64. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage

GRin Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS) nutzte ihre Rede, um ihrer Meinung nach wahlkampfbedingte Fehldarstellungen zu korrigieren. Sie bezog sich dabei auf die Anfrage der ÖVP, die sie zwar als korrekt, aber unvollständig bezeichnete. Bakos kritisierte die ÖVP direkt und erinnerte daran, dass diese mit einer kurzen Unterbrechung seit fast 40 Jahren in der Regierung sei und der Bund für Migration zuständig sei. Die Partei hätte daher die Hebel in der Hand gehabt, um Maßnahmen zu setzen, so Bakos. Vielmehr habe die Stadtregierung in den letzten fünf Jahren bewiesen, dass sie sich der Herausforderungen bewusst sei und Verantwortung übernehme. Dennoch betonte sie, dass die Überbelastung Wiens real sei und eine Zusammenarbeit mit dem Bund notwendig bleibe. In der Bildungspolitik sei Wien stets bestrebt, den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden, sagte die NEOS-Abgeordnete. Temporäre Schulklassen seien ein wichtiges Instrument, um kurzfristige Herausforderungen, wie etwa den Krieg in der Ukraine, aufzufangen. Die Sprachförderung scheitere nicht am politischen Willen der Stadtregierung, stellte Bakos klar. Vielmehr sei der allgemeine Personalnotstand an Schulen in ganz Österreich ein großes Problem, das auch Wien betreffe. Bakos forderte eine gemeinsame Kraftanstrengung und betonte, dass die NEOS stets bereit seien, Probleme offen anzusprechen. Gleichzeitig setze sich ihre Partei für Chancengerechtigkeit ein. Projekte wie „Mutmillion“ oder der Ausbau der Sprachförderkräfte seien konkrete Beispiele dafür. Die Kritik der ÖVP am Thema Integration könne sie nicht nachvollziehen, da die NEOS seit einer Legislaturperiode in Wien für Bildungsthemen zuständig seien. Ihre Partei habe zahlreiche Anträge gestellt, darunter verpflichtende Sommerdeutschkurse, die jedoch vom Bund umgesetzt werden müssten. Nun die Verantwortung den NEOS zuzuschieben, sei „unglaubwürdig“. Als große Herausforderungen nannte Bakos Segregation und Parallelgesellschaften – hier gebe es große Stellschrauben, an denen gedreht werden müsse. Besonders kritisierte sie, dass es keine Wohnsitzauflage für Geflüchtete gebe, obwohl die ÖVP diese hätte beschließen können. Auch der von den NEOS geforderte bundesweite Chancenindex sei bisher nicht umgesetzt worden. Abschließend betonte Bakos mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen, dass letztlich Taten oder deren Ausbleiben mehr aussagen als Worte.

GRin Mag. Mag. Julia Malle (GRÜNE) bezeichnete die Anfrage der ÖVP als inhaltlich korrekt, da die bestehenden Probleme „unbestritten“ seien. Sie betonte, dass man in einer vielfältigen Gesellschaft lebe, gleichzeitig aber auch Parallelgesellschaften entstanden seien. Kritisch merkte sie an, dass viele dieser Themen oft „politisch und rassistisch instrumentalisiert“ würden. Auch im Schulbereich gebe es Herausforderungen in dieser Hinsicht, sagte die Mandatarin. Malle sprach sich für ein neues Anmeldesystem aus, um eine bessere Durchmischung _zu ermöglichen._ Ein besonderes Problem sei zudem die hohe Zahl außerordentlicher Schülerinnen in Wien – viele davon seien in der Stadt geboren und hätten bereits den Kindergarten besucht. Dennoch funktioniere die Sprachförderung nicht ausreichend, stellte Malle fest. Die Grünen fordern daher eine komplette Neuaufstellung in diesem Bereich, insbesondere durch die Einführung fester Förderkräfte an jedem Schulstandort. In ihrer Kritik an der rot-pinken Stadtregierung hob sie hervor, dass es in den letzten Jahren insbesondere im Bildungsbereich zu „Verschlechterungen“ gekommen sei. Die angekündigten 500 neuen Sprachförderkräfte seien bei weitem nicht erreicht worden, so Malle. Besonders alarmierend sei für sie, dass 71 Schulstandorte gänzlich ohne Sprachförderkräfte auskommen müssten. Zum Abschluss ihrer Rede bedankte sich Malle bei den Einbringern der dringlichen Anfrage und appellierte an die Stadtregierung, mehr Anstrengungen im Bildungsbereich zu unternehmen.

GR Jörg Neumayer, MA (SPÖ) sprach sich für eine stärkere bundesländerübergreifende Zusammenarbeit in der Bildungspolitik aus. Wien stehe aber nicht schlecht da, wie kritisiert wurde, sagte er. Vielmehr seien Städte generell mit großen Herausforderungen in den Bereichen Integration und Arbeitsmarkt konfrontiert. Diese Probleme müssten gemeinsam bewältigt werden. Neumayer bezeichnete Wien als „Bildungsstandort Nummer 1“ in Österreich. Besonders hob er die flächendeckende Kinderbetreuung und den beitragsfreien Kindergarten hervor, von denen auch viele Pendler*innen profitierten. Insgesamt 200.000 Personen würden täglich nach Wien kommen und die Bildungsangebote nutzen. In Bezug auf die Sprachförderkräfte stellte Neumayer klar, dass diese sowohl im Kindergarten- als auch im Pflichtschulbereich eingesetzt würden. Allerdings werde Wien hierbei finanziell nicht ausreichend unterstützt und oft „alleingelassen“. Positiv bewertete Neumayer hingegen die praxisnahe Ausbildung und die spezielle Ausbildungsstruktur. Zusätzliche Maßnahmen wie die „Summer City Camps“ für finanziell schwächere Familien seien ein wichtiger Bestandteil der Wiener Bildungspolitik, so der SPÖ-Abgeordnete weiter. Jährlich gebe es rund 10.000 Maturant*innen in Wien, darunter 1.300 aus anderen Bundesländern. Zudem seien mit kostenloser Nachhilfe und einem zweiten sowie dritten Bildungsweg weitere Alternativen geschaffen worden. Wien verfüge laut Neumayer über das modernste Ganztagsschulsystem in Österreich. Viele Familien würden diese Schulen bewusst wählen. Er betonte auch, dass es in der Bildung nicht darum gehen könne, „polemisch die Welt zu erklären“, sondern darum, mit Budgetmitteln gezielt Lehrer*innen zu unterstützen. Sprachstandsfeststellungen nannte er generell ein „probates Mittel“. Neumayer erwähnte lobend, dass in den letzten zehn Jahren wurden in Wien 1.200 neue Klassen geschaffen wurden – von Neubauten über Erweiterungen bis hin zu mobilen Klassen. Neumayer betonte, dass diese als „vollwertig“ zu betrachten seien und oft sogar bessere Standards als herkömmliche Klassenräume aufwiesen. Der Ausbau erfolge genau dort, wo Bedarf bestehe. Abschließend rief er dazu auf, in Bildungsfragen parteiübergreifend zusammenzuarbeiten und Pädagog*innen bestmöglich zu unterstützen. Auch auf das Thema Wohnen ging Neumayer ein. Wien schaffe jährlich tausende neue Wohnungen, darunter 5.500 Gemeindewohnungen, die sich bereits in Planung oder Bau befänden. Jedes Jahr würden hunderte Millionen Euro in den Wohnbau investiert, um die Mietpreise in Wien im Verhältnis zum Einkommen niedrig zu halten. Dies sei das Ergebnis eines „klugen Systems“. Durch die Stadtentwicklungsgebiete und neue Quartiere werde die hohe Lebensqualität weiter gesichert. Neumayer zeigte sich abschließend überzeugt: „Wien funktioniert bestens.“

GR Stefan Berger (FPÖ) bezeichnete die Debatte als „durchaus interessant“ und nahm Bezug auf die Aussagen seines Vorredners. Er zeigte sich skeptisch gegenüber der Darstellung Wiens als „Schlaraffenland“ und betonte, dass ein genauer Blick auf die Situation eine andere Realität offenbare. Besonders kritisierte Berger die temporären Containerklassen, die er als „Märchen“ bezeichnete. Seine eigenen Erfahrungen als Bezirksrat würden belegen, dass die Stadtpolitik hier in den vergangenen Jahrzehnten versagt habe. Man habe stets das Ziel verfolgt, Wien auf zwei Millionen Einwohner wachsen zu lassen, dabei jedoch die notwendige Planung vernachlässigt. Während die Quantität gesteigert wurde, habe die Qualität nicht mithalten können, so Berger. Eltern würden zunehmend über fehlendes qualifiziertes Personal in den Schulen berichten, was sich auch negativ auf die Deutschkenntnisse der Schüler*innen auswirke. Dieses Problem sei hausgemacht und resultiere aus der mangelhaften Planung der Stadt, so Berger. Neben der Bildungspolitik kritisierte der FPÖ-Mandatar auch die Gesundheitspolitik. Durch das Bevölkerungswachstum sei das Wiener Gesundheitssystem unter Druck geraten, sagte der FPÖ-Abgeordnetet. Als Beispiele nannte er überlastete Spitäler mit „Gangbetten“ sowie Schließungen von Stationen in der Urlaubszeit. Auch in der Verkehrspolitik gebe es Versäumnisse. Berger verwies auf das neu errichtete Wohnquartier am Wienerberg, bei dessen Planung eine U-Bahn-Anbindung nicht berücksichtigt worden sei. Mit Blick auf die finanzielle Lage der Stadt äußerte Berger die Vermutung, dass sich die Situation in den kommenden Jahren weiter verschlechtern werde. Besonders kritisierte er die SPÖ und Wiener Wohnen. Selbst der Rechnungshof habe darauf hingewiesen, dass die Sanierungszyklen der Gemeindebauten weit von den empfohlenen Vorgaben abweichen würden. Zusammenfassend sagte Berger, dass die Stadt dem rasanten Bevölkerungswachstum „nicht gewachsen“ sei.

GRin Ingrid Korosec (ÖVP) sprach in ihrer Rede über die großen Herausforderungen Wiens im Bereich Gesundheit und Soziales. Sie kritisierte, dass die bisherige Diskussion von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt sei, anstatt sich konstruktiv mit den bestehenden Problemen auseinanderzusetzen. Besonders problematisch sei die Entwicklung der OP-Wartezeiten. Laut Korosec müsse man in der Klinik Donaustadt mittlerweile durchschnittlich 37 Wochen auf eine neue Hüfte warten – vor fünf Jahren seien es noch 45 Tage gewesen. Auch die Wartezeit auf eine Bandscheibenoperation habe sich von 90 Tagen auf 19 Wochen verlängert. Dies sei eine untragbare Entwicklung, die dringend behoben werden müsse. Der anhaltende Bevölkerungszuwachs habe die Situation weiter verschärft, so die ÖVP-Gemeinderätin. Korosec verwies darauf, dass es mittlerweile 600 diplomierte Pflegekräfte weniger gebe und 84 Facharztstellen nicht nachbesetzt werden konnten. Auch wenn Stadtrat Peter Hacker Maßnahmen ergriffen habe, gehe die Umsetzung aus ihrer Sicht „viel zu langsam“. Der Fakt, dass zeitweise bis zu 1.500 Spitalsbetten gleichzeitig gesperrt gewesen seien, habe die Gesundheitsversorgung der Wiener*innen weiter belastet. Neben der Gesundheitsversorgung sprach Korosec auch den sozialen Sektor an. Sie verwies auf aktuelle Statistiken, wonach zwei Drittel der Mindestsicherungsbezieher_innen _keine österreichische Staatsbürgerschaft hätten, die Mehrheit davon Asylwerber*innen._ _Dies stelle das Sozialsystem unter enormen Druck. Als besorgniserregend bezeichnete sie die Tatsache, dass Wien täglich zwei Millionen Euro für die Mindestsicherung aufwende. Korosec betonte, dass diese ihre Berechtigung habe aber nicht zur „sozialen Hängematte“ werden dürfe, sondern als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt gedacht sei. Korosec forderte deshalb nachhaltige Lösungen in den Bereichen Gesundheit und Soziales und betonte, dass die ÖVP zur Zusammenarbeit bereit sei: „Unsere Hand ist ausgestreckt.“ (Forts.) kri

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