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Nationalrat diskutiert Folgen des russischen Angriffskriegs auf die nationale und europäische Sicherheit
Nationalratspräsident und Abgeordnete verurteilen in Gedenkminute Attentat in Villach
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Folgen für die österreichische und europäische Sicherheit standen im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde im heutigen Nationalrat. Auf Initiative der NEOS legten die Fraktionen unter dem Titel „Drei Jahre Krieg in der Ukraine: Zusammenarbeit ist wichtiger denn je“ ihre Standpunkte dar. Grundsätzliche waren sich die Fraktionen einig, dass es Frieden für die Ukraine geben müsse, strittig hingegen war, wie ein solcher Frieden aussehen und wie dieser erreicht werden soll. ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne verteidigten die Unterstützung der Ukraine, pochten auf eine Einbindung der Ukraine und Europas bei Verhandlungen und stemmten sich gegen einen Diktatfrieden. Die FPÖ wiederum forderte mehr Zurückhaltung und eine aktivere Neutralitätspolitik ein. In Sicherheitsfragen befürworteten die NEOS eine stärkere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Angesichts einer geänderten weltpolitischen Lage sei die Neutralität dafür obsolet, argumentierten sie. Die FPÖ wiederum sprach sich für eine Stärkung der Neutralität und der Verteidigung auf nationaler Ebene, wie durch eine Betonung der allgemeinen Wehrpflicht oder einen Skyshield-Ausstieg, aus. Die SPÖ forderte mehr Diplomatie und Dialog statt Aufrüstung für Sicherheit und Frieden ein. Vielleicht sei es eine schmerzliche Erkenntnis, aber ein dauerhafter Frieden brauche auch Sicherheit, argumentierten die Grünen für eine Stärkung der Verteidigung. Bundeskanzler Alexander Schallenberg betonte die Bedeutung der regelbasierten internationalen Ordnung als „Schutzschild“. Europa habe viele Stärken und sei daher nicht schwach, gebe aber allzu oft ein Bild der Schwäche ab, kritisierte er.
Als neuer Abgeordneter wurde eingangs Michael Gmeindl (FPÖ) angelobt. Dieser folgt auf Norbert Hofer (FPÖ), der in die burgenländische Landespolitik gewechselt ist.
ATTENTAT IN VILLACH: POLITIK MUSS ALLES IN IHREN MÖGLICHKEITEN TUN, UM EINE WIEDERHOLUNG ZU VERHINDERN
Zu Beginn der Sitzung hielten die Abgeordneten auch eine Gedenkminute anlässlich des Attentats in Villach ab. Als Verantwortungsträger müsse die Politik alles in ihren Möglichkeiten stehende tun, dass sich ein solch „grausames Schicksal“ nicht wiederhole, forderte Nationalratspräsident Walter Rosenkranz sichtlich ergriffen in einleitenden Worten. Dies sei ein Vorfall, der sich in eine Reihe von Gräueltaten einordne, untermauerte er seine Forderung.
Aktuell würde Österreich erleben, wie nahe Glück und Freude und demgegenüber Trauer und Wut zusammen liegen. So sei einerseits jüngst der israelisch-österreichische Tal Shoham nach 500 Tagen „brutalster“ Hamas-Geiselhaft in die Arme seiner Familie übergeben worden. Tränen der Sorge und Verzweiflung seien dabei der Freude und des Glücks gewichen. Auf der anderen Seite stach in Villach ein „kalt lächelnder Meuchelmörder“ auf grauenhafte und unvorstellbare Weise wahllos auf Menschen in seiner Nähe ein. Der erst 14-jährige Alexander, der neugierig auf seine Zukunft und ein schönes Leben geblickt hat, sei dabei „bestialisch“ aus seinem Leben gerissen worden.
Leider gebe es nicht nur einen, sondern viele Alexander auf dieser Welt und es gelte, sich für jeden einzelnen von ihnen einzusetzen, unterstrich Bundeskanzler Alexander Schallenberg. Die Werte und die offene Gesellschaft müssen verteidigt werden, forderte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Man müsse wehrhaft gegen alle Bedrohungen der liberalen Demokratie und der Art in Europa zu leben sein, erklärte ebenso Beate Meinl-Reisinger (NEOS).
MEINL-REISINGER: SICHERHEIT UND FREIHEIT NUR IN EINIGKEIT
Das Ziel des brutalen und völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands gegen die Ukraine sei, die Ukraine von der Landkarte zu löschen, erklärte NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Dabei gehe es nicht nur um den Kampf um ein Territorium, sondern es gehe sowohl um die Souveränität und die Selbstbestimmung der Ukraine als auch um die europäische Selbstbestimmung und um die Art zu leben in Europa. Aktuell habe man den Eindruck, dass viele einen Frieden um jeden Preis möchten. Den hohen Preis dafür würde aber zunächst die Ukraine und langfristig ganz Europa bezahlen. Es dürfe daher keinen Diktatfrieden, der nur eine Atempause wäre, sondern eine gerechte Lösung geben, forderte sie. Es müsse weiterhin gelten, dass nichts über die Ukraine als auch über Europa ohne diese am Verhandlungstisch ausgehandelt wird.
Europa müsse dazu Stärke zeigen und dies sei nur durch Einigkeit möglich. Es sei die Frage, welche Rolle Europa in der Welt einnimmt und ob es ein „Spielball“ ist oder selbstbewusst mit Stolz gemeinsam für die Sicherheit und den Schutz der Bürger:innen sorgt. Dazu sei es auch notwendig, Geld in die Hand zu nehmen, um die Verteidigung zu stärken. Niemand anderer könne die Verantwortung für Freiheit, Frieden und das Zusammenleben in Europa übernehmen – dies könne nicht „outgesourct“ werden. Es sei die Verpflichtung von Politik und Regierenden, Bürger:innen und ihre Freiheiten zu schützen.
SCHALLENBERG: REGELBASIERTE INTERNATIONALE ORDNUNG IST UNSER SCHUTZSCHILD
Präsident Putin habe den „imperialistischen“ Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Dieser verstoße gegen alle UNO-Prinzipien und damit werde das Völkerrecht täglich „mit Füßen“ getreten, erklärte Bundeskanzler Alexander Schallenberg. Die Ukraine kämpfe nicht nur für sich selbst, sondern um gemeinsame Werte. Die Sicherheit Österreichs hänge davon ab, ob Völkerrecht und Verträge eingehalten würden. Die regelbasierte internationale Ordnung sei daher „unser Schutzschild“. Wer in diesem Zusammenhang von Neutralität „faselt“, habe das Wort nicht verstanden und fahre „Schlitten“ mit der nationalen Sicherheit, meinte Schallenberg. Der Krieg werde am Verhandlungstisch sein Ende finden. Dabei müsse aber klar sein, dass es keine Verhandlungen ohne die Ukraine geben dürfe. Ebenso dürfe die europäische Sicherheit nicht ohne Einbindung aller Betroffenen verhandelt werden, stellte Schallenberg klar.
Europa sei nicht schwach, gebe aber ein Bild der Schwäche ab, kritisierte er. So werde allzu oft übersehen, dass Europa im Vergleich zur USA ein Vielfaches an Unterstützung an die Ukraine leiste. Ebenso habe Europa Hebel, die es auch nützen sollte, plädierte Schallenberg mit Verweis auf die russischen Milliardenvermögen auf europäischen Konten. Es brauche eine Zusammenarbeit mit der USA, Europa sollte sich aber nicht fürchten und sich seiner Stärken bewusst sein.
Abschließend bestätigte Schallenberg, dass er nicht mehr einer künftigen Regierung angehören werde. Es sei ihm eine der größten Ehren seines Lebens gewesen, für die Menschen in Österreich zu arbeiten. Er habe seine Aufgaben immer mit „Herzblut“ und bestem Wissen und Gewissen erledigt. Im Nachhinein klüger zu sein, sei kein Kunststück. Die Politik habe aber nicht den Luxus abzuwarten, sondern müsse unmittelbar agieren. Dabei konnte er sich auf eine „beeindruckende“ Beamtenschaft verlassen.
FPÖ FORDERT KONSEQUENTE UND GLAUBHAFTE NEUTRALITÄTSPOLITIK UND BEIBEHALTUNG DER ALLGEMEINEN WEHRPFLICHT
Es brauche eine differenzierte Betrachtung der Kriegsursachen und diplomatische Zurückhaltung, forderte Susanne Fürst (FPÖ). Zudem sollte ein Waffenstillstand und Verhandlungen eingefordert werden. Stattdessen gebe es aber irrationale, emotionale und moralisierende Reaktionen und damit ein „tief verantwortungsloses“ Vorgehen. Hinsichtlich der Außenpolitik mahnte Fürst die Neutralität als Leitlinie ein. Die Sanktionen gegen Russland hätten nichts gebracht, außer dass die Bevölkerung an der Teuerung leide. In dem Krieg gehe es nicht um die Verteidigung westlicher Werte sondern um unterschiedlichste Interessen. Die EU habe Milliarden in die Ukraine geschickt, aber „Sterben durfte diese alleine am Schlachtfeld“. Sehe so „bedingungslose Solidarität“ aus, fragte sie ins Plenum. Das vielfach geäußerte Credo, die Ukraine müsse gewinnen, würde bedeuten, dass diese bis zum letzten Soldaten kämpfen müsse. Dies sei „brandgefährlich“ und angesichts eines „übermächtigen“ Gegners könne die Ukraine ohnedies nicht gewinnen. Ein Friedensschluss und ein Kriegsende sei daher im Interesse von Europa und der Ukraine.
Wer sich auf andere verlässt, sei am Ende verlassen und daher sei es wichtig, dass Österreich sich im Ernstfall selbst helfen könne, erklärte Volker Reifenberger (FPÖ) und forderte Souveränität statt Abhängigkeit. Dazu brauche es eine konsequente und glaubhafte Neutralitätspolitik sowie eine Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht. Zudem müsse das Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems organisiert und dazu auch der Grundwehrdienst verlängert werden. Ebenso braucht es der FPÖ zufolge eine Erhöhung des Mobilmachungsrahmens, um Abwehroperationen leisten zu können. Zudem forderte Reifenberger ein Aussetzen der Zahlungen an das EU-Programm EUMAM und an die Europäische Friedensfazilität sowie den Ausstieg aus Skyshield.
ÖVP: EU MUSS WORT ERHEBEN UND MIT EINER STIMME SPRECHEN
Europa dürfe nicht zulassen, dass die regelbasierte Weltordnung mit Füssen getreten und ruiniert wird, forderte EU- und Verfassungsministerin sowie ÖVP-Abgeordnete Karoline Edtstadler. Die EU müsse dazu das Wort erheben und mit einer Stimme sprechen. Der Angriffskrieg dürfe niemals toleriert und nicht ignoriert werden, forderte sie. Es müsse „unser aller Ziel“ sein, den Frieden in Europa wieder herzustellen. Dies dürfe nicht ohne, sondern müsse mit der Ukraine erfolgen. Dabei dürfe es auch keine Opfer-Täter-Umkehr geben. Europa dürfe den USA und Russland nicht überlassen, wie es mit der Ukraine weiter gehe. Das jüngst beschlossene 16. Sanktionspaket bezeichnete sie als „richtig und wichtig“.
Man dürfe die Menschen in den besetzten Gebieten und entführte Kinder nicht vergessen, betonte Gudrun Kugler (ÖVP) und kritisierte die Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte sowie Folter und Repressalien. Ebenso stemmt die Abgeordnete sich gegen Verhandlungen ohne der EU und der Ukraine am Verhandlungstisch und thematisierte Österreich als möglichen Verhandlungsort.
SPÖ: MEHR ENGAGEMENT VON EU UND ÖSTERREICH NÖTIG
Die Ukraine verteidige ihre Grenzen, Souveränität und Werte, erklärte Petra Bayr (SPÖ). Angesichts von vorsichtig geschätzten 150.000 Kriegsverbrechen müssen die Verantwortlichen, allen voran Putin, zur Rechenschaft gezogen und Reparationszahlungen geleistet werden, forderte sie. Es brauche nicht einen Diktatfrieden, sondern einen nachhaltigen Frieden unter Einbindung der Ukraine. Dazu brauche es sowohl eine aktivere Rolle der EU als auch mehr Engagement von Österreich in der EU. Die EU sei gefordert, die Ukraine langfristig zu unterstützen. Dabei müsse das Ziel ein souveräner, selbstbestimmter und demokratischer Staates sein, in dem alle Menschen in Frieden und Freiheit leben.
Der Bruch des Völkerrechts führe vor Augen, wohin eine nicht funktionierende Sicherheitsordnung und schwache Mechanismen zur Konfliktvermeidung führen können, meinte Robert Laimer (SPÖ). Statt der Notwendigkeit von Diplomatie und Abrüstung finde gerade ein Paradigmenwechsel in Richtung militärischer Aufrüstung statt. Ein Mehr an Waffen bedeute aber nicht automatisch mehr Sicherheit, sondern könnte Konflikte auch ausdehnen, warnte Laimer. Sicherheit und Frieden könnten vielmehr nur durch Dialog und Diplomatie erreicht werden.
NEOS: EU MUSS SICH DURCH GEMEINSAME STÄRKE VERTEIDIGEN KÖNNEN
Österreich habe selbst erfahren, wie es ist, um die eigene Souveränität zu kämpfen, erklärte Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS). Diese historische Verantwortung solle Österreich nun einbringen und so klar machen, wie notwendig die Souveränität der Ukraine ist. Es sei notwendig, auf EU-Ebene gemeinsam und stark aufzutreten, um die USA und insbesondere Putin in die Schranken zu lenken. Angesichts täglicher Cyberangriffe und täglicher Fakenews, bei denen die FPÖ immer wieder „begeistert“ mitmache, sei Europa bereits in einem Informationskrieg mit Russland.
Europa müsse sich selbst schützen, um in Frieden leben zu können, meinte Veit Dengler (NEOS). Österreichs Neutralität sei obsolet und man müsse sich verteidigen können und dazu werde man den Beistand anderer Länder brauchen. Nicht das Völkerrecht und Verträge, sondern Abschreckung und Stärke würden den Frieden sichern. Wenn es jemand nicht wage, anzugreifen, gebe es Sicherheit.
GRÜNE: FRIEDE NOTWENDIG, DER FREIHEIT UND UNABHÄNGIGKEIT GEWÄHRLEISTET
Friede sei wohl die berechtigtste Sehnsucht der Menschen, erklärte der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie Grüne-Abgeordneter Werner Kogler und forderte einen Frieden, der Freiheit und Unabhängigkeit gewährleistet. Vielleicht sei es eine schmerzliche Erkenntnis, aber ein dauerhafter Frieden, Unabhängigkeit und Freiheit brauche auch Sicherheit, betonte Kogler. Dazu müssten die militärischen Ausgaben auf EU-Ebene „vernünftig organisiert“ werden. Nichts könne den Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigen und dabei seien die europäischen Werte angegriffen worden. Eine Demokratie sei von einem „quasi diktatorischen“ Staat überfallen worden. Der Widerstandsgeist der Ukraine sei „bewundernswert“, brauche aber entsprechende Unterstützung. Die EU müsse ebenso bei Russland gegenhalten. Es sei daher wichtig, dass Österreich die Sanktionen sowie die humanitäre Hilfe als auch den Wiederaufbau unterstützt.
Die Ukraine würde sich nichts sehnlicher als Frieden wünschen. Es dürfe aber nicht irgendein Friede sein, sondern müsse einer sein, der die Freiheit sichert und Putins „imperialistischen Hunger“ stoppt, erklärte Meri Disoski (Grüne). Ein Diktatfrieden würde den Krieg hingegen nur einfrieren und in Folge andere Staaten in Gefahr bringen. Der Krieg sei ein Angriff auf Demokratie und Werte und die EU müsse daher geschlossen handeln. Dazu sei die EU-Erweiterung eine sicherheitspolitische Notwendigkeit und die Ukraine, Moldau und die Westbalkanstaaten müssten eine europäische Perspektive erhalten. (Fortsetzung Nationalrat) pst
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