Warten als Gesundheitsrisiko bei Krebspatient:innen

Strukturierte Behandlungspfade in Österreich nicht vorhanden

IM RAHMEN DER BEREITS SEIT ÜBER ZEHN JAHREN BESTEHENDEN DISKUSSIONSREIHE „ZUKUNFT GESUNDHEIT“ DISKUTIERTEN EXPERTINNEN UND EXPERTEN ÜBER DIE VORTEILE FESTGELEGTER UND STRUKTURIERTER BEHANDLUNGSPFADE FÜR KREBSPATIENT:INNEN. INSBESONDERE DER EKLATANTE MANGEL AN DER VERSCHRÄNKUNG VON GESUNDHEITSDATEN – TROTZ BEREITS BESTEHENDEN POLITISCHEN RAHMENS – WURDE ALS HÜRDE IDENTIFIZIERT. DAS DADURCH FEHLENDE WISSEN IST WIEDERUM EIN HAUPTGRUND DAFÜR, DASS PATIENT:INNEN INEFFIZIENT DURCH DAS SYSTEM IRREN – WAS UNNÖTIGE EMOTIONALE BELASTUNGEN PRODUZIERT, DIAGNOSEN VERZÖGERT UND GERADE BEI KREBS EIN UNNÖTIGES GESUNDHEITSRISIKO BEDEUTEN KANN.

Etwa 38.000 Patient:innen wurden im Jahr 2024 mit einer Krebsdiagnose allein in den Kliniken und Ambulanzen des Wiener Gesundheitsverbundes behandelt.[1] In gesamt Österreich liegt die Zahl der Personen mit Krebs bei rund 400.000 Betroffenen.[2] Die rechtzeitige Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen kann entscheidend für den Therapieerfolg sein. Verzögerungen – sei es bei Facharztterminen, Diagnoseverfahren oder Therapiebeginn – können den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen und die Prognose verschlechtern. In Österreich existieren derzeit keine einheitlichen, national festgelegten Richtwerte für die maximale Dauer zwischen einer Krebsverdachtsdiagnose und der endgültigen Diagnosestellung. Allerdings betonen sowohl das Krebsrahmenprogramm Österreich[3] als auch der Onkologie-Beirat die Notwendigkeit einer raschen und effizienten Diagnostik, um die Prognose für Patient:innen zu verbessern. Um dieses real existierende Problem bei einer ohnehin bereits vulnerablen Gruppe bestmöglich zu vermeiden, wurde das Thema „Warten als Gesundheitsrisiko“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „zukunft gesundheit“ aufgegriffen und Lösungsansätze diskutiert.

In seinem Vortrag, der thematisch in den Abend einführte, erläuterte AP. PROF. PRIV.-DOZ. DDR. IGOR GRABOVAC, Facharzt für Public Health am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien: „Eine rasche Navigation durch unser fragmentiertes Gesundheitssystem ist leider oftmals sehr schwierig“. Er hob die sozialen Ungleichheiten bei Krebspatient:innen EU-weit hervor und monierte, dass der Zugang zur Versorgung oftmals durch Herausforderungen wie etwa komplexe und fragmentierte Systeme, eine mangelhafte Systemintegration oder niedrige Navigationskompetenzen erheblich erschwert wird. Patient:innen irren oft ohne klare Orientierung durch das Gesundheitssystem, da es an einer strukturierten Lotsung zu den nächsten Anlaufstellen und erforderlichen Schritten fehlt. Diese mangelnde Steuerung führt zu vermeidbaren Verzögerungen in der medizinischen Versorgung.

WARUM WARTEN EIN GESUNDHEITSRISIKO DARSTELLEN KANN?

Eine im Jahr 2024 veröffentlichte Studie, die das Profil und die Erstbehandlung von Erwachsenen mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) im Frühstadium untersuchte und Daten aus 16 österreichischen Krankenhäusern auswertete, ergab alarmierende Verzögerungen im Behandlungsverlauf: 25 % der Patient:innen erhielten ihre Diagnose erst mehr als 50 Tage nach der initialen Bildgebung, und ebenso viele warteten über 81 Tage bis zum Beginn ihrer Therapie.[4] Diese Wartezeiten überschreiten die vom Vereinigten Königreich empfohlenen 49 Tage als maximalen Zeitraum zwischen Überweisung und Behandlungsbeginn,[5] was darauf hindeutet, dass es noch Raum für Verbesserungen bei der Schnelligkeit entlang des gesamten Diagnose- und Behandlungsverlaufs gibt.

ANITA KIENESBERGER, Obfrau der Allianz onkologischer PatientInnenorganisationen appelliert für effizientere Abläufe, um für Patient:innen die Belastung zu minimieren: „Jede Verzögerung und Ungewissheit bezüglich einer richtigen Diagnose bedeutet für die Betroffenen, emotionalen Stress. Wir müssen die Prozesse so optimieren, dass Patient:innen so rasch wie möglich eine gesicherte Diagnose und eine verlässliche Navigation durch das System erhalten. Sogenannte ‚Patient Navigators‘ haben sich in mehreren europäischen Ländern bereits als unabdingbare Stütze für Betroffene bewährt. Wir wünschen uns dies u.a. auch für die österreichische Patient:innen. “

„EUROPE‘S BEATING CANCER PLAN“ SOWIE „ÖSTERREICHISCHES KREBSRAHMENPROGRAMM“.

In der Diskussion wurden Maßnahmen beleuchtet, wie strukturelle Hürden im Gesundheitssystem abgebaut werden können, um Wartezeiten in den Behandlungspfaden zu vermeiden. Dabei gehe es um eine effizientere Gestaltung dieser Pfade, einen ausgewogeneren Zugang zu innovativen Therapien entlang jeder sozialen Schicht und einer allgemein besseren Gesundheitskompetenz. Speziell der „Europe‘s Beating Cancer Plan“ sowie das „Österreichische Krebsrahmenprogramm“, das sich kurz vor einer Neuauflage befindet, würden bereits gute Vorlagen bieten, um strukturierte Patient:innenpfade zu implementieren. Die Aufgabe bestehe lediglich darin, alle Systempartner an einem Tisch zu versammeln und systembezogene Probleme konstruktiv anzusprechen und aus dem Weg zu räumen. Herausforderungen sieht der Expert:innenkreis vor allem in der Verfügbarkeit eines standardisierten, validierten und klinisch relevanten Datensatzes über den gesamten Behandlungsverlauf sowie das durchgehende Qualitätsmanagement dieser Datenbank. Nur so könne man verlässlich Rückschlüsse auf Wartezeiten und deren Hintergründe entlang des Versorgungspfades ziehen. Im weiteren Schritt gilt es dann, Verbesserungspotential ausfindig zu machen um exakt dort regulierend anzusetzen, wo Verzögerungen entstehen. Da ELGA bisher nur beschränkt die Schnittstellen zwischen der niedergelassenen und intramuralen Versorgung im Spital vernetzt, biete sie für eine holistische Verschränkung aller Daten im Gesundheitswesen leider nur wenig Potential. Der Apell der Experten diese Hürde endlich abzuschaffen, tönte unisono.

WEITERE STIMMEN AUS DEM PANEL

// AO. UNIV.-PROF. DR. HERWIG OSTERMANN – Geschäftsführer Gesundheit Österreich GmbH

„Lange Wartezeiten stellen eine emotionale Belastung für Patient:innen dar, insbesondere wenn es um die diagnostische Abklärung einer möglicherweise schwerwiegenden Erkrankung wie Krebs geht. Daher sollten diese so kurz wie möglich sein. Danach können leitliniengerechte Therapie und vorgegebene Patient:innenpfade unverhältnismäßige Verzögerungen effektiv verhindern und die vorhandenen Ressourcen bestmöglich genutzt werden.“

// MAG. JAN PAZOUREK – Büroleiter Dachverband Österreichische Sozialversicherung

„In Österreich verzeichnen wir leider einen Mangel an vernetzten Gesundheitsdaten. Das macht die Kommunikation und subsequent auch eine entsprechende Auswertung und Aufschlüsselung diverser Patient:innen-Wege unmöglich. Diese Strukturprobleme gilt es zu bewältigen, um Krebspatient:innen möglichst schnell zu einer Diagnose sowie Therapie zu bringen.“

// PRIM. PRIV.-DOZ. DR. ANTON PONHOLZER, F.E.B.U. – Vorstand Abteilung für Urologie und Andrologie Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien, Vorstandsmitglied der Österreichischen Krebshilfe

„Das, was wir mit den Tumorboards im Abschnitt der Behandlung von Krebserkrankungen bereits auf einem hohen Niveau etabliert haben, benötigt es auch in jenen der Therapie vor-, als auch nachgelagerten Phasen. Speziell in der Zeit bis zur Diagnose sowie nach der Akuttherapie haben Betroffene oft Herausforderungen, sich im System zurechtzufinden. Strukturierte Patient:innenpfade können hier einen großen Mehrwert bieten, indem sie die Adhärenz fördern, die Belastungen für Patient:innen reduzieren und schlussendlich den Therapie-Outcome verbessern – was unser aller Ziel sein muss.“

// DR. CHRISTOPH POWONDRA – Allgemeinmediziner, Vizepräsident ÖGAM, Leiter PVE Böheimkirchen

„Gerade in der Primärversorgung sehen wir täglich, dass eine frühzeitige Diagnose, ein rascher Behandlungsbeginn und klare Strukturen den Patient:innen viele Sorgen nehmen können. Leider sind im öffentlichen Gesundheitssystem teils lange Wartezeiten und unklare Zuständigkeiten dennoch die Realität für immer mehr Betroffene. Um das zu ändern, könnten standardisierte Patientenpfade, die den gesamten Behandlungsprozess strukturieren und damit die Zeit zwischen Diagnose und Therapie wirksam verkürzen.“

// UNIV.-PROF. DR. JOSEF SMOLLE – Gesundheitssprecher ÖVP, Mitglied des Bewertungsboards

„Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine effiziente Datenverschränkung wurden in der letzten Legislaturperiode bereits geschaffen. Doch die historisch gewachsenen, fragmentierten Strukturen unseres Gesundheitssystems und eine traditionell große gesellschaftliche Skepsis gegenüber Datennutzung stehen raschen und durchgehenden Lösungen oft entgegen. Eine einheitliche digitale Gesundheitsinfrastruktur auf der Basis von ELGA kann Wartezeiten verkürzen und Behandlungsprozesse optimieren. Dieser Weg muss gesundheitspolitisch konsequent gegangen werden.“

// NICOLE SCHLAUTMANN – Geschäftsführerin MSD Österreich

„Die Krebsversorgung in Österreich hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Dennoch zeigen internationale Vergleiche, wie etwa das Cancer Dashboard der IHE, dass es noch erhebliches Verbesserungspotenzial gibt – insbesondere in der schnelleren Diagnosestellung und in der effizienten Strukturierung von Patientenpfaden. Unser Ziel muss es sein, dass Patient:innen schnellstmöglich Klarheit über ihre Diagnose erhalten und Zugang zu den bestmöglichen Therapien haben.“

// UNIV.-PROF. DR. BERNHARD SCHWARZ – Präsident der Karl Landsteiner Gesellschaft

„Eine Krebsverdachtsdiagnose ist für die Betroffenen ein enorm einschneidender Moment. Es ist die Verantwortung des Gesundheitssystems, sicherzustellen, dass Patient:innen so rasch wie möglich wissen, woran sie sind und welche Behandlungsoptionen ihnen zur Verfügung stehen. Klar definierte Zielvorgaben und mehr Transparenz in den Wartezeiten sind daher essenziell, um unnötige Unsicherheiten zu vermeiden und die Prognosen zu verbessern.“

„ZUKUNFT GESUNDHEIT“ – EINE PLATTFORM FÜR DEN INTERDISZIPLINÄREN AUSTAUSCH

Die Diskussionsreihe „zukunft gesundheit“ bietet seit Jahren eine Plattform für den offenen Austausch zwischen Entscheidungsträger:innen, Expert:innen und Betroffenen. Ziel ist es, gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten, um das österreichische Gesundheitssystem nachhaltig weiterzuentwickeln. Die Veranstaltung, eine gemeinsame Initiative der Karl Landsteiner Gesellschaft und MSD Österreich, steht unter dem Leitgedanken, dass ein modernes Gesundheitssystem nicht nur durch Innovation und Technologie vorangetrieben wird, sondern vor allem durch effiziente Strukturen, die Patient:innen in den Mittelpunkt stellen.

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