts Stellung bezog (siehe Parlamentskorrespondenz Nr.19/2025), betonte er auch heute vor der Länderkammer des Parlaments, das Amt nach bestem Wissen und Gewissen ausüben sowie einen geordneten Übergang gewährleisten zu wollen. Er hätte sich nicht gedacht, ein zweites Mal Regierungschef zu sein, aber die Menschen hätten ein Recht auf eine handlungsfähige Regierung mit einem Bundeskanzler, meinte er, während er zugleich für Vertrauen in die demokratischen Institutionen warb.
Im Mittelpunkt der darauf folgenden Debatte stand vor allem die Aufarbeitung der gescheiterten Verhandlungen über eine Dreier-Koalition, die in gegenseitigen Schuldzuweisungen gipfelte. Die Vertreter:innen von SPÖ, Grünen und NEOS zeigten sich besorgt darüber, welche Folgen ein „Volkskanzler Kickl“ auf den verschiedensten Ebenen für das Land haben werde. Während die ÖVP versicherte, keine Koalition um jeden Preis eingehen zu wollen, hielten die Freiheitlichen den Kritikern entgegen, dass sie gewählt worden seien, weil die Menschen Veränderungen wollen.
SCHALLENBERG SIEHT ÖSTERREICH ALS „KOMPROMISSDEMOKRATIE“
In dieser innen- und außenpolitisch turbulenten Zeit sei es wichtig, zügig zu einer stabilen und handlungsfähigen Regierung zu kommen, sprach Schallenberg zum Bundesratsplenum. Diese werde nicht im luftleeren Raum agieren können, sondern vielmehr in ein Netzwerk aus Verpflichtungen und Regeln eingebettet sein, wozu völkerrechtliche Verträge ebenso zählen wie Mitgliedschaften in internationalen Organisationen oder die österreichische Bundesverfassung.
Als nicht verhandelbare Voraussetzungen für die nächste Bundesregierung nannte er Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschenrechte, Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien sowie das klare Bekenntnis zur Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union. In einer Zeit, in der der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist, dürfe es keinen Zweifel geben, wo die Republik Österreich stehe, sagte er. Österreich sei keine Insel der Seligen und nicht vor Krisen und Konflikten gefeit. Gegen Kräfte und autoritäre Systeme, die versuchen, die Demokratie zu diskreditieren, müsse man sich daher zur Wehr setzen. Österreich sei auf eine regelbasierte internationale Ordnung angewiesen. Die gegenwärtigen globalen Herausforderungen könnten nur gemeinsam gelöst werden, meinte Schallenberg. Bei seiner Amtsreise nach Brüssel habe er versichert, dass Österreich ein starker und verlässlicher Partner in Europa und in der Welt ist und bleibt, und zwar nicht aus Altruismus sondern aus wohlverstandenem Eigeninteresse. In einer Zeit geopolitischer Umbrüche sei dies für Österreichs Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen seiner Meinung nach lebensnotwendig.
Die lebendige Demokratie Österreichs mit ihren starken Institutionen und ihrer starken Verfassung sieht Schallenberg als Grundlage für die hohe Lebensqualität in Österreich. Dem gebühre Achtung und Respekt. Österreich versteht er nicht als „Konfliktdemokratie“, sondern als „Kompromiss- und Konsensdemokratie“. Nach der Nazizeit habe man den Mut zum zivilisierten Dialog und zur Kompromissfähigkeit gelernt, erinnerte er. Man dürfe nicht vergessen, dass es damals der Glaube an Österreich war, der Österreich gerettet habe. Das Überwinden von Gräben habe Österreich zu der stabilen Demokratie werden lassen, die sie heute ist, so Schallenberg.
Die nächste Bundesregierung werde alle Hände voll zu tun haben, meinte der interimistische Bundeskanzler. Trotzdem sei er wegen der Qualität des österreichischen Lebensmodells zuversichtlich und optimistisch, so der selbsternannte „Verfassungspatriot“. Er appellierte an das Vertrauen in das eigene Potential und die eigenen Stärken. „Österreich ist ein starkes, weltoffenes Land. Es liegt an uns allen, dass es so bleibt“, sagte Schallenberg.
DIE ÖVP WILL VERANTWORTUNG FÜR DAS LAND ÜBERNEHMEN
Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP/St) bezeichnete Alexander Schallenberg bei der anschließenden Debatte als einen Politiker mit einem Herz für Österreich und Europa, dankte ihm für die Übernahme der Verantwortung in seiner nunmehrigen Rolle und streute zugleich seinem Vorgänger Karl Nehammer Rosen. Zugleich übte er Kritik an der SPÖ, die die Regierungsverhandlungen ihm zufolge zum Platzen gebracht habe. Mit Andreas Bablers „Klassenkampfrhetorik“ sei kein Staat zu machen und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht zu lösen, meinte Schwindsackl. Er wiederholte die von Schallenberg genannten Grundvoraussetzungen für die nächste Koalition und sprach sich für eine gut ausgerichtete Wirtschaftsstruktur Österreichs und eine starke Bündnispartnerschaft aus.
Auch Harald Himmer (ÖVP/W) machte vor allem den „Babler-Ludwig-Block“ in der SPÖ für das Scheitern der Verhandlungen über eine Dreier-Koalition verantwortlich. Insbesondere in den Themenbereichen Standort-, Wirtschafts- und Steuerpolitik habe es kein Zugehen auf die ÖVP, aber auch der NEOS gegeben, argumentierte er. Dies wäre aber notwendig, um Zustände wie in Wien zu verhindern, wo die Arbeitslosigkeit weiter steige, die „Zuwanderung“ in das Mindestsicherungssystem nicht gestoppt und die „katastrophalen Zustände“ an den Schulen nicht gelöst würden.
Die weiteren Redner der ÖVP versicherten noch einmal, dass es „keine Koalition um jeden Preis“ geben und man auf Österreich aufpassen werde. Daher seien die Beachtung aller Grund- und Freiheitsrechte, die Gewaltenteilung und das Völkerrecht völlig außer Streit gestellt, betonte etwa Franz Ebner (ÖVP/O). Es müsse auch kein Künstler und keine Künstlerin Angst vor einer Beteiligung der FPÖ an einer Regierung haben, hob Christoph Thoma (ÖVP/V) hervor. Wichtig sei nun jedenfalls eine Sanierung der Staatsfinanzen und eine Absicherung des Wirtschaftsstandortes, war Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) überzeugt.
SPÖ BEFÜRCHTET EINE VERSTÄRKUNG DER SOZIALEN UNGLEICHHEIT UND EINE EINZEMENTIERUNG DER ALTEN ROLLENBILDER
Bundesrat Michael Wanner (SPÖ/S) legte den Fokus in seinem Redebeitrag auf die politischen Entwicklungen im Bundesland Salzburg und brachte seine Enttäuschung zum Ausdruck, dass der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer anlässlich der Vorsitzübernahme für die Länderkammer im ersten Halbjahr 2025 bei der heutigen Bundesratssitzung keine Erklärung abgab. Er kritisierte die zukünftige „Rechts-Rechts“-Koalition von Karoline Edtstadler und Marlene Svazek und verglich die Ressortverschiebungen in Salzburg mit einem „Kuhhandel“. Daran zeige sich, dass die ÖVP vor dem „Schreckgespenst“ FPÖ in die Knie gegangen sei, meinte Wanner und spannte einen Bogen zu den aktuellen Regierungsverhandlungen auf Bundesebene. Dass Alexander Schallenberg der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören wolle, könne er verstehen, sagte er.
Für Doris Hahn (SPÖ/N) habe Schallenberg sein Amt in einer Zeit angetreten, die besonders herausfordernd sei. Dies gelte aber nicht für die Außenpolitik, sondern vor allem die Innenpolitik, zumal es in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und Soziales dringenden Handlungsbedarf gebe. Sie vertraue auch nicht darauf, dass die ÖVP das Land schützen werde, argumentierte Korinna Schumann (SPÖ/W), da sie schon beim letzten Mal „ein Trümmerfeld“ und ein Budgetdesaster hinterlassen habe.
Stefan Schennach (SPÖ/W) übte scharfe Kritik an den geplanten Maßnahmen, die bisher aus den Koaltionsverhandlungen bekannt geworden seien. So sei etwa die „Herdprämie“ der „größte Unsinn“, weil damit die „islamistischen Kreise“ unterstützt würden, die ohnehin ihre Frauen und Kinder zu Hause lassen wollen. Besorgt zeigte er sich auch über die Pläne bezüglich des ORF, der offenbar zerschlagen werden soll. Wenn der öffentliche Rundfunk kaputt sei, dann sei auch die Filmwirtschaft kaputt, warnte er.
Geplant seien zudem Einschnitte bei den Pensionen, die Erhöhung der Bundesgebühren, die Abschaffung des Klimabonus oder die Streichung der Bildungskarenz, zeigte Sandro Beer (SPÖ/W) auf. Die „Suppe auslöffeln“ müssten vor allem die Arbeitnehmer:innen, die Pensionist:innen, die Familien und die Frauen, beklagten auch Sebastian Forstner (SPÖ/O), Bernadette Kerschler (SPÖ/St) und Daniel Schmid (SPÖ/T). Sie forderten unter anderem gezielte Förderprogramme für die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte, eine Modernisierung der Infrastruktur, eine nachhaltige und faire Wirtschafts- und Industriepolitik, eine ordentliche Krankenversorgung, die bessere Unterstützung von berufstätigen Frauen sowie den Schutz des öffentlichen Rundfunks sowie der Pressefreiheit.
Die SPÖ-Bundesrät:innen setzten sich zudem im Rahmen eines Entschließungsantrags für ein Gemeindehilfspaket ein, durch das den Kommunen ehestmöglich 1,5 Mrd. Ꞓ für 2025 bereit gestellt werden sollen. Damit könnte kurzfristig der finanzielle Ruin abgewendet und die Handlungsfähigkeit der Gemeinden gesichert werden, begründete Dominik Reisinger (SPÖ/O) die Initiative. Ein weiterer Antrag der SPÖ zielte auf einen allgemeinen Mietpreisstopp und ein Sofortpaket für leistbares Wohnen ab.
DIE FPÖ WIRD ÖSTERREICH IN EINE POSITIVE ZUKUNFT FÜHREN
Er freue sich darauf, wenn Alexander Schallenberg die Zügel der Regierung bald abgeben werde und es zu einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung unter Bundeskanzler Herbert Kickl komme, erklärte Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N), der kein gutes Haar am derzeitigen Amtsinhaber lies. Bei der Regierungserklärung habe er eine Entschuldigung zur Corona-Politik vermisst, denn gegenüber ungeimpften Bürger:innen sei eine Politik der Spaltung betrieben worden, so Spanrings Vorwurf. Österreich sei ein reiches Land gewesen, bis unter grüner Regierungsbeteiligung viele Fehlentscheidungen getroffen worden seien, so seine Einschätzung. Trotz der schwierigen Ausgangslage würde bei den derzeitigen FPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen das Beste für Österreich herausverhandelt werden, um eine „Österreich zuerst“-Politik umzusetzen, allerdings nicht um jeden Preis, so Spanring. Herbert Kickl würde einhalten, was er vor der Wahl versprochen habe.
Die Freiheitlichen seien deshalb gewählt worden, weil die Menschen Veränderungen wollen, konstatierte Irene Partl (FPÖ/T). Als langjährige Gastwirtin wisse sie, welche Probleme es in der Praxis gebe und wie sehr die Unternehmen mit bürokratischen Auflagen belastet seien. Man wolle kein Land mehr sein, wo der Staat jeden Winkel des Lebens reguliere und kontrolliere, unterstrich Partl, die unter anderem an die unzähligen Corona-Vorschriften erinnerte.
Marlies Doppler (FPÖ/S) verwehrte sich die gegen die Verunglimpfung von freiheitlichen Vorschlägen, die fälschlich als „Herdprämie“ oder „Küchenstipendium“ bezeichnet würden. Es sei auch eine Missachtung der Bevölkerung, zumal 75 % der Eltern eine Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung unterstützen würden. Sie sei sicher, dass die Freiheitlichen die Mut und die Kraft haben werden, Österreich wieder in eine positive Zukunft zu führen.
GRÜNE: DIE VOLKSPARTEI MACHT DEN STEIGBÜGELHALTER FÜR EINEN BLAUEN BUNDESKANZLER
Elisabeth Kittl (Grüne/W) dankte Bundeskanzler Schallenberg nicht nur dafür, dass er sich wieder für das Amt zur Verfügung gestellt hat, sondern auch für seine deutliche Abgrenzung zu einer möglichen von der FPÖ geführten Regierung. Bedauern äußerte sie darüber, dass die NEOS nicht Verantwortung für das Land übernommen und die Koalitionsverhandlungen abgebrochen haben.
Explizit gegen die Verantwortung entschieden habe sich jedoch die ÖVP, urteilte Kittl, da sie „schnurstracks zur FPÖ geeilt“ und sich als potentieller Regierungspartner angeboten habe. Sie spiele damit den „Steigbügelhalter“ für einen „blauen“ Bundeskanzler, der als „Gesellschaftsspalter“ und „Putin-Freund“ bekannt sei, kritisierte Kittl mit Nachdruck. Kickl stehe ihrer Ansicht nach für ein schwaches Europa, da er ähnlich wie Orban die EU-feindlichen Strömungen in der Union stärken werde. „Blaue Minister“ werden auch dafür sorgen, dass das Recht einer rechten Politik folgen werde. Sie rufe daher alle auf, noch rechtzeitig Nein zu einem „Volkskanzler Kickl“ zu sagen und Verhandlungen mit jenen Parteien aufzunehmen, die Verantwortung für das Land übernehmen wollen. Es gebe nach wie vor Alternativen, die für ein modernes, progressives, faires und demokratisches Österreich stehen, schloss sich ihr Fraktionskollege Marco Schreuder (Grüne/W) an.
Die Grünen machten sich zudem für den Erhalt des Klimatickets stark und brachten einen diesbezüglichen Entschließungsantrag ein. Eine entsprechende Petition wurde in nur wenigen Tagen von über 122.000 Menschen unterzeichnet, führte Elisabeth Kittl (Grüne/W) ins Treffen.
NEOS WARNEN VOR DRASTISCHEN KÜRZUNGEN UND RÜCKWÄRTSGEWANDTEN MASSNAHMEN
Auch Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W) warnte vor einem möglichen FPÖ-Kanzler, der sich nur mit „Securitys unters Volk traue, sich keinen kritischen Medien stelle und keinerlei Sinn für Kunst und Satire“ habe. Die neue Regierung werde daran zu messen sein, wie sie mit der Demokratie, der freien Presse und der unabhängigen Justiz in Österreich umgehen. Allerdings lasse einen das, was bisher vom künftigen Regierungsprogramm bekannt sei, schaudern, so Sumah-Vospernik. Statt wichtigen Strukturreformen soll es „gedankenlose und drastische Kürzungen mit dem Rasenmäher“ geben, die für viele Menschen existenzielle Auswirkungen haben werden. Es sei auch nicht zukunftsorientiert, wenn die Bildung „kaputtgespart“, die Integration von Zugewanderten durch die Einführung einer „Herdprämie“ erschwert und die Sicherheit von Österreich durch einen Ausstieg von Sky-Shield gefährdet werde.
Was die gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ betrifft, so versicherte sie, dass ihre Partei die Gespräche mit viel Herzblut und ganzer Kraft geführt habe. Leider musste man aber zur Kenntnis nehmen, dass das Neue offensichtlich nicht gewünscht gewesen sei, bedauerte die Bundesrätin der NEOS. Wenn die einzige politische Leistung nämlich darin bestehe, Schlimmeres zu verhindern, dann dürfe man sich nicht damit zufrieden geben.
Die drei im Laufe der Sitzung eingebrachten Entschließungsanträge fanden bei der Abstimmung keine Mehrheit. (Schluss Bundesrat) fan/sue
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
————————-
Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender