Teilzeit ist NICHT asozial

Offener Brief der Gewerkschaft GPA Niederösterreich und Betriebsrät:innen des Sozialbereiches an Landeshauptfrau Mikl-Leitner

In einem Offenen Brief wenden sich die Gewerkschaft GPA Niederösterreich und Betriebsrät:innen aus dem niederösterreichischen Sozialbereich an die niederösterreichische Landeshauptfrau und fordern eine Entschuldigung und Überdenken der Position.

Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau Mikl-Leitner,

mit großem Bedauern haben wir Ihre vor Kurzem getätigte Äußerungen bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer Niederösterreich zur Kenntnis genommen, in der Sie Menschen in Teilzeitbeschäftigung als asozial bezeichnet haben. Diese Aussage hat bei vielen unserer Kolleg:innen und bei uns als Gewerkschaft große Bestürzung und Unverständnis ausgelöst.

Besonders uns – die wir in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Pflege und Betreuung, Kinder und Jugendhilfe tätig sind – befremdet diese Aussage sehr. Gerade in dieser Branche gibt es einen hohen Anteil an Teilzeitarbeit. Hinzu kommt, dass in diesem Bereich nur wenige Vollzeitstellen angeboten werden.

Diese Umstände treffen nicht nur unseren Bereich. Auch andere Sparten sind von einem hohen Anteil an Teilzeitanstellungen betroffen. Man blicke etwa auf den Handel oder andere Dienstleistungsbereiche. Eine potenzielle Spaltung in „Fleißige“ und „Asoziale“ ist hier fehl am Platz.

Die Arbeit im Sozialbereich ist von unschätzbarem Wert für unsere Gesellschaft. Tagtäglich wird von uns ein enormer Beitrag zur Unterstützung und Betreuung von Bedürftigen, Kranken, Alten, Kindern und Jugendlichen, Familien und vielen anderen, geleistet. Für diese Arbeit ist hohe fachliche Kompetenz, sowie ein hohes Maß an Empathie, Geduld, Engagement, Liebe zum Menschen und nicht zuletzt eine immense Belastbarkeit erforderlich.

Die Entscheidung, Teilzeit zu arbeiten, wird nicht immer freiwillig getroffen. Auf Grund steigender Beanspruchung psychischer und physischer Natur – nicht zuletzt wegen des vielzitierten Fachkräftemangels und der stark verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen – müssen viele Kolleg:innen Stunden reduzieren um ihre eigene Gesundheit nicht zu gefährden. Eine weitere Tatsache ist, wie bereits erwähnt, der Mangel an Vollzeitstellen in manchen Bereichen der mitunter in begrenzten Mitteln für dieselben begründet ist.

Das Fehlen von ausreichend Kinderbetreuungsplätzen bzw. von strukturellen Gegebenheiten, sowie das Leisten von Care-Arbeit im privaten Umfeld zwingen viele Frauen in eine Teilzeitbeschäftigung.

Viele der angeführten Problematiken liegen mitunter in der Verantwortung der Landesregierung, die den finanziellen Rahmen schaffen muss.

In unserer Resolution vom 14. Februar 2022 – die Sie erhalten haben und kennen – haben wir bereits eindringlich auf diese Missstände hingewiesen. Kolleg:innen, welche in Teilzeit arbeiten sind schon jetzt vielfach von Altersarmut betroffen und dadurch gezwungen, neben der Regelpension weiterhin Teilzeit zu arbeiten. Besonders erschütternd ist der Umstand, dass es Kolleg:innen gibt, die sich ihren Lebensunterhalt trotz Berufstätigkeit nicht leisten können, da speziell diese Branchen auch noch immer nicht entsprechend entlohnt werden.

Diese hart arbeitenden Menschen als asozial zu bezeichnen, ist nicht nur völlig ungerechtfertigt, sondern auch respektlos gegenüber denjenigen, die sich tagtäglich für das Wohl anderer einsetzen. Es ist von größter Bedeutung, dass wir die Arbeit im Sozialbereich endlich entsprechend wertschätzen und die Arbeitsbedingungen verbessern.

Wir fordern Sie daher auf, Ihre Äußerungen zu überdenken und sich öffentlich bei den betroffenen Kolleg:innen zu entschuldigen.

Ein Rechtsanspruch auf Vollzeitarbeit ist schon lange eine gewerkschaftliche Forderung, außerdem ist es höchste Zeit, dass die Budgets im Sozialbereich erhöht werden, um beispielsweise genannte Vollzeitstellen zu ermöglichen und die Arbeitsbedingungen, die Entlohnung sowie den Personalschlüssel zu verbessern. Nur so kann sichergestellt werden, dass die wertvolle Arbeit im Sozialbereich auch in Zukunft aufrechterhalten und weiterentwickelt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen,

BR Lebenshilfe NÖ

BR Volkshilfe NÖ/Service Mensch GmbH

BR Psychosoziale Zentren gGmbH

BR Caritas St. Pölten

BR Caritas St. Pölten – Menschen mit Behinderung

BR Rettet das Kind – Sozialpädagogische Einrichtungen

BR Emmausgemeinschaft St. Pölten

BR VKKJ NÖ GmbH

BR Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH

BR DomiZiel

BR Kidspoint GmbH

BR Behindertenhilfe Bezirk Korneuburg

BR Kokon Bad Erlach

Gewerkschaft GPA NÖ

Gewerkschaft GPA – Öffentlichkeitsarbeit
Mag. Martin Panholzer
Telefon: Tel.: 05 0301-21511 / Mobil: 05 0301-61511
E-Mail: martin.panholzer@gpa.at

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