EU-Unterausschuss: Kritik an den von FPÖ und ÖVP vorgeschlagenen Sparmaßnahmen
SPÖ, NEOS und Grüne bleiben mit ihren Anträgen in der Minderheit
Um ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich abzuwenden, hat Finanzminister Gunter Mayr am 13. Jänner geplante Sparmaßnahmen an die Europäische Kommission übermittelt. Die Maßnahmen waren von FPÖ und ÖVP, die derzeit in Regierungsverhandlungen stehen, vorgeschlagen worden. Ein Defizitverfahren gegen Österreich wegen Überschreitung der 3-%-Defizitschwelle sei damit vorerst abgewendet. Die nächste Überprüfung der Kommission soll für Mai bzw. Juni 2025 zu erwarten sein.
Im EU-Unterausschuss des Nationalrats standen auf Verlangen der SPÖ heute diese an die EU übermittelten Sparmaßnahmen zur Debatte. Sie umfassen ein Maßnahmenpaket im Ausmaß von 6,39 Mrd. Ꞓ für das Jahr 2025. So sollen beispielsweise als „Stabilitätsbeitrag der Bundesministerien“ etwa beim Sachaufwand der Ressorts 1,1 Mrd. Ꞓ eingespart werden. Bei den Förderungen sollen – unter anderem durch Streichung des „Klimabonus“ – insgesamt 3,18 Mrd. Ꞓ weniger ausgegeben werden. Eingespart werden soll dabei beispielsweise auch das kostenlose Klimaticket für 18-Jährige oder die Bildungskarenz.
SPÖ, NEOS und Grüne brachten im Ausschuss insgesamt vier Anträge ein. Die Sozialdemokrat:innen forderten mit einem Entschließungsantrag eine Bankenabgabe als einnahmenseitige Maßnahme zur Budgetsanierung anstelle von Budgetkürzungen, die alle Österreicher:innen treffen würden. Der EU-Unterausschuss lehnte es allerdings mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP ab, den Antrag ins Plenum zu schicken, was im EU-Unterausschuss gesondert bestimmt werden muss. Daher kam der SPÖ-Entschließungsantrag im Ausschuss nicht zur Abstimmung.
Die NEOS setzten sich neuerlich für Strukturreformen ein. Der Finanzminister möge bei den nächsten Gesprächen mit der Europäischen Kommission und im Hinblick auf die Einhaltung der EU-Fiskalregeln einen umfassenden und langfristig ausgerichteten Reformplan vorlegen, so die NEOS. Nur mit einem solchen Plan könne die finanzielle Stabilität Österreichs gesichert werden.
Die Grünen kritisierten die „radikalen“ Einsparungspläne und weisen in ihrem Antrag auf den Kompetenz- und Verantwortungsbereich des Parlaments hin, zumal die Verhandlungen im Nationalrat über die Budgetkonsolidierung erst folgen würden. Es brauche zudem eine Information des Ministers an die EU, dass dabei etwa die ökologische und digitale Transformation oberste Priorität haben sollte. Den Grünen zufolge könne bei einer „konjunkturschonenden Konsolidierung“ mit geringeren Einsparungen als 6,3 Mrd. Ꞓ die Einleitung eines EU-Defizitverfahrens – mit geringeren Einsparungsanforderungen – nicht ausgeschlossen werden.
VORWURF DER SPÄTEN BZW. FEHLENDEN ÜBERMITTLUNG AN DAS PARLAMENT
In einem vierten, gemeinsamen Antrag von SPÖ, NEOS und Grünen heißt es, dass dem österreichischen Parlament die betreffenden Dokumente zu den Sparplänen erst nach Übermittlung und Diskussion auf europäischer Ebene, und zwar am 17. Jänner, bzw. die Antwort der Kommission nicht übermittelt worden sei. Dass es anderweitig öffentlich zugänglich sei, entbinde den Finanzminister nicht von seiner Übermittlungspflicht an das Parlament im Kontext von EU-Vorhaben, kritisierten die drei Fraktionen. Sie pochen daher in ihrem Antrag darauf, dass vom Finanzminister umfassend und unverzüglich, jedenfalls vor der Verhandlung und Abstimmung von EU-Vorhaben in den europäischen Gremien, das Parlament zu informieren sei. Die parlamentarischen Mitwirkungsrechte seien auch zur Frage der Einleitung von Defizitverfahren zu wahren.
Diese letzteren drei Anträge auf Stellungnahme, die formal in EU-Ausschüssen gestellt werden können, blieben gegen die Stimmen von FPÖ und ÖVP durchwegs in der Minderheit. Für den NEOS-Antrag sprachen sich neben den NEOS selbst auch die Grünen aus. Für den Antrag der Grünen stimmte auch die SPÖ.
SPARMASSNAHMEN ALS „ABSICHTSERKLÄRUNG“
Auch SPÖ und NEOS würden viele der vorgeschlagenen Maßnahmen aus den vorherigen Regierungsverhandlungen zumindest kennen, meinte Finanzminister Mayr. Aus seiner Sicht handle es sich um ein konjunkturschonendes Paket mit Fokus auf die Ausgabenseite. Den Steuerbereich würden nur 14 % der Maßnahmen betreffen, zumal Österreich bereits eine sehr hohe Abgabenquote habe. Die Hälfte des Pakets entfalle auf Einsparungen bei Förderungen, wodurch man erst auf den EU-Schnitt bei Förderungen sinken würde. Der gesamte Prozess mit der Europäischen Kommission sei auf der Website des Finanzministeriums dargelegt, hielt Mayr der Kritik an mangelnder Information entgegen. Die Vorgehensweise, um Schaden von der Republik abzuwenden, sei verfassungsmäßig jedenfalls gedeckt. Außerdem zeigte sich der Finanzminister überzeugt, dass sich kein EU-Mitgliedstaat freiwillig in ein Defizitverfahren begeben würde, und wies auf Bewertungen von Ratingagenturen und die Autonomie des Mitgliedstaates hin. In der aktuellen Abwendung des Defizitverfahrens sieht er einen Erfolg, womit auch Unsicherheit vom Markt genommen werde.
In der Debatte erklärte Mayr ähnlich wie Abgeordnete von FPÖ und ÖVP, dass es sich bei dem übermittelten Sparpaket um eine Absichtserklärung handle. Wenn einzelne der Maßnahmen so nicht umgesetzt würden, sollen diese durch gleichwertige Maßnahmen ersetzt werden, so der Minister.
Eine grundsätzliche Diskussion gab es im Ausschuss außerdem darüber, ob es sich bei dem der Tagesordnung zugrunde gelegten Dokument um ein EU-Vorhaben handelte.
FPÖ: SCHADEN WURDE VON REPUBLIK ABGEWENDET
Aus Sicht von Axel Kassegger (FPÖ) würde ein EU-Defizitverfahren der Republik massiv schaden. Mit dem Maßnahmenpaket sei es nun zustande gebracht worden, diesen Schaden abzuwenden. Außerdem sei nicht die FPÖ verantwortlich für den „riesigen Schuldenberg“, sondern die vorangegangene Bundesregierung, betonte er. Österreich müsse die volle Handlungsfähigkeit behalten, meinte dazu Barbara Kolm (FPÖ). Es sei dringend notwendig gewesen, Schaden von den Bürger:innen abzuwenden. Zudem hätte ein Defizitverfahren ihr zufolge massive Nachteile für den Standort. Arnold Schiefer (FPÖ) erachtet es als ersten wichtigen Schritt, dass das Defizitverfahren jetzt gestoppt werden konnte. Es gelte, die Maßnahmen im Parlament breit zu diskutieren und im zweiten Schritt durch eine neue Bundesregierung ein neues Budget zu erstellen. Derzeit würden jedenfalls alle Förderprogramme noch laufen, so Schiefer. Er danke dem Minister, dass es jetzt einmal eine „Atempause“ bis zur Budgeterstellung gebe.
ÖVP: ABWENDUNG DES DEFIZITVERFAHRENS WICHTIG
Andreas Hanger (ÖVP) sprach seine volle Unterstützung dafür aus, das Defizitverfahren abzuwenden. Aus seiner Sicht hätte ein solches für den Kapitalmarkt weitreichende Konsequenzen. Was bisher vorliege, sei eine Absichtserklärung und noch weit weg von der Legistik – alle im Parlament seien eingeladen, ihre Vorschläge einzubringen. Georg Strasser (ÖVP) erachtet im Vorschlag zu Kürzungen der Förderungen etwa bei Biomasse oder „Raus-aus-Öl“ eine „vernünftige Redimensionierung“. Die europäischen Klimaziele würden mit dem Fokus auf Ausgewogenheit weiterhin wichtig bleiben.
SPÖ FÜR BANKENABGABE, SIEHT DEFIZITVERFAHREN WEITER OFFEN
Aus Sicht von Kai Jan Krainer (SPÖ) sei die Frage eines künftigen Defizitverfahrens immer noch offen, zumal die Basis dafür der Budgetvollzug des Jahres 2024 darstellen werde. Er erkundigte sich daher nachdrücklich bei Finanzminister Mayr unter anderem nach dem gesamtstaatlichen Defizit für 2024 samt den Zahlen der Sozialversicherungen, Länder und Gemeinden und zeigte sich „enttäuscht“ von den aus seiner Sicht fehlenden Antworten. Für Krainer wäre außerdem eine Bankenabgabe die konjunkturschonendste Maßnahme. Pia Maria Wieninger (SPÖ) kritisierte, dass das Parlament erst im Nachhinein über den Vorgang zur Abwendung des Defizitverfahrens informiert worden sei. Außerdem sei aus der Liste der Sparmaßnahmen in der kurzen Zeit bereits einiges revidiert worden, etwa zum Projekt mit administrativem Schulpersonal oder zu den Einsparungen von 270 Mio. Ꞓ bei den Krankenversicherungsbeiträgen.
NEOS FÜR REFORMEN GEGEN STRUKTURELLE DEFIZITE
Karin Doppelbauer (NEOS) sieht derzeit eine Phase der Weichenstellungen für die Republik, daher sei es wichtig, das Parlament vollinhaltlich einzubinden. Ein Defizitverfahren müsse nicht nur jetzt, sondern auch künftig verhindert werden. Es gelte, endlich die strukturellen Defizite anzugehen, die es schon länger als fünf Jahre gebe. Aus ihrer Sicht brauche es etwa eine Pensionsreform, um das effektive Pensionsantrittsalter nach oben zu bringen, aber auch eine Gesundheits- und Pflegereform sowie eine Föderalismusreform.
GRÜNE: KONJUNKTUR DARF NICHT ABGEWÜRGT WERDEN
Aus Sicht von Jakob Schwarz (Grüne) dürfe bei einer Konsolidierung die Konjunktur keinesfalls abgewürgt werden. In der derzeitigen Phase so massiv einzugreifen, stelle ein hohes Risiko dar. Die Kürzungen der Klimaförderungen halte er für schlecht für das Klima, aber auch für künftige Generationen und für die Wirtschaft. Er gab zu bedenken, dass auch außerhalb des Defizitverfahrens an die EU zu berichten sei. Es sei „nicht unwahrscheinlich“, dass man später noch in das Defizitverfahren hineinfalle, so Schwarz.
MAYR GEHT VON DEFIZIT VON 19,1 MRD. Ꞓ AUS
Was die Budgetsituation insgesamt betrifft, geht der Finanzminister für 2024 derzeit von einem Defizit von 19,1 Mrd. Ꞓ aus. Das sei um 1,7 Mrd. Ꞓ besser als veranschlagt, so Mayr. Beim Maastricht-Defizit bewege sich die Einschätzung bei 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Betreffend die geplanten 6,39 Mrd. Ꞓ an Einsparungen für 2025 sei das ein „Riesenpaket“. Kleinere geplante Einsparungen daraus wie etwa 270 Mio. Ꞓ bei Krankenversicherungsbeiträgen bezeichnete der Minister als „Platzhalter“, die auch durch andere Maßnahmen ersetzt werden könnten. Insgesamt sei seitens der EU sehr wohl gesehen worden, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch möglichst konjunkturschonend seien. (Schluss EU-Unterausschuss) mbu
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