Kulturabteilung verkündet Elias-Canetti-Stipendiat*innen 2025

Dieses Jahr erhalten Ljuba Arnautović, Paul Ferstl, Anna Felnhofer und Friederike Gösweiner das renommierte Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien.

Seit mehr als 40 Jahren stiftet die Kulturabteilung der Stadt Wien zu Ehren des Nobelpreisträgers für Literatur, Elias Canetti, ein Stipendium für Wiener Autor*innen. Es wird zur Förderung größerer literarischer Arbeiten für die Dauer von jeweils einem Jahr vergeben und kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden. Autor*innen, die bereits ein repräsentatives Werkverzeichnis vorweisen können, bekommen so die Möglichkeit, sich über einen längeren Zeitraum hinweg intensiv auf ihre schriftstellerische Arbeit zu konzentrieren. Die Stipendien werden monatlich ausbezahlt und sind mit einer Gesamtsumme von jeweils 18.000 Euro dotiert.

Ljuba Arnautović, Anna Felnhofer und Friederike Gösweiner erhalten das Elias-Canetti-Stipendium 2025 zum ersten Mal, Paul Ferstls Stipendium wird um ein Jahr verlängert. Empfohlen wurden die Stipendiat*innen von einer unabhängigen Fachjury, die ihre Entscheidung wie folgt begründete:

„RIEGER“ (ARBEITSSTITEL) – LJUBA ARNAUTOVIĆ

_Mit ihrer Trilogie „Im Verborgenen“, „Junischnee“ und „Erste Töchter“ hat LJUBA ARNAUTOVIĆ das zeitgenössische Schreiben in Österreich um einen autobiografisch-historischen Ansatz bereichert, in dem autofiktionale Elemente, eingebettet in einen sorgfältig recherchierten Kontext die Geschichte des 20. Jahrhunderts – und vor allem deren Verwerfungen – als Individualgeschichte erfahrbar macht, frei von Spekulation und Ressentiment. Mit dem in Arbeit befindlichen Romanprojekt „Rieger“ verlässt sie die eigene biografische Spur, zeigt aber anhand des Evangelischen Pfarrers Hans Rieger, der als Gefangenenseelsorger vom Ständestaat über den Nationalsozialismus bis in die Zweite Republik tätig ist, wie vernetzt Schicksale sein können und wie sehr die eigene Geschichte mit jener von scheinbar fremden Individuen zusammenhängt: wie Individualgeschichte letztlich auch Kollektivgeschichte ist_

„ROSTROT“ – PAUL FERSTL

_„Rostrot“ kann man ohne Übertreibung als gewaltiges, in seiner Dimension in der österreichischen Literatur einzigartiges literarisches Projekt bezeichnen, bei dem mit erzählerischen Mitteln über den Zusammenhang von Industrialisierung und politischer und damit gesellschaftlicher Entwicklung reflektiert wird. Am Beispiel der steirischen Eisenstraße erzählt PAUL FERSTL – immer entlang historisch belegter Ereignisse und Personen – die Geschichte einer Industrieregion zwischen 1933 und 1950 aus unterschiedlichen Perspektiven und schafft so eine Arbeiter-, Unternehmer-, Widerstands-, Mitläufer- und Wiederaufbausaga, die nichts weniger darzustellen versucht, als das fragile, mitunter fragwürdige und doch tragfähige Fundament der Zweiten Republik._

„SCHLICHTE LUFTSÄULEN“ – ANNA FELNHOFER

_Das Gehör als sozialster menschlicher Sinn verdeutlicht in „Schlichte Luftsäulen“ die eigene Position in der Gesellschaft und so entfremdet die krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Geräuschen die Protagonistin von allem und allen rund um sie. In der Einschicht einer Almhütte verschwimmen Realität und Einbildung immer mehr. Der Titel von ANNA FELNHOFERS Romanprojekt stammt aus einem Essay des Philosophen Jean-Luc Nancy zum Gehör, dessen Fragen der Konstitution von Subjektivität und des Selbst die Autorin in einer präzisen literarischen Sprache fortführt und neu stellt. Felnhofer hat bereits in ihrem Debütroman diagnostische Verfahren in eine sehr eigene poetische Sprache übersetzt – die Jury ist davon überzeugt, dass sie die psychologischen Phänomene, mythologische Fährten und die zeitgenössische Rahmenhandlung mit dem Streben nach Einzigartigkeit und Ruhm, Konkurrenz im Wissenschaftsbetrieb wie auch in der Paarbeziehung in aller Komplexität souverän erzählerisch zusammenführen und ins Absurde treiben wird._

„ZEIT-GENOSSENSCHAFT“ – FRIEDERIKE GÖSWEINER

_An den Verwerfungen der Gegenwart und ihren Auswirkungen auf den Einzelnen hat FRIEDERIKE GÖSWEINER seit ihrem Debüt „Traurige Freiheit“ ein ausgeprägtes literarisches Interesse. Ihrem aufklärerischen essayistischen Projekt „Zeit-Genossenschaft“ legt sie erneut die Annahme zugrunde, die globale Ordnung sei im Begriff, an ihren fehlerhaften Grundnarrativen – etwa Wachstums- und Leistungsgesellschaft – und einer zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit zu scheitern. Als Philosophin denkt Gösweiner den worst case, den „schlimmstmöglichen Fall, um herauszufinden, wie etwas sein soll“. Die literarische Suche nach dem Rettenden verspricht „Zeit-Genossenschaft“ auf zwei Ebenen: Formal, indem die Autorin angesichts der Dringlichkeit ihr personell unbestimmtes Gegenüber („to whom it may concern“) direkt anspricht und mit dem Brief bzw. der Flaschenpost eine für sie neue und zugleich kultur- und literaturgeschichtlich sehr alte Form wählt. Und inhaltlich, indem sie das utopische Potenzial der Literatur nutzt, um von Alternativen und einem besseren sozialen Modus der Koexistenz zu erzählen._

WEITERE INFORMATIONEN

Elias-Canetti-Stipendium: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Elias-Canetti-Stipendium

Förderempfehlungen, Beiräte und Jurys: https://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/foerderungen/foerderempfehlungen-literatur.html

Alle Förderungen der Kulturabteilung: https://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/foerderungen/#literatur

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