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80 70 30: Jugendliche treffen auf Zeitzeug:innen des EU-Beitritts
Brigitte Ederer und Parlamentsdirektor Harald Dossi zu Gast in der Demokratiewerkstatt des Parlaments
„Ich hatte das Gefühl, ich gehe einen Meter über dem Boden“, erinnerte sich die ehemalige Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer an das Ja der Österreicher:innen bei der Volksabstimmung zum EU-Beitritt vor 30 Jahren in der Demokratiewerkstatt des Parlaments. Die federführend am EU-Beitritt Österreichs beteiligte frühere SPÖ-Politikerin traf heute als Zeitzeugin, gemeinsam mit Parlamentsdirektor Harald Dossi, Schüler:innen der 7. Klasse des Gymnasiums Kollegium Kalksburg aus Wien zum Gespräch über ihre Rolle bei den Beitrittsverhandlungen. Neben dem Tag der Volksabstimmung blieben dem Parlamentsdirektor die „einfach nur mit Müdigkeit“ verbundenen drei Tage und zwei Nächte dauernden Verhandlungen mit den EU-Gremien über den Beitritt Österreichs besonders in Erinnerung. Dossi war damals im Bundeskanzleramt für die innerstaatliche Koordinierung der Beitrittsverhandlungen zuständig.
Im Rahmen des Jahresschwerpunktes 80 70 30 veranstaltet die Demokratiewerkstatt des Parlaments an mehreren Terminen Workshops mit Zeitzeug:innen, um Jugendlichen die Gegebenheiten rund um Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Unterzeichnung der Staatsvertrages näherzubringen.
ÜBERZEUGUNGSARBEIT FÜR EU-BEITRITT ÖSTERREICHS
In mehreren Gesprächsrunden hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre vorab in Workshops erarbeitenden Fragen an die beiden Zeitzeug:innen zu stellen. So wollten die Schüler:innen etwa wissen, wie es überhaupt zum EU-Beitritt Österreichs kam. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion habe sich eine zunehmend positive politische Grundstimmung zum Beitritt herausgebildet, erklärte die ehemalige Staatssekretärin. Österreich habe realisiert, dass man als eine seit den 1970er-Jahren exportorientierte Volkswirtschaft Teil eines sich herausbildenden Binnenmarkts sein sollte, ergänzte Parlamentsdirektor Dossi.
Weiteres Gesprächsthema war die skeptische Haltung der Österreicher:innen im Vorfeld der Volksabstimmung. Hier habe man von Seiten der bei diesem Thema „total geeinten Regierung“ aus SPÖ und ÖVP, der Sozialpartner, von Unternehmen sowie anderer gesellschaftlicher Gruppen viel Überzeugungsarbeit geleistet, betonte Ederer. Dem schloss sich der Parlamentsdirektor an. Es sei gelungen, auf emotionaler Ebene eine Grundstimmung zu erzeugen, „dass es besser gemeinsam als einsam ist“. Dazu seien „die junge Politikerin mit Hausverstand Brigitte Ederer“ und der „erfahrene Außenminister Alois Mock eine brillante Mischung gewesen“, so Dossi. Ederer bedauerte, dass es nicht gelungen sei, die beim Beitritt herrschende positive Grundstimmung bis heute mitzunehmen.
Die Schüler:innen interessierten sich zudem über die größten Hürden bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt Österreichs. Bedenken von österreichischer Seite habe es vor allem bei den Themen Transitverkehr, Erhalt der Neutralität, der Zukunft der heimischen Landwirtschaft sowie beim Kauf von Grund und Boden durch reiche EU-Bürger:innen gegeben, erklärte Harald Dossi. Durch von den Verhandler:innen erreichte Übergangs-und Ausnahmeregelungen im Beitrittsvertrag habe man diese Sorgen jedoch überwinden können. Für die Stimmung in Österreich sei das geeinte Auftreten der Regierungsparteien, der Sozialpartner sowie der Medien hilfreich gewesen. Positiv auf die Verhandlungen habe sich zudem die Tatsache ausgewirkt, dass alle Beteiligten ein positives Ergebnis erzielen hätten wollen, unterstrich Dossi.
ZUSAMMENARBEIT WICHTIGER DENN JE
Seit dem Beitritt Österreichs seien im Laufe der Zeit viele neue Aufgaben für die EU, wie etwa eine gemeinsame Währung oder die Klimapolitik, hinzugekommen, hielt Brigitte Ederer fest. Das sah Harald Dossi ähnlich. Es sei neben den wirtschaftlichen Interessen „viel Gemeinsames“, wie die Bereiche Außen-, Sicherheits- oder Sozialpolitik forciert worden. Die Grundlagen wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind zwar laut Dossi gleich geblieben, diese würden aber von verschiedenen Seiten „angeknabbert“.
Einig waren sich beide Zeitzeug:innen, dass es die EU mehr denn je brauche, da jeder der 27 Mitgliedsstaaten alleine zu klein für den geopolitischen Wettbewerb sei. Gegenüber der künftigen Entwicklung der EU in den kommenden 30 Jahren zeigte sich Brigitte Ederer „das erste Mal in ihrem Leben ein bisschen pessimistisch“. Vielfalt sei einerseits die Stärke Europas, andererseits sei diese auch problematisch, da die oftmals benötigte Einstimmigkeit schwierig zu erreichen sei. Sie hoffe, die Vereinigten Staaten von Europa noch erleben zu dürfen. Für Dossi täte aufgrund des internationalen Umfelds die EU gut daran, die Zusammenarbeit zu forcieren. Da es jedoch einige EU-Staaten gebe, die hier dagegenhalten würden, müsse eventuell der Druck für ein verstärktes Miteinander noch größer werden. Stabile demokratische Verhältnisse könnten nur Bestand haben, „wenn wir alle – in Österreich und in der EU – unseren Beitrag dazu leisten“, unterstrich Parlamentsdirektor Dossi. (Schluss) med
HINWEIS: Das Parlament beleuchtet 2025 drei Meilensteine der Demokratiegeschichte. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, vor 70 Jahren wurde der Staatsvertrag unterzeichnet und vor 30 Jahren trat Österreich der EU bei. Mehr Informationen zum Jahresschwerpunkt 2025 finden Sie unter www.parlament.gv.at/kriegsende-staatsvertrag-eu-beitritt.
Fotos des Gesprächs finden Sie im Webportal des Parlaments.
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